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„Alt-Gunzenhausen“ im Großformat

Die Schriftenreiche des Vereins gibt es seit 100 Jahren

Neu erschienen ist in diesen Tagen das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen. Den Mitgliedern des Vereins ist die 480 Seiten starke Jubiläumsausgabe per Post zugegangen, im Buchhandel ist sie ab 14. Mai erhältlich (25 Euro). Die offizielle Vorstellung erfolgt am Donnerstag, 23. Mai, um 19.30 Uhr im „Haus des Gastes“.

„Möge unser Unternehmen, das aus der Liebe zur Heimat und der Geschichte hervorgegangen ist, dazu dienen, den Sinn für Heimatgeschichte zu wecken und zu stärken“. Das war der Wunsch der Autoren des ersten Hefts „Alt-Gunzenhausen“ im Jahr 1923. Sie verstanden die 84-seitige Schrift als eine „wissenschaftlich-historische Gabe“ im Jubeljahr der Stadt, das gekennzeichnet war von der Inflation. Begangen wurde das Stadtjubiläum deshalb auch erst 1924, als es wirtschaftlich schon wieder besser aussah. Zugleich brachte damals der Verein für Heimatkunde ein „Jubiläumsbüchlein“ heraus. Das zweite „Alt-Gunzenhausen“ erschien 1925. Uns so ging es weiter. Der Verein konnte die Publikation meist jährlich herausgegeben mit einem Umfang von rund 150 Seiten, ab 2000 stieg der Umfang auf 280 Seiten und mehr. Deshalb sprechen wir nicht mehr von unserem „Heft“, sondern von unserem „Jahrbuch“.

Der Vorsitzende und der Schriftleiter sowie die gesamte Vorstandschaft des Vereins sind stolz auf diese Leistung. Die Herausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ ist möglich, weil die Mitglieder (inzwischen sind es 310) ihren jährlichen Obolus entrichten. Die Stadt Gunzenhausen gewährt einen ansehnlichen Zuschuss, ferner die Wilhelm-und-Christine-Hirschmann-Stiftung und der Bezirk Mittelfranken. Der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, die Sparkasse, die Raiffeisen- und Volksbank im südlichen Franken sowie die Raiffeisen- und Volksbank Mittelfranken Mitte  gehören zu unseren Sponsoren. Ihnen gilt unser großer Dank.

Vorsitzender Werner Falk und Stellvertreter Werner Mühlhäußer bedanken sich auch bei den Vorstandsmitgliedern Rüdiger Schmidt (Unterwurmbach), der die Finanzen verwaltet, und bei Armin Kitzsteiner, der als Schriftführer fungiert. Dem Ausschuss gehören an: Siglinde Buchner (Weißenburg), Heidi Denzinger (Gunzenhausen), Gerhard Herrmann  (Wald), Thomas Müller (Kalbensteinberg), Günther L. Niekel (Muhr am See), Georg Pfahler (Würzburg), Hannfried Reinhardt (Gunzenhausen) und Ernst Renner (Gunzenhausen). Als Revisoren im Verein fungieren Thomas Fischer und Hans Minnameier.

Die Themen der 20 Beiträge von 18 Autoren beschränken sich nicht nur auf Gunzenhausen, sondern das ganze Umland.  Und sie reichen von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart. Es sind nicht immer gute Zeiten, über die geschrieben wird. Allein in 17 Jahrbüchern beschäftigen sich seit 1987 die Autoren mit dem Nationalsozialismus und Antisemitismus in Gunzenhausen. Unser Dank gilt den Autoren, die beileibe nicht mehr alle in der Region leben, aber die ihrer Heimat treu geblieben sind, indem sie die Historie von den verschiedensten Blickwinkeln aus beleuchten. Das war immer so und das belegt auch die vorliegende Jubiläumsausgabe, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens von „Alt-Gunzenhausen“ vorgelegt werden kann. Der Vorstand hat deshalb eine repräsentativere Gestaltung  dieses über 400 Seiten starken Jahrbuches gewählt. Die Autoren  arbeiten für Gotteslohn. Und das veranlasst uns, ihnen größte Anerkennung auszusprechen.

Wir dürfen den Inhalt der 78. Ausgabe in geraffter Form vorstellen und laden die Leser ein, tiefer in die heimatkundlichen Beiträge einzusteigen.

Prof. Georg Seiderer von Lehrstuhl für Neue Bayerische und fränkische Landeskunde an der Uni Erlangen-Nürnberg, ist ein gebürtiger Gunzenhäuser. Er hat uns die Erlaubnis gegeben, seine Festrede zum Stadtjubiläum „Gunzinhusir 823 – Gunzenhausen 2023“ abdrucken zu dürfen. Der Historiker  wirft einige wichtige Schlaglichter auf die Geschichte der Stadt. Dazu gehört auch der Hinweis auf das reichsweite erste Judenpogrom 1934 und das erste Hitlerdenkmal.

Der Archäologe Arnd Kluge hat im Vorfeld der Innenhofgestaltung des Rathauses das Areal  untersucht und bauliche Zeugnisse aus dem 13. und 14. Jahrhundert entdeckt, so auch einen Gewölbekeller, der im 17. Jahrhundert abgebrochen bzw. verfüllt wurde.  Unter dem Titel „Archäologische Schlaglichter zur frühen Stadtgeschichte von Gunzenhausen“ fasst er seinen Vorbericht zu den Ausgrabungen zusammen. Er dokumentiert den Übergang von früher Pfostenbebauung hin zur Errichtung komplexerer Steinanlagen.  Sein Fazit: Die Ergebnisse der Grabung bieten einen im regionalen Umfeld bislang seltenen Einblick in die bauliche Entwicklung des im späten Hochmittelalter rasch zunehmenden Städtewesens.

Gunzenhausen unter der Herrschaft der Nürnberger Burggrafen bzw. der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1368-1427) beleuchtet Siglinde Buchner, die seit vielen Jahren zum festen Stamm unserer Autoren gehört. Die Ära dauerte 437 Jahre und endete 1806 als das Fürstentum Ansbach und somit auch die Stadt Gunzenhausen an das Königreich Bayern kamen.

Siglinde Buchner stellt auch „die burggräflich-nürnbergischen Vögte zu Gunzenhausen“ vor: Ulrich von Muhr, Konrad von Lentersheim, Wilhelm von Steinheim und Caspar von Puttendorf. Letzterer war zugleich der erste markgräflich-brandenburgische Vogt.

