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Neu ist „Alt-Gunzenhausen“

Das 76. Jahrbuch des Vereins für Heimatkund im Rathaus präsentiert

Im Rathaus stellten Vorsitzender Werner Falk (rechts) und sein Stellvertreter Werner Mühlhäußer (links) die neue Ausgabe Bürgermeister Karl-Heinz Fitz vor.   Foto: StGun/Grosser

Im Rathaus haben Vorsitzender Werner Falk und sein Stellvertreter Werner Mühlhäußer dem Bürgermeister die neue Ausgabe des Jahrbuchs „Alt-Gunzenhausen“ vorgestellt.  Karl-Heinz Fitz äußerte sich dabei anerkennend zur Arbeit des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen, der im nächsten Jahr zusammen mit dem Stadtjubiläum auf „100 Jahre Alt-Gunzenhausen“ zurückschauen kann. Die erste Ausgabe ist anlässlich der 1100-Jahrfeier im Jahr 1923 erschienen.

Dass der Stadtarchivar und der Schriftleiter von „Alt-Gunzenhausen“ in der Person von Werner Mühlhäußer identisch sind, das empfindet Vorsitzender Werner Falk als eine glückliche Synthese. So bekomme der Geschichtsverein Zugang zu jungen Autoren, denen der Archivar als Mentor zur Seite stehe und sie ermuntere, die Historie der Stadt in vielen Facetten zu beleuchten. Nicht unerwähnt blieb beim Gespräch im Rathaus die finanzielle Unterstützung der Stadt für den Verein, der inzwischen 310 Mitglieder zählt.

Elf historische Beiträge von zehn Autoren enthält die neue Ausgabe, die seit Weihnachten im Handel erhältlich ist. Zum Stamm der Autoren Werner Somplatzki, der Kreisheimatpfleger für Archäologie, „Die neolithische Siedlung zwischen Sammenheim und Sausenhofen“ nennt sich sein Beitrag. Siglinde Buchner hat sich gleich zwei Themen ausgesucht: die ehemaligen Turmburgen von Dornhausen, Pfofeld und Aha. Sie geht ferner auf die Beziehungen zu den Grafen von Abenberg ein und stellt Agnes Gräfin von Dollnstein vor, eine Patronatsherrin von Aha (1222). Die Johanniskirche von Altenmuhr porträtiert Günter L. Niekel  in reicher Illustration. Über die „Taufen Auswärtiger in den Kirchenbüchern von Heidenheim bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs“ hat Werner Kugler geforscht. Das Studium in den Gunzenhäuser Kirchenbüchern von 1534 bis 1875 war für Werner Mühlhäußer sehr ergiebig, denn er hat eine Reihe von „Jubelhochzeiten“ und somit interessante Hinweise auf die gesellschaftliche Stellung der Frauen in jener Zeit gefunden.

Ebenfalls um eine Hochzeit geht es im Beitrag von Walter Salfner. „Die Hochzeitsgeschäfte des Fünfbronner Pfarrers Seefried“ nennt er sich. Dass es im 19. Jahrhundert auch in Gunzenhausen einen lebhaften Hopfenanbau und Hopfenhandel  gab, das schildert Werner Neumann.  Bilder der Reformatoren Martin Luther und Phillip Melanchthon hängen in vielen Kirchen Altmühlfrankens, aber Dr. Joachim Schnürle widmet sich vorzugsweise denen, die in der Unterasbacher Michaelskirche zu sehen sind.  Nicht von dem einstigen Mesner Emil Witthopf, sondern von dessen Sohn, dem bislang unbekannten Künstler Bernhard Witthopf, handelt der Beitrag von Günter Fürst.  „Erfolgsgeschichte der Gunzenhäuser Kultband“ nennt sich der umfangreiche Artikel von Defne Su Islim.

Das Jahrbuch ist für 15 Euro im örtlichen Buchhandel erhältlich. Im Depot des Vereins lagern noch Jahrbücher in größeren Auflagen aus den vergangenen Jahrzehnten.  Im Internet sind sie unter „heimatkunde-gunzenhausen.de“ aufgelistet. Der Verein gibt sie zu einem Sonderpreis von fünf Euro ab. Anfragen können an den Vorsitzenden gerichtet werden.

Die „Goldene“ war ganz selten

50jähriges Ehejubiläum im Jahr 1773 begangen

Heutzutage sind goldene Hochzeiten, also ein über 50 Jahre währendes eheliches Zusammensein, keine Seltenheit mehr, denn die Menschen erreichen ein biblisches Alter und noch mehr. Das war aber nicht immer so. Im 18. Jahrhundert erreichten sie im Durchschnitt an die 35 Lebensjahre. So gesehen, war es fast unmöglich, fünfzig Jahre verheiratet zu sein. Und doch gab es damals schon in Gunzenhausen drei Ehepaare, die die „Goldene“ begehen durften.

Von zwei Jubelpaaren hat  Stadtarchivar Werner Mühlhäußer im 73. Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen berichtet, nun fand er bei weiteren Recherchen in den Kirchenbüchern von 1534 bis 1876 ein weiteres goldenes Jubiläum, und zwar das von Johann Georg und Maria Eva Moll. Im 76. Jahrbuch, das nun erschienen ist, widmet er sich den Vorgängen zu jener Zeit.

Will man sich der Thematik nähern, dann muss man wissen, dass die christliche Ehe seit dem 11. Jahrhundert unter kirchlicher Aufsicht steht, sie als unauflöslich gilt und nur mit dem kirchlichen Segen geschlossen werden kann. Sie galt im Mittelalter als soziale Sicherung für die Frauen. Arlme Männer konnten mangels Vermögens von der Eheschließung ausgeschlossen werden. Kritische Geister erkannten die Ehe damals schon als „kirchlich sanktionierte Triebabfuhr“ und der Reformator Martin Luther wetterte gegen die „Arznei gegen Hurerei von Gottes Gnaden“.

„Für die wirtschafts-, sozial- und bevölkerungshistorische Forschung sind die genealogischen Quellen von größter Bedeutung“, sagt Stadtarchivar Mühlhäußer, der in einem zeitintensiven Aktenstudium  9917 Eheschließungen in dem genannten Zeitraum (von 1534 bis zur Einführung der Standesämter 1876) festgehalten hat. „In Summa ist dies Städtlein nun einer Spelunke und zerstörten Dorf ähnlicher als ähnlich“, notierte der Geschichtsschreiber von 1639, als nach dem Dreißigjährigen Krieg in Gunzenhausen nur mehr 111 Häuser standen.

Der Name Moll tauchte in der Stadt erstmals 1676 auf, als ein Rotgerbermeister mit den gleichen Vornamen aus Nördlingen in der Altmühlstadt um Bürgeraufnahme nachsuchte. In zweiter Ehe war er übrigens mit der Dornhäuser Wirtstochter Anna Maria Kirsch verbunden. Deren Sohn Georg Wolfgang war mit Maria Eva Guttenberger, einer Zimmermannstochter aus Laubenzedel, verheiratet.  Diese war Hebamme und hat „733 Christenkinder empfangen“.

Doch nun zum Jubelbräutigam, dem Schuhmachermeister  Johann Georg Moll, der am 19. September 1773 Maria Eva Danner heiratete, Tochter eines markgräflichen Fasanenknechts und Taglöhners auf dem Reutberg. Die Trauung vollzog Kirchen- und Konsistorialrat Johann Heinrich Schülin, der spätere Beichtvater des „Wilden Markgrafen“ Carl Wilhelm Friedrich, der den Fürsten auch in seinen letzten Stunden begleitete.

Die Molls lebten zunächst in einem „Viertel Hausanteil“ am Auweg 1, dann in der unteren Haushälfte in der Sonnenstraße 9 , später im Anwesen Hafnermarkt 3.  Das Ehepaar hatte nur eine einzige Tochter (Maria Margaretha), die den Ansbacher Schuhmachermeister Johann Georg Pfahler ehelichte.

Das goldene Ehejubiläum der beiden, das im Jahr 1823 begangen wurde, war für die Gunzenhäuser Gesellschaft jener Zeit natürlich etwas ganz Besonderes, an der sie „lebhaften Antheil“ nahm. Die Zunftgenossenschaft begleitete den Kirchenzug, der Stadttürmer machte freiwillig Musik, die Schuljugend stellte sich in Reihen vor der Kirchentür auf und gleich drei Geistliche waren zugegen. Der Viertelmeister (die Stadt war damals in vier Distrikte aufgeteilt)  hatte unter den Familien des Viertels 60 Gulden sowie Mehl, Fleisch und Brot gesammelt. Offenbar waren die wirtschaftlichen Verhältnisse der Molls  im Alter nicht mehr die besten, denn es ist in der Ansprache des Viertelmeisters die Rede davon, dass sie „in Dürftigkeit leben“, und zwar zur Miete in der Mansarde des Wohnhauses Wucherer am Marktplatz 46. Zwei  Jahre nach der Jubelhochzeit verstarb Eva Maria 1825 im Alter von 75 Jahren, als „Armenleiche“ wurde Johann Georg Moll (81) sechs Jahre später beigesetzt. -fa-

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ des Vereins für Heimatkunde ist für 15 Euro im örtlichen Buchhandel erhältlich.

Fünfbronn als Heiratsparadies

Originelle Begebenheit aus dem frühen 19. Jahrhundert

Die Fünfbronner Kirche um das Jahr 1850, als Johann Gottlieb Christian Seefried dort als besorgter Pfarrer tätig war.

Das kleine Dorf im Spalter Hügelland war Gretna Green voraus. Jedenfalls galt es anfangs des 19. Jahrhunderts  für etliche Jahre als Heiratsparadies – ähnlich dem kleinen südschottischen Ort, in dem bis heute jährlich an die 5000 Ehen von jungen Leuten ab 16 Jahren ohne Zustimmung der Eltern geschlossen werden.  Die „Hochzeitsgeschäfte des Fünfbronner Pfarrers Seefried“ beschreibt Walter Salfner in der neuen Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“  – eine historisch originelle und seltene Begebenheit,  in den Augen heutiger Betrachter eine amüsante Story.

Allein in den Jahren 1801-1804 vollzog der Geistliche Johann Gottlieb Christian Seefried nachweisbar 73 Trauungen ohne behördliches Aufgebot oder die elterliche Zustimmung.  Schaf- und Schweinehirten, wandernde Gesellen, Spielleute und Soldaten waren es, die aus allen möglichen deutschen Gebieten nach Fünfbronn kamen, um sich hier „copulieren“ zu lassen. Der Keilberger Schuhmachermeister Adam Breit (mit Barbara Storzin aus Absberg) war unter ihnen, aber auch der Ottmannsberger Schneidergeselle Johann Michael Oertel (mit Anna Donhäuser aus Hohenkemath), der Arberger Taglöhner Andreas Spintler (mit Barbara Seitz aus St. Veit) oder der Ramsberger Viehhirte Simon Hieronymus Gintner (mit Anna Maria Prunner aus Keilsdorf).