Zugleich präsentiert Siglinde Buchner unter dem Titel „Die markgräflich-brandenburg-ansbachischen Amtmänner und Oberamtmänner in Gunzenhausen“ das Wirken der 21 obersten Beamten des Regenten dar (bis 1792, dem Ende der Markgrafenzeit). Sie macht das in geraffter Form. Im Einzelnen hat sie die bekanntesten Leiter des Oberamts Gunzenhausen bereits in vergangenen Ausgaben von „Alt-Gunzenhausen“ vorgestellt.

Reizvoll ist der Titel: „Osiander über Osiander“.  Der Autor Wolfgang Osiander unterrichtete lange am Gunzenhäuser Simon-Marius-Gymnasium. Er macht Anmerkungen zu den Ego-Dokumenten des Nürnberger Reformators Andreas Osiander (einem gebürtigen Gunzenhäuser),  die er als „Quellen der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung“ interpretiert. In seiner Verteidigungsschrift „Apologia Andreae Osiandri“ wehrte sich der Freund Luthers gegenüber anonymen Angriffen auf seine theologische Position und sein Privatleben. Viele seiner Zeitgenossen nahmen ihn als Ketzer wahr, weniger als Reformator. Ihm wurde das Missgeschick vorgehalten, „sich mit möglichst vielen und einflußreichen  Menschen zu überwerfen“.

„Alt-Gunzenhausen“ hat sich niemals nur auf die Stadt beschränkt, sondern immer das Hinterland mit einbezogen. So lässt uns Werner Kugler, vormals Dekan in Heidenheim, teilhaben an den „Auswärtigen im ältesten Traubuch Heidenheims“. Die Aufzeichnungen Der Trauungen und Taufen gehen auf die markgräfliche Kirchenordnung von 1533 zurück und beziehen sich auf den Zeitraum bis 1707.

„Die Nachtwächter in Gunzenhausen im 19. Jahrhundert“ mussten „unterschrocken und herzhaft“ ihren Dienst tun. Wie Werner Neumann aufzeigt, hatten sie sich bei ihren nächtlichen Rundgängen umzusehen nach „verdächtigen Diebereien, gefährlichen Zänkereien, allerlei Frevel und Feuergefahr“. Sie mußten sich gegenüber den Einwohnern „bescheiden und höflich benehmen“. Allerdings sorgte der Brauch, die Nachtstunde laut pfeifend und singend von den Nachtwächtern ansagen zu lassen, zunehmend für Ärger, so dass es bis 1919 nur mehr eine „Stillwache“ gab.

Die pädagogischen Ideen des Laubenzedeler Pfarrers Christoph Titius (1641-1703) stellt Dr. Joachim Schnürle vor. Der pietistisch geprägte Geistliche aus Schlesien kam  nach seinem Theologiestudium in Altdorf 1666 nach Laubenzedel, wo er bis 1671 wirkte.  Er schrieb geistliche Lieder, von denen einige sogar im Gesangbuch des 18. Jahrhunderts erschienen sind.  In Reimen verfasste er seinen „Bibel-Calender“, der es den kirchlichen Laien erleichtern sollte, die Texte zu verstehen.

Unter dem Kapital „Kirchenbücher erzählen Geschichte“ veröffentlicht Wolfgang Pfahler seine Recherchen zu Trauungen und Bestattungen von 1618 bis 1717 in Gunzenhausen.  Dabei werden die Lebensumstände jener Zeit offenbar.  Als Beispiel sei dieser Eintrag genannt:  „Caspar Denner, ein Weber von Cronheimb, ist auß Schwachheit und Blödigkeit  des Haubds in seiner Kranckheit auffgestanden und in sein Garten gangen, da er in ein unverdecktes Brünlein gefallen u. darinnen ertruncken, weil denn uns gnediger Fürst und Herr die Hohe Obrigkeit immediate  allda herr ist er allhier uff unseren Kirch Hoff uff Fstl. befel d[och? begraben worden.“

Die Kirchenbücher von 1618 bis 1717 sind für  Wolfgang Pfahler ein Spiegelbild der Jahre von 1618 bis 1717. „Katastrophen und Regeneration“ betitelt er seinen zweiten Beitrag, den er mit umfangreichem tabellarischem Zahlenmaterial bereichert. Liegt heute in Deutschland die Kindersterblichkeit bei 0,38 Prozent, so erlebten im 17. Jahrhundert 60 Prozent der Kinder das vierte Lebensjahr nicht. Nur 10 Prozent der Männer und 8,8 Prozent der Frauen wurden älter als 70 Jahre.

Einen detaillierten Aufriss der Grabstätten in der Gruft in der Walder Kirche liefert Dr. Daniel Schönwald, aber auch ihm gelingt es nicht, alle Nachweise zu liefern, denn in den Kirchenbüchern sind 13 Bestattungen vermerkt, in der Gruft befinden sich aber 16 Särge. Auch die Stammmutter derer von Falkenhausen (Elisabeth Wünsch) hat dort ihre letzte Ruhe gefunden. Die erste Bestattung in der Gruft war übrigens 1724, also schon zwei Jahre vor der Einweihung der Kirche.

Auf Gunzenhausen geht Thomas Freller in den Reisebeschreibungen der Frühen Neuzeit unter dem Titel „Ein feines Brandenburgisches Städtlein“ ein. Einen literarischen Widerhall hat die Stadt im 16. und 17. Jahrhundert noch nicht gefunden. Der unbekannte Reisende von  1755 ist von ihr begeistert: „…ist eine feine Stadt, welche unter denen fürnehmsten dieses Margrafthums billig einen vorzüglichen Platz hat“.  Der Anonymus  schwärmt von „Heerden von tausend, anderthalb tausend Stücken der schönsten Gänse“, die er in Schlungenhof schnatternd vernommen hat.

Lothar Hiemeyer hat sich der Mühe unterzogen, die Geschichte einer Gunzenhäuser „Institution“ zu durchleuchten. „Das Handelshaus Ludwig Faulstich – Aufstieg und Niedergang“ ist sein Beitrag betitelt. Vom Gründer Johann Georg Faulstich, der 1747 das Gasthaus „Zur Sonne“ (Sonnenstraße 2) erwarb, bis zu Friedrich Faulstich III.  reicht die Geschichte eines erfolgreichen Handelshauses, das im 19. Jahrhundert zu den größten Kaffeeröstereien (neben „Karthreiner“) in Bayern gehörte. Alle Generationen hielten die Tugenden des „ehrbaren Kaufmanns“ aufrecht. Die Liebschaft  des Eigentümers (das NS-Regime beschuldigte ihn des „rasseschänderischen Verkehrs“ zu einer Jüdin endete mit einem Fiasko: Elsa Seller erhängte sich 1937, Ludwig Faulstich 1941. Das Geschäft ging an Ferdinand Zuber über.

Anlässlich des Jubiläums „200 Jahre Sparkasse Gunzenhausen“  hat Stadtarchivar Werner Mühlhäußer eine Zeitreise in die abwechslungsreiche Geschichte der Sparkasse unternommen.  Unsere Leser können den höchst interessanten Vortrag mit seinen vielen pointierten Randbemerkungen nachlesen. Gründer der Sparkasse, die heute zu den ältesten in Bayern zählt, war 1823 der Stadtschreiber (damals die am höchsten dotierte Stelle in der Stadtverwaltung) Johann Heinrich Frauenknecht, der die Gründung rechtfertigte, „… damit der minder Vermögende, der Handwerksgeselle, die Dienstboten und Kinder Gelegenheit erhalten, ihre wenigen Ersparnisse auf Zinsen sicher anzulegen und dieselben nicht mehr in die traurige Lage gesetzt werden, solche einzu- büßen“.

Der jüdische Lehrer Simon Krämer dürfte für viele ein Unbekannter sein. Wilfried Jung, der sich wiederholt mit der jüdischen Geschichte von Muhr am See befasst hat, stellt ihn vor.  1832 hat Krämer in Altenmuhr geheiratet und die jüdische Schulstelle übernommen. Ganz wohl geführt hat er sich dort aber nicht, denn „gesitteteren Menschen“ und der „höheren Klasse“ begegnete er beim wöchentlichen Kartenspiel in Gunzenhausen.  Aus seiner Feder stammen übrigens etliche „Volksschriften“, die das Zusammenleben von Juden und christlichen Nachbarn beschreiben und heute noch im Internet zugänglich sind.

Neu im Kreis der Autoren ist Manuel Grosser, der Pressereferent der Stadt Gunzenhausen. Er führt sich mit einem Beitrag über die Kinos in Gunzenhausen („Bewegte Geschichte – Als die Bilder laufen lernten“) ein, der als ein „Anreißer“ zu verstehen ist für sein Buch, das 2024 erscheinen wird.  Das 1910 eröffnete „Lichtspielhaus Wittelsbach“ war nach seinen Recherchen das erste offizielle Kino in der Stadt. 1919-1929 sind die „Apollo-Lichtspiele“ (im Fränkischen Hof), die „Adler-Lichtspiele“ (1919-1030)  und das „Bavaria“-Kino (1949-1998) im Brauhaus, die „Neuen Lichtspiele“ in der Bahnhofstraße (1928-1984) und das „Central-Theater“ in der Hensoltstraße (1949-2001) dazu gekommen.

Unter dem  Titel „Vaterländisches Gesindel in Gunzenhausen“  widmet sich Monika Wopperer den  Anfängen der örtlichen SPD bis zum Ersten Weltkrieg. Sie geht auf die Gründung des „Sozialdemokratischen Vereins Gunzenhausen“ 1906 durch den Hafner Michael Sörgel ein, der sich gegenüber den Behörden zu behaupten hatte, denn ein Polizeioffiziant hatte die monatlichen Treffen der Arbeiterpartei zu überwachen. Die Sozialdemokraten galten als „gefährlichster Feind des Kleingewerbes“.

1968 stand die Bundesrepublik Deutschland ganz im Zeichen der Studentenunruhen.  Werner Somplatzki greift diese Facette der Umbruchzeit  unter dem Titel „Eine Flugblattaktion am Gymnasium Gunzenhausen“ auf. Es war die Zeit, als die Schüler mit ihren Forderungen nach mehr Mitsprache allein standen, die Kritik der Schüler als „schlichte Unverschämtheit“ zurückgewiesen wurde.  In einer Protestschrift wandten sich acht Schüler gegen die autoritäre Pädagogik.

Ein ungewöhnlicher Beitrag ist der von Judith Raab („Die Entstehung des Fränkischen Seenlands – eine unglaubliche Geschichte“). Sie unternimmt den Praxistest, mittels der KI (Künstliche Intelligenz) das Thema aufzuarbeiten und erfährt dabei, was die künstliche Sprachwahl hergibt und was sie nicht leisten kann. Deshalb ihr  realistisches Ergebnis: „Es ist gut, bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Projekts Fränkisches Seenland auf menschliche Intelligenz zu setzen und nicht auf künstliche.“

Die Reihe „Gunzenhäuser Lebensbilder“ wird von Werner Falk fortgeführt.  Er porträtiert Fritz den Schuhmachermeister Fritz Bleicher, den Möbelhausinhaber Siegfried Böckler, den legendären FC-Vorsitzenden Hans Fischer, die Eisläuferin Gusti Gerlich, den Stadtbaumeister Sepp Kemmethmüller und die Sportlerin Inge Schömig.

Werner Falk, Vorsitzender

 Werner Mühlhäußer, Schriftleiter

Neu: „Alt-Gunzenhausen“

13 Beiträge von neun Autoren in der Publikation

Vorsitzender Werner Falk (Mitte) und sein Stellvertreter Werner Mühlhäußer (Schriftleiter und zugleich Stadtarchivar) präsentierten im „Wappensaal“ des sanierten Rathauses die neue Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ dem Bürgermeister Karl-Heinz Fitz. Foto: StGun/Grosser

Auch im dritten Corona-Jahr war es dem Verein für Heimatkunde Gunzenhausen möglich, eine 270-seitige Ausgabe des Jahrbuchs„Alt-Gunzenhausen“ zu erstellen. Neun Autoren stammen zwölf Beiträge zur Historie der Stadt und ihres Umlands. Wie Vorsitzender Werner Falk in seinem Vorwort schreibt, kann der 1879 gegründete Verein  auf das 100-jährige Jubiläum von „Alt-Gunzenhausen“ verweisen, denn seit 1923 sind 77 Jahrbücher erschienen.

Zum treuen Autorenstamm zählt der Kreisheimatpfleger für Archäologie Werner Somplatzki (Trommetsheim).  Er geht den Spuren römischer Besiedelung am Ortsrand von Markt Berolzheim nach und orientiert sich dabei an den Forschungen von 1896. Er bekräftigt, dass es wohl in der Flur „Am Bühl“ einen römischen Gutshof gegeben haben muss, denn 1988 hat man dort 600 Funde gemacht.

Siglinde Buchner stellt „Dr. Georg von Absberg, Kanzler und Landhofmeister der Ansbacher Regierung (1461-1489) vor.  In ihrer Sissyphusarbeit dröselt sie die Familiengeschichte dieses Adelsgeschlechts auf. „Jörg“ war einer der ranghöchsten Hofbeamten des Markgafen Albrecht Achilles und als Diplomat auch im Ausland tätig. Er ist in der Spalter Stiftskirche bestattet, ein Totenschild hängt auch in der Ansbacher Gumpertuskirche.