Dass dem Geistlichen, dem die Einkünfte in der kleinen Gemeinde nicht ausreichten, um ein erträgliches Leben führen zu können, das unkonventionelle Geschäft überhaupt möglich war, hat seinen Grund auch in den damals verwirrten rechtlichen Verhältnissen.  Das Dorf war damals überwiegend evangelisch, aber die beiden größten Höfe gehörten Katholiken. Das Kirchenpatronat hatten über viele Jahrzehnte die Herren von Lentersheim, die auf Schloss Altenmuhr beheimatet waren. Sie kassierten zwei Drittel des Zehnten von den Fünfbronnern. Davon bezahlten sie auch den Pfarrer und Lehrer. Die Grundherrschaft änderte sich über die Zeit mehrmals. Fraischsteine (Grenzsteine)  aus dieser Zeit sind heute noch in der Flur erkennbar. Nach dem Tod des letzten Ansbacher Markgrafen Alexander kam das Fürstentum unter preußische Herrschaft und Karl August von Hardenberg organisierte es nach modernen Gesichtspunkten. Die Überschüsse aus den fürstlichen Geschäften blieben nicht etwa in der Region, sondern flossen ins preußische Fürstenhaus nach Berlin.  Historiker bestätigen: Hardenbergs  fast unbeschränkte Machtpolitik war nur möglich, weil die Zeitumstände (Bedrohung durch Frankreich) den preußischen Schutz nahe legten und obendrein  unter den neuen Herren Sicherheit versprachen.

Zwischen die Fronten geriet dabei der Pfarrer Seefried, der übrigens dem letzten verbliebenen Lentersheimer Grundherren die Grabrede hielt.  Der fürstliche Verwalter Hardenberg  hatte das Lehen Altenmuhr für seine Verdienste erhalten. Weil aber von Muhr keine materielle Unterstützung für Pfarrei und Schule kam, kam sich der Pfarrer ziemlich verloren vor. Die Herren in Ansbach (markgräfliches Konsistorium) und Eichstätt (Bistum) pflegten ihr gespanntes Verhältnis. Seefried gelobte  „devotest“ dem Bischof „Treue und tiefste Unterthänigkeit“ und bat um Hilfe.  Der zweijährige Schwebezustand versetze ihn und den Lehrer in „tiefste Armut“, klagte er. Dann klärte sich, welchem Landesherrn er unterstand, aber besoldet wurde er auch von dem Eichstätter Bischof Josef Graf von Stubenberg nicht.  Von den Einnahmen der Fünfbronner Pfarrei gingen nur 23 Prozent an den Geistlichen. Etwas besser erging es dem Lehrer Johann Wilhelm Meyer, der eine Fünfbronner Bauerntochter heiratete und damit weitgehend ausgesorgt hatte.

Im Zuge der Säkularisierung kam das Eichstätter Fürstentum an Bayern (1802). Innerhalb von wenigen Jahren registrierte Fünfbronn drei Landesherren: Eichstätt, Bayern und Preußen.  Die Besoldungsprobleme blieben aber die gleichen – bis dem Pfarrer Seefried eine glänzende Idee kam.  „Er etablierte eine Art Heiratsgeschäft“, schreibt Walter Salfner (der Fünfbronner  Autor war Studienrat am Simon-Marius-Gymnasium in Gunzenhausen). „Jedwedes Paar“ konnte sich nach seinem Plan im kleinen Dorf trauen lassen. Sie mussten nur ihre Ehelosigkeit erklären und eine Gebühr zahlen. Nicht einmal die Einwilligung der Eltern war bei minderjährigen Paaren gefragt, auch das dreimalige Aufgebot fand nicht statt.  So kamen viele Paare, die oftmals gar keinen festen Wohnsitz hatten, nach Fünfbronn, darunter auch ein „Parapluie-Macher“, also ein Regenschirmhersteller.  Als Trauzeuge trat stets Lehrer Meyer auf, das Geschäft ging gut.  Mit der Zeit aber regte sich Widerstand, nicht von den Fünfbronnern, sondern von „gewissen ausländischen Institutionen“.  Es war die Rede von einem „unbefugten Schritt“, man stellte die Gültigkeit des Copulationsschreibens in Frage und bezweifelte, ob die Ehen den katholischen Grundsätzen entsprächen.  Der Alerheimer Pfarrer Vetter beschwerte sich, dass Seefried ihn durch die Trauung seiner Tochter mit einem Apotheker „ins Unglück gestürzt“ habe.  Der unkonventionelle Trauungspfarrer rechtfertigte sein Vorgehen mit dem Hinweis, die Tochter sei wohl von einem geizigen Vater aufgezogen worden und habe „die Härte des stiefmütterlichen Herzens“ zu spüren bekommen.

Das damals gültige allgemeine Landrecht hatte die Eheschließung mit einer ganzen Reihe von Paragraphen verbunden, um die sich Seefried aber wenig scherte. Er beklagte, in für ihn schweren und unsicheren Zeiten nicht „Schutz und Hülfe“ erfahren zu haben, die amtlichen Stellen hätten seine Sorgen „mit Stillschweigen“ behandelt. Zu seiner Verteidigung führte er an, dass auch schon der frühere Patronatsherr die Trauung auswärtiger Paare angeordnet habe, die finanzielle Lage  und die Amtstätigkeit in einer Art gesetzesfreiem Raum ihn dazu genötigt habe. Wohl aber habe er manche Trauungen auch aus Mitgefühl gegenüber den sozial Benachteiligten vollzogen. Wie Autor Walter Salfner eruierte, führte der Geistliche an manchen Tagen gleich drei Paare an den Traualtar.