Paul von Absberg (1451-1503) war neben dem berüchtigten Raubritter Hans Thomas von Absberg  der bekannteste Vertreter der Familie. Wie die Kreisarchivpflegerin Siglinde Buchner schildert, war er als markgräflicher Feldhauptmann an etlichen Feldzügen beteiligt. 1490 ist er Amtmann in Gunzenhausen geworden. Beim Sturz vom Pferd rammte er sich die Lanzenspitze in den Leib und starb 50-jährig somit auf tragische Weise. In der Gunzenhäuser Stadtkirche hat sein Epitaph den Platz unter der Kanzel.

„Die ehemaligen Mühlen am Brombach und Igelsbach“ nennt Dr. Daniel Schönwald (Kalbensteinberg) seine Häuserchronik, in der alle Mühlen und deren Geschichte sowie die Eigentümer vollständig auflistet. Auffallend oft stieß er bei seinen Recherchen auf die Namen Walther, Rupp und Egerer. Diese Familien sind heute noch präsent. Zum größten Teil im Brombachsee versunken sind die einstigen Anwesen: Hühnermühle, Furthmühle, Beutelmühle, Scheermühle, Neumühle, Grafenmühle, Birkenmühle, Öfeleinsmühle, Langweidmühle, Mandlesmühle, Mäusleinsmühle, Sägmühle und Griesmühle.

Von einem mysteriösen Schatzgraben 1755 im Mönchshof bei Kalbensteinberg schreibt Thomas Müller (Kalbensteinberg) unter dem Titel „So werde lauter golt daraus“. Den Kalbensteinbergern ist damals Im „Herrenwald“ eine Gestalt in weißem Gewand erschienen, die behauptete, es würden Gold und Edelsteine zu finden sein. Der „Kalber“ Schäfer Goll und sein Sohn, der Igelsbacher Schäfer und ein „Catholischer Geistlicher“ waren  neben dem Schuster Rothenberger involviert. Es fand sich aber nur eine wertlose Büchse mit einem geschliffenen Stein, aufgefädelten Glasperlen, einem Weißdraht und viele Erde. Man war einem Gauner aufgesessen. Vor „Schatzgräbern und herumschweifendem Gesindel, das keinesweges geduldet werden darf“, hatte die markgrafläche Verwaltung gewarnt.

Der Vogelfang war bis in das 18. Jahrhundert für die Ärmsten der Armen eine Möglichkeit, an Geld zu kommen. Sie handelten mit  Wacholderdrosseln und anderen Singvögeln auf Märkten. In den Küchen von reichen Nürnberger Patriziern gab es „gebratene Lerchen in einer Brüh“ oder auch „gespickte Trosseln“. Thomas Müller  skizziert den Kalbensteinberger Vogelfänger Johann Michael Lutz (1774-1798) unter dem Titel „Ein Vogelfänger bin ich ja“ und geht darauf ein, dass es auch heute noch die Fangplätze unter dem Flur- und Straßennamen „Vogelherd“ beispielsweise  in Haundorf, Brombach, Heidenheim und Schwabach (ganzer Stadtteil) gibt. 1809 ist der Vogelfang in Bayern amtlicherseits verboten worden.

Dem Hesselberg widmet sich Thomas Freller indem er den markgräflichen Autor, Zeichner, Kupferstecher und Graveur Johann Gottfried Köppelvorstellt und auf dessen literarische Hinterlassenschaften eingeht. Seinen Beitrag nennt er eine Miszelle zur Identität des Autors eines „Schreiben eines Freundes über den Hesselberg im Anspachischen“.  Köppel (1748 geboren) war Kanzleiinspektor bei Markgraf Alexander. Er schrieb als anonymer Autor im „Fränkischen Archiv“ und im „Museum für Künstler und Kunstliebhaber“ seine Wahrnehmungen in Unterschwaningen, am Hahnenkamm und am Hesselberg, Auf der Gelben Bürg ist „außer Eberwurz nicht des geringste Kräutlein zu finden“ notierte er, und „die Erde ist so schwarz wie Kühnruß“. Den „Hunnenkamp“ nahm er als Wacholderbrachfläche wahr. Das Unterschwaninger Schloss fiel ihm als „niedlich und modern meubliert“ auf. Den Hesselberg rühmt er: „Die Aussicht vom Ätna hat nicht alle die Vollkommenheiten, die uns die Aussicht des Hesselbergs darstellt“. 1786 soll er über „eine kleine Reise in den Altmühlgrund nach Gunzenhausen“ geschrieben haben.

Dominik Rieger porträtiert in seinem Beitrag „Gunzenhausens erster  Stadtmusikmeister Christian Ludwig Fürst“.  Er wurde 1859  der Nachfolger von C.F. Moebius,  den Laura Meyer im Jahrbuch 75 vorstellte.Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der im Streit mit der Stadt geschieden war, musste Fürst nicht mehr zusätzlich auch als Türmer tätig sein. Er stammte aus Heidenheim und wird als „friedliebend und im Umgang sehr gefällig“ beschrieben. Von Möbius übernahm er auch die musikalische Leitung des „Liederkranzes“. Lebensglück war ihn nicht beschieden, denn zwei seiner Töchter starben innerhalb einer Woche an der damals grassierenden Keuchhusten-Epedemie.

Eva Reineke befasst sich mit dem „Geologen Dr. Ludwig von Ammon (1850-1922)“, einem Sohn der Stadt Gunzenhausen, auch wenn dieser nur wenige Kindheitsjahre in der Stadt verbrachte, wo sein Vater als Landgerichtsassessor tätig war. Der Naturwissenschaftler wirkte an der geologischen Beschreibung und Kartierung Bayerns mit, war aber ein Mensch „von gewissem Sonderlingswesen verfallener Eigenart“.

2012 hat das Stadtarchiv Gunzenhausen  ein 60 mal 48 cm großes Bild geschenkt bekommen, das die Gunzenhäuser Bäcker zeigt. Jetzt beschreibt Stadtarchivar Werner Mühlhäußer „Das Bild der Bäckerinnung in Gunzenhausen von 1896“, stellt alle eingerahmten 18 Meister vor und schildert die Zunftordnung der Bäcker von 1888, in deren Statut „die Pflege des Gemeingeistes sowie die Aufrechterhaltung und Stärkung der Standesehre, der Förderung des gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen“ hervorhoben wird. Die Fotos stammen übrigens von dem „Photographen Atelier G. M. Fettinger von der Schäupeleinsmühle in Gunzenhausen“.

„Werter Herr Kreisleiter!“. Stadtarchivar Werner Mühlhäußer wertet Feldpostsendungen an den einstigen NS-Kreisleiter Johann Appler aus, der auch Gunzenhäuser Bürgermeister (1936-1945) und Reichstagsabgeordneter (ab 1933) war.  Im Archiv sind 160 dieser Briefe von Frontsoldaten an den Kreisleiter unter dem Kapitel „Feldpost der Gefolgschaftsmitglieder“ aufbewahrt. 34 greift Mühlhäußer heraus. Zitiert werden bekannte Gunzenhäuser Parteigänger, so u.a. der Autohausgründer Max Halbig:  „Meinem Grundsatz bleibe ich treu, wenn ich sterben muß, sterbe ich gerne für Adolf Hitler, unseren heißgeliebten Führer“.  Und Wolfgang Rathsam, später Finanzbeamter, äußerte sich radikal: „Wenn man diese Tiere von Menschen (die Polen, d.Red) ansah, hätte man buchstäblich nur eines tun können, nämlich niederknallen“.  Karl Rieger schrieb aus Straßburg: „Alles, was französisch ist, wird rausgeworfen!“

Werner Mühlhäußer erinnert an das Heimatspiel „Kreuz im Altmühltal“, das 1922 das erste Mal in Gunzenhausen aufgeführt wurde.. Gerbermeister Gustav Schneider hat damals aus der Sage und einem Gedicht das Theaterstück verfasst.  Es wurde im „Adlerbräu“-Saal präsentiert, Schneider dufte die Premiere erleben, ist aber wenige Tage danach verstorben. Später war der Aufführungsort die „Waldbühne“ am Röschelskeller. Übrigens: „Kreuz im Altmühltal“ lebt im Jubiläumsjahr 2022 neu auf. Man darf auf die neue, zeitgemäße Inszenierung gespannt sein.

Die Serie „Lebensbilder bekannter Gunzenhäuser“, zuletzt 1994 im Jahrbuch 49 erschienen, setzt Werner Falk fort. Er porträtiert den Kürschnermeister Heinz Beck, Verkehrsamtsleiter Christof Beck, Abteilungsleiter Dr. Hans Kirsch, Polizeibeamten Hans Billmann, Rektor Otto Bauer und den Verwaltungsbeamten Otto Kleemann.

Die Publikation „Alt-Gunzenhausen“ ist im Gunzenhäuser Buchhandel für 15 Euro erhältlich.

Die Bäcker von Gunzenhausen

Stadtarchivar Mühlhäußer dokumentiert das alte Handwerk

Von 1896 stammt dieses Bäckerbild mit allen Handwerksmeistern dieser Zeit. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Großformatige Fotomontagen von Gunzenhäuser  Gesellschaften und Vereinen sind heute fast ausschließlich nur noch im Museum zu sehen. Eines – und zwar das der Bäckerinnung Gunzenhausen –  ist durch eine Schenkung in den Besitz des Stadtarchivs gelangt. 18 einzelne in Passepartouts gefasste Fotografien sind auf dem Bäckerbild aus dem Jahr 1896 zu sehen. Stadtarchivar Werner Mühlhäußer hat das Vereinsbild zum Anlass genommen, um zu forschen. Das Ergebnis ist im neuen Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“  zu lesen, das vom Verein für Heimatkunde herausgegeben wird.

Bevor die bayerische Verwaltungsreform von 1808 und die Sozialgesetze im Deutschland des 19. Jahrhunderts die Gewerbefreiheit für die Handwerksberufe brachten, waren die Zunftordnungen gültig. Die Bürgeraufnahmebücher von Gunzenhausen liefern Informationen für die Jahre von 1550 bis 1868. Weitere Erkenntnisse liefern die 1534 angelegten Kirchenbücher. Erst schriftliche Nachweise von Gunzenhäusern Bäckern sind ihnen zu entnehmen.

Den Bürgeraufnahmebüchern ist zu entnehmen, dass in diesen rund 300 Jahren eine ganze Reihe von Handwerkern in der Stadt ansässig war. Die meisten stellten die Schuhmacher, dann folgten (in dieser Reihenfolge) die Wirte, die Bäcker, Metzger, Schneider, Maurer, Gerber, Weber, Bierbrauer und Zimmermänner. Anstelle der Bäckerzunft agierte ab 1829 der Bäckerfachverein, der 1888 in eine Innung umgewandelt wurde. Die Statuten markieren die Ziele der Innung: Pflege des Gemeingeistes, Stärkung der Standesehre, Förderung des gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen und sittliche Ausbildung der „Stiften“.

Das Bäckerbild ist handwerklich eine Leistung von Georg Michael Fettinger, der eigentlich Müller (und Inhaber der Scheupeleinsmühle) war, jedoch eine persönlich starke Leidenschaft für das Fotografieren hatte und ein eigenes Fotoatelier einrichtete. Sein Sohn Jakob Heinrich übernahm es 1899 und erbaute es neu in der Bahnhofstraße 31.

Erster Innungsobermeister war Johann Friedrich Huber, dessen Frau 1906 in der  Bäckerei ums Leben kam, als beim Befüllen einer Benzinlampe Feuer ausbrach. „Missliche Vermögensverhältnisse“ führten dazu, dass sich der Meister 1913 das Leben nahm. Sohn Heinrich übernahm das Geschäft in der Bahnhofstraße 15 (heute: Hörgeräte Eisen) und führte es bis 1960. Nachfolger Karl Reissig war bis 1976 tätig.

Friedrich Karl Lechner war 1913 bis 1935 der Obermeister. Er übernahm das Anwesen in der Rathausstraße 9. Dort lässt sich schon 1612 ein Bäcker namens Michael Gerber  in der Schmidgasse (früherer Straßenname) nachweisen. Sein Nachfolger betrieb zudem eine Schankwirtschaft, was damals vielfach üblich war. Er erlaubte Stallknechten und markgräflichen Husaren das verbotene Kartenspiel, zahlte 1746 notgedrungen das Strafgeld von 30 Gulden, um nicht eingesperrt zu werden. Bis 1960 wurde erwerbsmäßig Brot gebacken.

Der aus Unterwurmbach stammende Johann Loy war Kassier. Mit der Gastwirtstochter Maria Knoll aus Merkendorf hatte er elf Kinder. In der früheren Hafnerwerkstatt in der Nürnberger Straße 15 eröffnete er eine Bäckerei, die 1920 sein Schwiegersohn Friedrich Buchner übernahm, der später als Obermeister fungierte und den Betrieb bis 1963 führte.

Aus Sausenhofen kam Johann Friedrich Bach, der 1886 das Walmdachhaus in der Gerberstraße 8 erwarb. Er hatte zugleich eine Mehlhandlung. Später verkaufte er das Anwesen und erwarb das Haus in der Sonnenstraße 16, in dem er eine Kolonialwarenhandlung einrichtete.