Zumindest der Gunzenhäuser Dekan Recknagel empfand Verständnis für seinen geistlichen Bruder: „Bei den zu Schulden gebrachten Vergehen dieses Mannes  soll allergnädigst auf seine traurige Lage Rücksicht genommen werden“. Die frühere Kirchenherrschaft, also das Bistum Eichstätt, hätte lange Gelegenheit gehabt, die Dinge zu regeln. Als sich auch das Ansbacher Konsistorium (fürstliche Verwaltung) für nicht zuständig erklärte, wuchs Gras über die Affäre.  Aber die Besoldungsrückstände waren geblieben. Deshalb wandte sich der finanziell klamme Pfarrer an den inzwischen nach Berlin weggelobten Hardenberg. Er machte zu den Hochzeitseinnahmen keine Angaben, andererseits verlangte auch das preußische Amt keine Auskunft. Er erbat sich „lebenslängliche Protection“ und äußerte den Wunsch, „allergeneigteste Rücksicht zu nehmen“ und ihn „nach allenfalls sich ergebender Veränderung“ nach Altenmuhr zu versetzen. Daraus wurde aber nichts. Er kam nach Altenmünster bei Crailsheim, dann nach Ergersheim bei Bad Windsheim, wo er nach seiner Erblindung 1853 starb und seine letzte Ruhestätte fand.

Sein Nachfolger in Fünfbronn war Christian Friedrich Bomhardt fand klare Worte für die Fünfbronner Behausung („wahre Hütten“)  und schrieb an die Ansbacher Verwaltung, er wolle lieber einen „Bauernkorb“ (Kleinbauernhaus) beziehen als in diesem Pfarrhaus zu wohnen und beneide den Gemeindehirten um seine Wohnung.  Die weiteren Vorgänge: Der markgräfliche Verwaltungschef Hardenberg verkaufte 1809 seinen Besitz in Alten- und Neuenmuhr, ein Jahr später gelangte er an das Königreich Bayern, erst hundert Jahre später zog dort die Familie von Le Suire auf.

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ des Vereins für Heimatkunde ist für 15 Euro im örtlichen Buchhandel erhältlich.

Verdienstmedaille für G. Herrmann

Landrat zeichnete den vielfach engagierten Walder aus

Landrat Westphal mit dem Ehepaar Renate und Gerhard Herrmann sowie Dieter Gottschall und Bürgermeister KH Fitz.

Landrat Manuel Westhal hat im Landratsamt in Weißenburg die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen, und zwar an den Lehrer a.D. Gerhard Herrmann aus Gunzenhausen-Wald. Dabei würdigte er in Anwesenheit von Bürgermeister Karl-Heinz Fitz und Rektor a.D. Dieter Gottschall (Gunzenhausen), der die Ehrung vorgeschlagen hatte, die Persönlichkeit des Mannes, der sich in vielfältiger Form seit vielen Jahren auf den Sektoren Kultur, Kirche und Historie engagiert.

Wir zitieren aus der Rede des Landrats:

Helmut Kohl hat einmal gesagt: „Ohne die vielen Frauen und Männer, die in Deutschland ein Ehrenamt ausüben … wäre unser Land um vieles ärmer und unser Gemeinwesen so nicht denkbar.“ Und einer dieser Männer, der sich dazu noch in ganz besonderer Art und Weise für das Gemeinwesen eingesetzt haben, sind Sie Herr Herrmann. Herr Herrmann ist seit nahezu sechs Jahrzehnten aktiver Sänger im Männergesangverein Wald-Streudorf und engagiert sich seit mehr als viereinhalb Jahrzehnten ehrenamtlich in seiner Heimatgemeinde. Ich selbst bin gerade einmal 47 Jahre alt, Bürgermeister Karl-Heinz Fitz konnte dieses Jahr seinen 60. Geburtstag feiern, damit hat man Vergleichsgrößen. Ihr vielseitiges jahrzehntelanges Engagement für die Chöre und Vereine und der damit verbundene zeitliche Aufwand verdienen höchste Anerkennung.

1962 wurde Herr Hermann Mitglied im Männergesangverein Wald-Streudorf und ist seit dieser Zeit aktiver Sänger. Doch damit nicht genug, Sie übernahmen dann 1984 im Verein die Aufgaben des Schriftführers und sind seit 1998 Chorleiter. 1979 waren Sie dann Gründungsmitglied und Leiter der Walder Gmabüschsänger, die sich der Bewahrung des fränkischen Liedguts verschrieben haben. Nicht zuletzt haben Sie das Fischerfest mit ihrer Gesangsgruppe bereichert. Seit 1995 singen Sie zusätzlich im Shantychor Altmühlsee und dort fungieren Sie seit 2018 als Vorsänger des Chores. Auch im kirchlichen Bereich sind sie engagiert: Seit 1974 leiten Sie den Kirchenchor der Kirchengemeinde Wald, wo Sie auch von 1994 bis 2006 als Vertrauensmann im Kirchenvorstand tätig waren, seit 1983 sind Sie Lektor. Nicht zuletzt helfen Sie aber auch bei Engpässen als Organist aus. Eine besondere Leidenschaft ist aber auch das fränkische Brauchtum und dessen Erhalt. Das war wohl auch der Grund, warum Sie 1974 Gründungsmitglied des Heimatvereins Wald-Streudorf waren und seitdem (47 Jahre) das Amt des Schriftführers ausüben. Dabei zeigen Sie auch einen unermüdlichen Einsatz bei der Ausrichtung der traditionellen Veranstaltungen in Wald. Die Liste der Beispiele wäre hier lang, beispielhaft nenne ich daher die Lichtmessfeier, das Gmabüschfest, Goldene Hochzeiten und Kabarett- Veranstaltungen im Herrmannsstadel. Schließlich wirken Sie seit 2005 auch als Beiratsmitglied im Verein für Heimatkunde Gunzenhausen e. V. mit.

Ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten im musikalischen, kulturellen und kirchlichen Bereich haben nicht nur eine entscheidende Rolle für die positive Entwicklung von Wald entfaltet, sondern tragen dazu bei, dass Brauchtum und Vereinsleben einen hohen Stellenwert bei der Bevölkerung haben und für die nachfolgende Generation lebendig bleiben. Sehr geehrter Herr Hermann, ich freue mich daher sehr, Ihnen heute die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen darf. Persönlich darf ich anmerken, dass man – sieht man sich die umfangreichen Tätigkeiten über Jahrzehnte hinweg an -, keine geeignetere Persönlichkeit vorstellen kann. Gerade in der heutigen Zeit ist es ganz besonders wichtig, dass wir Menschen wie Sie haben, die sich selbstlos für die Gesellschaft und Gemeinschaft einsetzen, die Tradition und Brauchtum erhalten, denen es aber auchgelingt, dieses lebendig zu halten und vor allem die Begeisterung auchweiter zu tragen. Personen wie Sie, das sind oftmals die „Helden im Verborgenen“ und deswegen ist es wichtig DANKE zu sagen und dies auch öffentlich zu tun, was ich heute gerne übernehme.

Neuer Vereinskassier

Rüdiger Schmidt übernahm Amt von Hans Minnameyer

Rüdiger Schmidt, langjähriger Mitarbeiter der Hypo-Vereinsbank in Gunzenhausen und Schiffsführer auf der MS Gunzenhausen, hat jetzt die Kassenführung des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen übernommen. Er war bisher mit Thomas Fischer  als Revisor tätig. Mit Dank verabschiedet wurde in der Jahreshauptversammlung im Gasthof „Adlerbräu“ der bisherige Kassier Hans Minnameyer, der zehn Jahre umsichtig und mit größter Korrektheit die Finanzen des 310 Mitglieder zählenden Geschichtsvereins geführt hat.

In der Jahresversammlung im Gasthof „Adlerbräu“ ließ Vorsitzender Werner Falk das Jahr 2020 Revue passieren. Infolge der Corona-Bestimmungen war die Tätigkeit des Vereins erheblich beeinträchtigt. Im Februar war die Jahresversammlung für 2019 und im Herbst eine Vorstandssitzung. Im Dezember ist das 75. Jahrbuch Alt-Gunzenhausen erschienen. Der Dank des Vorsitzenden galt seinem Stellvertreter Werner Mühlhäußer, der als Schriftleiter fungiert.

Gedacht wurde der verstorbenen Mitglieder Walter Lüther, Wolfgang Schneider (München), Günther Prechter (Cronheim), Klaus Zucker (Gunzenhausen) sowie Kurt Eichner (Gunzenhausen). In das Totengedenken eingeschlossen wurde auch Dieter Wenk, der vor wenigen Tagen verstorben ist.

Für die nächsten drei Jahre wiedergewählt wurden Vorsitzender Werner Falk, Stellvertreter Werner Mühlhäußer und Schriftführer Armin Kitzsteiner.  Neu in den Beirat wurden Georg Pfahler (Würzburg), Ernst Renner und Hannfried Reinhardt (Gunzenhausen). Sie treten an die Stelle von Dieter Gottschall und Franz Müller, die aus Altersgründen ausgeschieden sind.  Weiterhin sind dort Siglinde Buchner (Weißenburg), Heidi Dücker (Gunzenhausen), Gerhard Herrmann (Wald), Günter L. Niekel (Muhr am See) und  Thomas Müller (Kalbensteinberg). Als Kassenprüfer fungieren Thomas Fischer und Hans Minnameyer.

„Begegnung mit alten Gunzenhäusern“ nannte sich der Diavortrag von Werner Falk und Ernst Renner, der zu einem lebhaften Austausch von Erinnerungen und Episoden führte.

Mit Akribie geforscht

Hans Himsolt hat „Zinngießer von Gunzenhausen“ dokumentiert

Von dem Zinngießer Georg Leonhard Voelckel (1855) stammt diese Kaffeekanne aus Dittenheim.

Zinnfiguren, Bierkrüge, Biergläser mit Zinndeckel, Zinnteller, -Tassen und –Vasen schmückten noch in den letzten Jahrzehnten die Glasvitrinen, Regalbretter und Schrankaufsätze  in fast jedem Haushalt. Inzwischen sind sie aus der Mode gekommen. Die jungen Hausfrauen haben sie längst auf den Dachboden verfrachtet oder gleich entsorgt. Das war vor zwei Jahrhunderten natürlich noch ganz anders. Damals waren Zinnkrüge noch Ausdruck von bürgerlicher Wohlfahrt und die Zinngießer standen als Künstler unter den Handwerkern in höchstem Ansehen. Statistisch ließen sich noch vor hundert Jahren in Deutschland an die 250 Zinngießer nachweisen, heute gibt es in Bayern noch nur an die 20 aktive Betriebe. Der letzte Zinngießer von Gunzenhausen war Gottfried Himsolt. Sein Sohn, der Privatier Hans Himsolt, hat nach rund vierzig Jahren jetzt seine Forschungen zum Zinngießerhandwerk in der Stadt abgeschlossen und in Gemeinschaft mit dem Historischen Verein für Mittelfranken das Buch „Gunzenhäuser Zinngießer“ herausgebracht.

Die Gunzenhäuser kennen Hans Himsolt als einen mitunter recht eigenwilligen Zeitgenossen, der von seiner Forschungsarbeit überzeugt ist. Das haben Archäologen genauso erfahren wie Archivare. Er hat eigene Grabungen vorgenommen, um Zeugnisse römischer Besiedelung ans  Licht zu bringen und er gilt als Experte in Sachen bemalter Möbel in Südfranken. Im Gunzenhäuser Stadtmuseum und im Freilandmuseum Bad Windsheim sind die Exponate zu sehen.

Als junger Bursche hat sich Hans Himsolt im väterlichen Zinngießer- und Glasergeschäft (der Großvater Karl hatte es 1886 in der Oettinger Straße begründet) in der Werkstatt seines Vaters allerhand abgeschaut. Damals, vor fast vierzig Jahren, ist in ihm die Sammlerleidenschaft entbrannt, die ihn nicht mehr losgelassen hat. 1979 veröffentlichte er das erste Mal seine Forschungsergebnisse (in der vom Verein für Heimatkunde herausgegebenen Jahrespublikation „Alt-Gunzenhausen“).  Ergänzend dazu sind 1997 die „Kirchenschätze“ von Dagmar Thormann und Werner Mühlhäußer sowie 2014 der Band „Weißenburger Zinngießer“ von Gernot Römhild erschienen.

Der Historische Verein für Mittelfranken hat jetzt einen Beiband zu den „Mittelfränkischen Studien“ herausgebracht, der sich ausschließlich mit den Zinngießern befasst. Dr. Wolfgang F. Reddig, der Leiter des Ansbacher Markgrafenmuseums und Stadtarchivar, spannt in einem längeren Beitrag den großen geschichtlichen Rahmen auf. Er lobt das Druckwerk als erste übergreifende kulturhistorische Betrachtung dieses metallverarbeitenden Handwerks in Franken vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart.

Nürnberg als einer der wichtigsten Städte im Mittelalter hatte schon 1285 eine Zinngießerzunft – vor Lübeck, Prag und Hamburg. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es ein Nürnberger war, nämlich Michael Apelt, der 1654 im Bürgerbuch von Gunzenhausen als „Kannengießer“ erscheint. Ähnlich wie bei den  Gold- und Silberschmieden  waren seinerzeit nur die Zinngießermeister berechtigt, eine Marke (eingeschlagenes Zeichen)  als Hinweis auf Herkunft und Qualität zu führen. Zwar kamen schon 1793 erste Bedenken auf, ob das Essen von Zinntellern nicht gesundheitsschädlich sei, aber es dauerte dann noch mehr als hundert Jahre bis 1887 die Verwendung von bleihaltigem Geschirr in der Gastronomie gesetzlich verboten wurde. Damals schon waren es die „schwarzen Schafe“, die den anständigen Handwerkern das Leben schwer machten, indem sie zuviel Blei und zu wenig Zinn verwendeten, um so billiger sein zu können.

Peter Pals (1515), Jakob Herkhauser (1605), Hannß Müller (1618), Michael Apelt (1654), Johann Friedrich Vogtherr (1678) und Johann Philipp Messier (1731) waren – so der Gunzenhäuser Sammler – die ersten Zinngießer in der Stadt.  Es waren insgesamt 25.  Viele der von Hans Himsolt erforschten 140 Zinngegenstände, die er unter bestimmten Auflagen der Stadt vermachen will,  befinden sich in seinem Eigentum, andere sind in Privatbesitz.

WERNER FALK

Hans Himsolt: „Gunzenhäuser Zinngießer“ mit einem Vorwort von Dr. Wolfgang F. Reddig, 248 Seiten, erschienen im Selbstverlag des Historischen Vereins für Mittelfranken, ISBN 978-96049-075-3, 68 Euro.

Neues vom alten Gunzenhausen

„Alt-Gunzenhausen“ erscheint im Dezember

Die „Sharks“ aus dem Jahr 1963: Bernd Wecera, Dieter Grünsteudel, Rainer („Hasi“) Oertel, Harry Canbulat, Gerd Vorbrugg

Mit 13 heimatkundlichen Beiträgen aus der Feder von elf Autoren setzt der Verein für Heimatkunde Gunzenhausen seine  Schriftenreihe „Alt-Gunzenhausen“ fort. Es ist die 76. Ausgabe seit 1923. Wie Vorsitzender Werner Falk mitteilt, wird das umfangreiche Jahrbuch im Dezember erscheinen.

Von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart reichen in der zeitlichen Abfolge die Beiträge der lokalen Autoren. „Wir sind stolz darauf, dass wir einen festen und verlässlichen Stamm an Autoren haben, die sich der lokalen Historie widmen“, erklärte der Vorsitzende in der Vorstands- und Beiratssitzung im Gasthaus „Altes Rathaus“. Als eine glückliche Symbiose nannte er die Kooperation des Geschichtsvereins mit dem Stadtarchiv Gunzenhausen in der Person seines Leiters Werner Mühlhäußer, der zugleich als stellvertretender Vorsitzende des Vereins fungiert.

„Die neolithische Siedlung zwischen Sammenheim und Sausenhofen“ nennt sich der Beitrag von Werner Somplatzki, dem Kreisheimatpfleger für Archäologie. Siglinde Buchner hat sich gleich zwei Themen ausgesucht: die ehemaligen Turmburgen von Dornhausen, Pfofeld und Aha. Sie geht dabei auf die Beziehungen zu den Grafen von Abenberg ein und stellt Agnes Gräfin von Dollnstein vor, eine Patronatsherrin von Aha (1222). Die Johanniskirche von Altenmuhr porträtiert Günter L. Niekel  in reicher Illustration. Über die „Taufen Auswärtiger in den Kirchenbüchern von Heidenheim bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs“ hat Werner Kugler geforscht. Das Studium in den Gunzenhäuser Kirchenbüchern von 1534 bis 1875 war für Werner Mühlhäußer sehr ergiebig, denn er hat eine Reihe von „Jubelhochzeiten“ und somit interessante Hinweise auf die gesellschaftliche Stellung der Frauen in jener Zeit gefunden.