Der Langlauer Friedrich Ludwig Barthel kam 1888 in die Stadt und betrieb sein Handwerk in der Gerberstraße 11. Hochverschuldet musste er aber später an den Metzger und Wirt A.P. Guthmann verkaufen. Es folgten weitere Bäckermeister – und 1922 mit Rosina Linse sogar die erste bayerische Bäckermeisterin. Deren Sohn Xaver (Stadtrat) übernahm das Geschäft 1961 und übergab es 1977 an Edwin Rohr, der es 2004 aufgab.

Von dem aus Rehenbühl stammenden  Johann Baumgärtner ist bekannt, dass er das Haus in der Sonnenstraße 1 von Wilhelm Vorbrugg erwarb. Schon 1734 war dort eine Bäckerei ansässig. Der Nachkomme Werner Baumgärtner leitete das Geschäft ab 1961 (heute: Cafe Wehrgang).

Georg Heinrich Emmerling, der 1872 aus Brand nach Gunzenhausen kam, erwarb das Haus Marktplatz 19, sein Bruder das Haus in der Oettinger Straße 3. Die „Weinstube Emmerling“  geht auf das Jahr 1873 zurück, der Neubau entstand 1887.  Die Bäckertradition in der Familie endete 1978, als Ludwig Emmerling verkaufte.

Der Heidenheimer Johann Friedrich Högner übernahm die wohl älteste Bäckerei (schon 1642 urkundlich erwähnt) am Marktplatz 41a. Das große Wohn- und Geschäftshaus brannte am Gründonnerstag des Jahres 1915 so stark ab, dass es neu aufgebaut werden musste. Zudem waren zwei Todesopfer zu beklagen.  Von 1959 bis 1979 war Wilhelm Högner der Hausherr.

Der aus Bühl bei Nördlingen stammende Friedrich Karl Meidert erwarb 1893 das Haus in der Kirchenstraße 4, das als eines der ältesten Gebäude gilt (zwischen 1450 und 1500 erbaut).

1889 kam Johann Georg Minnameyer in die Stadt, um  das Anwesen im Auweg 5 zu erwerben, später verlegte er den Betrieb in die Weißenburger Straße 23. Enkeltochter Frieda („Friedi“) betrieb mit ihrem Mann Friedrich Moßhammer das Geschäft bis 1994.

Weitere Bäckermeister waren der aus Ansbach stammende Georg Adam Mohrenhardt (Oettinger Straße 3) und Wilhelm Christian Moßhammer (erst Hensoltstraße 36, dann Weißenburger Straße 12). Der Pfofelder Johann Adam Schönecker war in der Weißenburger Straße 2 aktiv, der spätere Eigentümer Johann Hermann (ebenfalls aus Pfofeld) gab das Gewerbe 1937 auf.  Johann Michael Ströhlein (Zur Altmühl 2)  verpflichtete in seinem Testament die Bäckerinnung, für seine Grabpflege zu sorgen. Jeder von den Handwerkskollegen hatte zudem für den Leichenschmaus für 70 Pfennige Brot zu liefern. In der Waagstraße 5 hatte Johann Karl Uhlmann sein Geschäft, das seine Tochter und deren Mann Friedrich Wagner 1961 aufgegeben haben. Ludwig Wilhelm Vorbrugg heiratete 1868 die Witwe des Bäckermeisters Ludwig Ries (Sonnenstraße 1) und veräußerte den Betrieb 1892 an Johann Baumgärtner. Die aus einer Weißenburger Bäckerfamilie stammende Amalie Magdalena Roth heiratete 1866 den aus Bieswang stammenden Johann Friedrich Wild und führte mit ihm die Bäckerei in der Gerberstraße 3, die seit 1823 bestand.  Aus Dittenheim kam Georg Leonhard Wöllmer, der mit der Sammenheimerin Eva Margarethe Hetzner verheiratet war. Beide übernahmen die Bäckerei in der Burgstallstraße 8 (später Kolonialwaren- und Delikatessengeschäft).

WERNER FALK

Festspiel erlebt Renaissance

2023 kommt es zu einer zeitgemäßen Inszenierung

1963 war die letzte Aufführung des Stücks auf der Waldbühne. Foto: StGun/Archiv

Es ist eine romantisch-anrührende Legende: Das Kreuz im Altmühltal.  Schon im 19. Jahrhundert war sie Stoff für ein Heimatspiel. 1869 ist es als „romantisches Ritterschauspiel aus Gunzenhausen“ erstmals aufgeführt worden, und zwar von einer Wanderbühne. Der mit literarischem Interesse ausgestattete Rotgerbermeister Gustav Schneider bearbeitete das Volksschauspiel  danach neu. Im Dezember 1922 – also vor 100 Jahren – war die Premiere mit einheimischen Darstellern im Adlerbräu-Saal. Zum 1200-jährigen Stadtjubiläum wird es heuer eine neue Inszenierung geben, und zwar am 21. Juli im Falkengarten. Außerdem plant die Stadtbücherei eine Ausstellung vom 20. Juli bis 25. August.

Stadtarchivar Werner Mühlhäußer widmet sich im neuen Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“  dem Heimatschauspiel, das unter den Gunzenhäusern im 19. und 20. Jahrhundert zu den kulturellen Höhepunkten zählte. Zugrunde liegt die Sage von einer Liebesgeschichte das Ritters Burkhard von Seckendorff mit der Fischerstochter Hedwig. Er soll auf der Jagd anstatt eines Rehes seine beerenpflückende Geliebte mit einem Schuss aus der Armbrust getötet  und aus  Reue das Gunzenhäuser Heilig-Geist-Spital gegründet und das Denkmal errichtet haben. Historischer Fakt aber ist, dass der Adelige 1349 die Stadt erwarb und auch 1351 die Spitalstiftung ins Leben rief  – aber nicht als Zeichen der Reue und um Buße zu tun, sondern zu seinem eigenen Seelenheil. Wie er es wollte, ist bis heute sein Grabmal in der Spitalkirche zu bewundern. Wie Historiker herausgefunden haben, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Bildstock mit der Jahreszahl 1442 an der Oettinger Straße und Burkhard von Seckendorff.

 „In dem Thale mild und freundlich/an der Altmühl grünem Strand/blüht ein Städtchen rein und niedlich/Gunzenhausen wird’s genannt“.  So lautet einer der Verse der Sage, als deren früheste Quelle das Gedicht (32 Verse) von Fanny von Stichaner gilt.  Sie war als Tochter eines hohen Ansbacher Beamten mit dem königlich-bayerischen Forstmeister verheiratet, der zwei Jahre (bis 1835) in Gunzenhausen amtierte. Einen weiteren Zyklus aus 23 Gedichten schrieb Georg Scheurlin, der auch den „Scharfrichter von Rothenburg“ literarisch verewigte.