Ebenfalls um eine Hochzeit geht es im Beitrag von Walter Salfner. „Die Hochzeitsgeschäfte des Fünfbronner Pfarrers Seefried“ nennt er sich. Er schildert, wie die lentersheimische Pfarrei  Fünfbronn erst preußisch, dann bayerisch wurde. Dass es im 19. Jahrhundert auch in Gunzenhausen einen lebhaften Hopfenanbau und Hopfenhandel  gab, das schildert Werner Neumann.  „Das Bäckerbild von 1896“ ist der Beitrag von Werner Mühlhäußer betitelt, in dem er das Handwerk im 20. Jahrhundert vorstellt.  Bilder der Reformatoren Martin Luther und Phillip Melanchthon hängen in vielen Kirchen Altmühlfrankens, aber Dr. Joachim Schnürle widmet sich vorzugsweise denen, die in der Unterasbacher Michaelskirche zu sehen sind.  Auf die Entstehung des katholischen Kindergartens in Gunzenhausen geht Günther Dischinger ein (1921 sind die Franziskanerinnen aufgezogen) und setzt damit seine Dokumentationsreihe zu katholischen Einrichtungen fort.  Nicht von dem einstigen Mesner Emil Witthopf, sondern von dessen Sohn, dem bislang unbekannten Künstler Bernhard Witthopf, handelt der Beitrag von Günter Fürst.  Die  Heiligenbilder Witthopfs waren in der alten Stadtpfarrkirche zu sehen.

Wie doch die Zeit vergeht! Inzwischen gehören auch schon „The Sharks“ zur lokalen Historie, obgleich sie bei ausgewählten Anlässen noch auftreten.  „Erfolgsgeschichte der Gunzenhäuser Kultband“ nennt sich der Beitrag von Defne Su Islim. Mit der Veröffentlichung will der Verein für Heimatkunde deutlich machen, dass die Geschichte eben mehr als ist als die Forschung in einem jahrhundertealtem Umfeld.

Hommage an Ludwig Fels

„Weißenburger Blätter“ porträtieren den Literaten

Die „Weißenburger Blätter“ für Geschichte, Heimatkunde und Kultur widmen sich in ihrer jüngsten Ausgabe dem Schriftsteller Ludwig Fels.

Er wird von Kritikern als „einer der sprachmächtigsten  deutschen Schriftsteller“ eingeordnet, aber nicht von allen. In der Publikation „villa nostra“, die von der Stadt Weißenburg vierteljährlich herausgegeben wird, widmet sich der Journalist Uwe Ritzer dem Schriftsteller, der in Treuchtlingen aufgewachsen und im Januar 2021 74-jährig in seiner Wahlheimat Wien verstorben ist.

Ludwig Fels haderte mit seinem Schicksal, ein Franke zu sein. Das räumte er anlässlich der Kulturpreisverleihung 1995 in Weißenburg ein. Seine Frau sagt zur Veröffentlichung: „Er hat ganze 47 Jahre als Schriftsteller sein Leben bestritten und wurde meist auf seine ersten nicht selbst gewählten, sondern den Lebensumständen geschuldeten Arbeitsjahre als Jugendlicher reduziert. Meiner Meinung nach geht es jedoch allein um den Weg, den er als Autodidakt trotz lebenslanger Widerstände gegangen ist. Seine Arbeit über all die Jahre sollte im Zentrum stehen“. Tatsächlich wuchs er in Treuchtlingen in ärmlichen Verhältnissen auf.  Es folgten die Jahre, in denen er sich als „zorniger, jugendlicher Provokateur“ (Ritzer) in Erscheinung trat bevor er nach einem erfahrungsreichen Leben zum „bedeutendsten Schriftsteller wurde, den die Region hervorgebracht hat“.

Er hat 1995 den Döderlein-Kulturpreis der Stadt Weißenburg bekommen, 2009  den Literaturpreis der Wilhelm-und-Christine-Hirschmann-Stiftung“ sowie 2011 den „Wolfram-von-Eschenbach-Preis“ des Bezirks Mittelfranken bekommen. Aus seiner Feder stammen lyrische Gedichte, etliche Bücher („Die Sünden der Armut“/„Ein Unding der Liebe“) und auch Theaterstücke, die an namhaften Bühnen aufgeführt wurden und ihm Anerkennung einbrachten.

Stolz auf Alt-Gunzenhausen

Verein für Heimatkunde stellte Jahrbuch dem Bürgermeister vor

Vorsitzender Werner Falk (links) und sein Stellvertreter Werner Mühlhäußer (rechts) stellten im neuen und repräsentativen Eingang Bürgermeister Karl-Heinz Fitz die 75. Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ vor. Foto: Gudrun Weiß

Es ist inzwischen eine gute Tradition, dass der Verein für Heimatkunde Gunzenhausen sein neues Jahrbuch offiziell dem Bürgermeister im Rathaus vorstellt. Vorsitzender Werner Falk und Stellvertreter Werner Mühlhäußer, der zugleich als Stadtarchivar fungiert, taten dies auch heuer. Sie dankten Rathauschef Karl-Heinz Fitz und dem Stadtrat für die seit vielen Jahren gewährte Unterstützung – auch in finanzieller Hinsicht.

Die neue Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ ist rund 280 Seiten stark und enthält zehn Beiträge zur lokalen Historie von neun Autoren. Wie Vorsitzender Werner Falk betonte, kann sich der Verein auf einen soliden Stamm von Mitarbeitern stützen, denen alle der Gotteslohn genügt. Die enge Kooperation mit der Stadt, die sich in der Person von Stadtarchivar Werner Mühlhäußer darstellt, empfindet er als einen riesigen Vorteil, denn gerade der Stadtarchivar ist es, der beste Kontakte zu den Autoren hat und dem es immer wieder gelingt, neue Autoren zu gewinnen.

Es ist das 75. Jahrbuch, also eine Jubiläumsausgabe. Das erste ist 1923 herausgegeben worden, also kann in zwei Jahren schon wieder ein Jubiläum begangen werden. Das soll dann in einem  würdigen Rahmen geschehen, denn auch die Stadt feiert 2023 ein großes Jubiläum (1200 Jahre). Bürgermeister Fitz plant nach Ende der restriktiven Coronazeit die Bildung eines Arbeitskreises, in dem alle ihre Vorstellungen zum Stadtjubiläum einbringen können.

Die Beiträge in „Alt-Gunzenhausen“ sind: „Alte Friedhöfe an der Altmühl“ (Werner Somplatzki), „Kurzgefasste Ortsgeschichte von Schlungenhof“ (Siglinde Buchner), „Grabplattenfunde aus der Marienkirche in Großlellenfeld“ (Hermann Thoma), „Die Mühlen von Muhr“ (Günter L. Niekel), „Von Bettelvögten und Polizeidienern“ (Werner Mühlhäußer und Werner Neumann), „Christian Friedrich Möbius – Stadttürmer und Stadtmusikus in Gunzenhausen“ (Laura Meyer), „Bausteine zur Ortsgeschichte von Laubenzedel“ (Werner Mühlhäußer), „Die Gründungszeit des Sängerbundes 1861 Gunzenhausen“ (Annalena Brand), „Kriegstagebuch aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71“ (Daniel Burmann) und „Nationalsozialismus und Antisemitismus in Gunzenhausen 1919 bis 1924“ (Werner Mühlhäußer).

Aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen (Schließung der Buchhandlungen) sind heuer vier neue Verkaufsstellen gewählt worden: Marktapotheke in Markt Berolzheim, Verwaltungsgemeinschaft Altmühltal in Meinheim, Raiffeisenbank in Laubenzedel, Getränke-Seifert in Schlungenhof. Die Gunzenhäuser  Schreibwarenhandlung Pfahler bietet „Alt-Gunzenhausen“ zu ihren reduzierten Öffnungszeiten an, die Buchhandlungen Renner, Fischer, Francke, Stöhr und Glaser haben einen telefonischen Bestell- und Lieferservice eingerichtet. Das Jahrbuch kostet 15 Euro.

Kommune als Bauherr

Rückblick im aktuellen „villa nostra“-Heft

Am Kreuzweg und am Habermühlweg standen die Holzbaracken, die in den sechsziger Jahren abgebrochen wurden. Foto: Sammlung H. Walther

Ist der „soziale“ Wohnungsbau eine Aufgabe der Städte? Der Weißenburger Stadtentwickler Ulrich Heiß bejaht diese Frage. Er möchte nicht allein auf die privaten Investoren setzen, sondern erschwinglichen Wohnraum für Menschen schaffen, die es nicht so „dicke“ haben. Heiß stellt fest, dass das augenblickliche Angebot hochpreisig ist und deshalb von schlechter situierten Haushalte nicht angenommen werden kann.

Der Architekt aus dem Weißenburger Stadtbauamt wünscht sich, dass die Stadt die Förderkonditionen ausschöpft und sich als Bauherrin engagiert – so wie sie es beispielsweise bei der Neuanlage am Birkenweg getan hat. Dort sind im Frühjahr letzten Jahres 15 barrierefreie Wohneinheiten im Zuge des verdichteten Bauens bezogen worden. Er spricht in der neuen Ausgabe von „villa nostra“, den Weißenburger Blättern für Geschichte, Heimatkunde und Kultur sogar von einem „expliziten Mehrwert“.

In der Publikation, die jährlich dreimal erscheint und in den städtischen Dienststellen kostenlos abgegeben wird, gibt Stadtarchivar Reiner Kammerl unter dem Titel „Von der Brandstütze zum Reihenhaus“ einen Überblick des städtischen Wohnungsbaus seit der Zeit, in der  Weißenburg noch Reichsstadt war.

Den „sozialen“ Wohnungsbau hat es in der Wildbadstraße und Auf der Wied schon im 18. Jahrhundert gegeben.  Als der industrielle Boom Ende des 19. Jahrhunderts auch Weißenburg erfasste, schufen private Bauunternehmer Häuser mit kleinen Gärten (Westliche Ringstraße, Nördliche Ringstraße, Eichstätter Straße und Römerbrunnenweg). Es waren eingeschossige Häuser mit Zwerchhaus. Sie stehen zum Teil heute noch.  Die Wohnungsnot bleibt bis 1912 eine gemeinnützige Baugenossenschaft gegründet wird, „um den Kleinwohnungsbau zu unterstützen“. Sie geht einige Jahre später in der Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ auf.  Die Stadt ließ im letzten Kriegsjahr 1918 „zur vorübergehenden Nutzung“ Notwohnungen für Arbeiterfamilien errichten. Beachtlich ist, dass bereits 1912 die „Stadterweiterungskommission“ zur Feststellung kam, das „strahlenförmige und unschöne“ Bauen an der Peripherie verhindert werden soll, schon allein wegen der hohen Erschließungskosten. Das führte zu  einer verdichteten Bebauung, sprich einem Reihenhausprojekt in der Niederhofener Straße. Es kommen Baracken und Behelfsheime dazu (beispielsweise zweistöckige Holzbaracken in der Steinleinsfurt), die erst in den sechziger Jahren abgerissen werden,  bevor sich jemand Gedanken machen konnte, ob sie aus denkmalpflegerischer Sicht nicht erhaltenswürdig gewesen wären. Anfangs der dreißiger Jahre entsteht die „Galgenbergsiedlung“ mit zwölf Doppelhäusern. Weitere 60 „Siedlerstellen“ entstehen bis 1936.  Einfache Behelfsheime baut das Deutsche Wohnungshilfswerk während des Zweiten Weltkriegs. Sie haben keinen Wasser- und Abwasseranschluss, nur zwei Räume und einen Ofen. Die von der Stadt erbauten Holzbaracken werden bis 1970 abgerissen.

Mit der konsequenten Räumung des „Barackenwohnungselends“ beginnt die Stadt 1964. Es verschwinden die „Holzbarackenstadt“ am Habermühlweg mit 29 Behelfsheimen, die vier Großbaracken (mit 17 Wohnungen) am Kreuzweg, die Wohnbaracken in der Steinleinsfurt und am Römerlager sowie das einstige Ostarbeiterlager.

WERNER FALK