Es waren immer wieder Wanderbühnen, die das Stück inszenierten. 1869 war wohl die Premiere. „Auf allseitiges Verlangen“ gab es im 19. Jahrhundert noch weitere Aufführungen. Man hatte sogar Pläne, das Stück jedes Jahr auf die Bühne zu bringen, aber der Erste Weltkrieg verhinderte das. Erst 1919 ging es weiter.

Gustav Schneider übernahm 1897 von seinem Vater die Gerberei. Das Handwerk sollte seine Zukunft bestimmen, auch die Heirat mit der Wassermungenauer Müllerstochter Anna Margaretha Braun bestärkte diesen Lebenslauf. Seine große Liebe aber galt dem Theater. In der Lateinschule hatte  er seine frühe Prägung erfahren.  Er schuf u..a. das Bühnenstück „Der Seegeist“.  Wer  weiß,  vielleicht erlangt es im Lichte des Altmühlsees ungeahnte Aktualität. Schneider  gelang es, 86 Sponsoren für seinen Festspielgedanken zu erwärmen. Ein Dorn im Auge waren ihm aber die auswärtigen Wanderbühnen. Auf Drängen des Festspielausschusses ließ sich der Stadtrat erweichen, den Schaupielergruppen die Aufführung des Heimatstücks zu untersagen. Vor allem Dr. Heinrich Eidam war damals einer der Wortführer. Ein Ensemble aus 17 Gunzenhäusern bildete den Kern der Schauspieler, die am 9. Dezember 1922 zur ersten Aufführung auftraten. Inflationsbedingt waren die Eintrittspreise bis auf 80 Mark hochgeklettert.  Der Auftritt übertraf alle Erwartungen. Marie Arnold spielte die Hedwig „mit anziehender Lieblichkeit“ und Obersekretär Böhner den Burkhard „mit Würde und ergreifender Innigkeit“. Viele Gunzenhäuser halfen hinter der Bühne mit. Schätzungen zufolge besuchten 3200 Personen die acht Vorstellungen. Einer allerdings war nicht mehr dabei: Gustav Schneider. Schwer krank konnte den „triumpfhalen Erfolg“ seines Theaterstücks nicht mehr erleben, am dritten Aufführungstag starb er.

In den zwanziger und dreißiger Jahren erlebten die Gunzenhäuser weitere 25 Aufführungen der „Spielervereinigung Kreuz im Altmühltal“ (1924 gegründet). Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine nicht vorstellbare Begeisterung feststellbar. An der Sparkasse standen die Menschen Schlange, um eine Eintrittskarte zu ergattern. So mussten 14 Vorstellungen gegeben werden, die von 7200 Leuten besucht wurden.  Der Bürgermeister versprach allen Akteuren „ein Stück Freibankfleisch 1a“.

Wie Autor Werner Mühlhäußer feststellt, gab es erstmals 1953 das Theater unter freiem Himmel, und zwar auf der Waldbühne am Röschelskeller. Man mag sich die begeisterte Zustimmung heute gar nicht mehr vorstellen: 8000 kamen zu den neun Vorstellungen.  1963 steht für das Ende. Aber immerhin: 2023  wird es eine neue Inszenierung des Heimatschauspiels  geben.

WERNER FALK

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist für 15 Euro im Gunzenhäuser Buchhandel erhältlich.

Die Bäcker von Gunzenhausen

Seit 1888 gibt es die Bäckerinnung

Das Bäckerbild von 1896 wird in der neuen Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ beschrieben.

Großformatige Fotomontagen von Gunzenhäuser  Gesellschaften und Vereinen sind heute fast ausschließlich nur noch im Museum zu sehen. Eines – und zwar das der Bäckerinnung Gunzenhausen –  ist durch eine Schenkung in den Besitz des Stadtarchivs gelangt. 18 einzelne in Passepartouts gefasste Fotografien sind auf dem Bäckerbild aus dem Jahr 1896 zu sehen. Stadtarchivar Werner Mühlhäußer hat das Vereinsbild zum Anlass genommen, um zu forschen. Das Ergebnis ist im neuen Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“  zu lesen, das vom Verein für Heimatkunde herausgegeben wird.

Bevor die bayerische Verwaltungsreform von 1808 und die Sozialgesetze im Deutschland des 19. Jahrhunderts die Gewerbefreiheit für die Handwerksberufe brachten, waren die Zunftordnungen gültig. Die Bürgeraufnahmebücher von Gunzenhausen liefern Informationen für die Jahre von 1550 bis 1868. Weitere Erkenntnisse liefern die 1534 angelegten Kirchenbücher. Erst schriftliche Nachweise von Gunzenhäusern Bäckern sind ihnen zu entnehmen.

Den Bürgeraufnahmebüchern ist zu entnehmen, dass in diesen rund 300 Jahren eine ganze Reihe von Handwerkern in der Stadt ansässig war. Die meisten stellten die Schuhmacher, dann folgten (in dieser Reihenfolge) die Wirte, die Bäcker, Metzger, Schneider, Maurer, Gerber, Weber, Bierbrauer und Zimmermänner. Anstelle der Bäckerzunft agierte ab 1829 der Bäckerfachverein, der 1888 in eine Innung umgewandelt wurde. Die Statuten markieren die Ziele der Innung: Pflege des Gemeingeistes, Stärkung der Standesehre, Förderung des gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen und sittliche Ausbildung der „Stiften“.

Das Bäckerbild ist handwerklich eine Leistung von Georg Michael Fettinger, der eigentlich Müller (und Inhaber der Scheupeleinsmühle) war, jedoch eine persönlich starke Leidenschaft für das Fotografieren hatte und ein eigenes Fotoatelier einrichtete. Sein Sohn Jakob Heinrich übernahm es 1899 und erbaute es neu in der Bahnhofstraße 31.

Erster Innungsobermeister war Johann Friedrich Huber, dessen Frau 1906 in der  Bäckerei ums Leben kam, als beim Befüllen einer Benzinlampe Feuer ausbrach. „Missliche Vermögensverhältnisse“ führten dazu, dass sich der Meister 1913 das Leben nahm. Sohn Heinrich übernahm das Geschäft in der Bahnhofstraße 15 (heute: Hörgeräte Eisen) und führte es bis 1960. Nachfolger Karl Reissig war bis 1976 tätig.

Friedrich Karl Lechner war 1913 bis 1935 der Obermeister. Er übernahm das Anwesen in der Rathausstraße 9. Dort lässt sich schon 1612 ein Bäcker namens Michael Gerber  in der Schmidgasse (früherer Straßenname) nachweisen. Sein Nachfolger betrieb zudem eine Schankwirtschaft, was damals vielfach üblich war. Er erlaubte Stallknechten und markgräflichen Husaren das verbotene Kartenspiel, zahlte 1746 notgedrungen das Strafgeld von 30 Gulden, um nicht eingesperrt zu werden. Bis 1960 wurde erwerbsmäßig Brot gebacken.

Der aus Unterwurmbach stammende Johann Loy war Kassier. Mit der Gastwirtstochter Maria Knoll aus Merkendorf hatte er elf Kinder. In der früheren Hafnerwerkstatt in der Nürnberger Straße 15 eröffnete er eine Bäckerei, die 1920 sein Schwiegersohn Friedrich Buchner übernahm, der später als Obermeister fungierte und den Betrieb bis 1963 führte.

Aus Sausenhofen kam Johann Friedrich Bach, der 1886 das Walmdachhaus in der Gerberstraße 8 erwarb. Er hatte zugleich eine Mehlhandlung. Später verkaufte er das Anwesen und erwarb das Haus in der Sonnenstraße 16, in dem er eine Kolonialwarenhandlung einrichtete.

Der Langlauer Friedrich Ludwig Barthel kam 1888 in die Stadt und betrieb sein Handwerk in der Gerberstraße 11. Hochverschuldet musste er aber später an den Metzger und Wirt A.P. Guthmann verkaufen. Es folgten weitere Bäckermeister – und 1922 mit Rosina Linse sogar die erste bayerische Bäckermeisterin. Deren Sohn Xaver (Stadtrat) übernahm das Geschäft 1961 und übergab es 1977 an Edwin Rohr, der es 2004 aufgab.

Von dem aus Rehenbühl stammenden  Johann Baumgärtner ist bekannt, dass er das Haus in der Sonnenstraße 1 von Wilhelm Vorbrugg erwarb. Schon 1734 war dort eine Bäckerei ansässig. Der Nachkomme Werner Baumgärtner leitete das Geschäft ab 1961 (heute: Cafe Wehrgang).

Georg Heinrich Emmerling, der 1872 aus Brand nach Gunzenhausen kam, erwarb das Haus Marktplatz 19, sein Bruder das Haus in der Oettinger Straße 3. Die „Weinstube Emmerling“  geht auf das Jahr 1873 zurück, der Neubau entstand 1887.  Die Bäckertradition in der Familie endete 1978, als Ludwig Emmerling verkaufte.

Der Heidenheimer Johann Friedrich Högner übernahm die wohl älteste Bäckerei (schon 1642 urkundlich erwähnt) am Marktplatz 41a. Das große Wohn- und Geschäftshaus brannte am Gründonnerstag des Jahres 1915 so stark ab, dass es neu aufgebaut werden musste. Zudem waren zwei Todesopfer zu beklagen.  Von 1959 bis 1979 war Wilhelm Högner der Hausherr.

Der aus Bühl bei Nördlingen stammende Friedrich Karl Meidert erwarb 1893 das Haus in der Kirchenstraße 4, das als eines der ältesten Gebäude gilt (zwischen 1450 und 1500 erbaut).

1889 kam Johann Georg Minnameyer in die Stadt, um  das Anwesen im Auweg 5 zu erwerben, später verlegte er den Betrieb in die Weißenburger Straße 23. Enkeltochter Frieda („Friedi“) betrieb mit ihrem Mann Friedrich Moßhammer das Geschäft bis 1994.

Weitere Bäckermeister waren der aus Ansbach stammende Georg Adam Mohrenhardt (Oettinger Straße 3) und Wilhelm Christian Moßhammer (erst Hensoltstraße 36, dann Weißenburger Straße 12). Der Pfofelder Johann Adam Schönecker war in der Weißenburger Straße 2 aktiv, der spätere Eigentümer Johann Hermann (ebenfalls aus Pfofeld) gab das Gewerbe 1937 auf.  Johann Michael Ströhlein (Zur Altmühl 2)  verpflichtete in seinem Testament die Bäckerinnung, für seine Grabpflege zu sorgen. Jeder von den Handwerkskollegen hatte zudem für den Leichenschmaus für 70 Pfennige Brot zu liefern. In der Waagstraße 5 hatte Johann Karl Uhlmann sein Geschäft, das seine Tochter und deren Mann Friedrich Wagner 1961 aufgegeben haben. Ludwig Wilhelm Vorbrugg heiratete 1868 die Witwe des Bäckermeisters Ludwig Ries (Sonnenstraße 1) und veräußerte den Betrieb 1892 an Johann Baumgärtner. Die aus einer Weißenburger Bäckerfamilie stammende Amalie Magdalena Roth heiratete 1866 den aus Bieswang stammenden Johann Friedrich Wild und führte mit ihm die Bäckerei in der Gerberstraße 3, die seit 1823 bestand.  Aus Dittenheim kam Georg Leonhard Wöllmer, der mit der Sammenheimerin Eva Margarethe Hetzner verheiratet war. Beide übernahmen die Bäckerei in der Burgstallstraße 8 (später Kolonialwaren- und Delikatessengeschäft).

WERNER FALK

„Alt-Gunzenhausen“ ist ab sofort im Gunzenhäuser Buchhandel für 15 Euro erhältlich.

Stadtgeschichte auf 270 Seiten

Alt-Gunzenhausen ist neu erschienen

Die Geschichte der Gunzenhäuser Bäcker wird im neuen Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ von Stadtarchivar Werner Mühlhäußer dargestellt. Das Foto von 1896 ist zugleich das Titelbild der aktuellen Publikation des Vereins für Heimatkunde.

Auch im dritten Corona-Jahr war es dem Verein für Heimatkunde e.V. möglich, eine umfangreiche Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ zu erstellen. Vorsitzender Werner Falk und sein Stellvertreter Werner Mühlhäußer danken den neun Autoren ebenso wie den Sponsoren. Ohne sie wäre die Publikation nicht vorstellbar. Im Herbst 2022 befinden wir uns an der Schwelle zum Jubiläumsjahr 2023, das gekennzeichnet ist vom 1200-jährigen Stadtjubiläum, zugleich kann der Verein für Heimatkunde auf das 100-jährige Jubiläum von „Alt-Gunzenhausen. Seit 1923 sind 77 Jahrbücher erschienen. Anlassbezogen soll im nächsten Jahr ein repräsentativ aufgemachtes Jahrbuch erscheinen.

Zum treuen Autorenstamm zählt der Kreisheimatpfleger für Archäologie Werner Somplatzki (Trommetsheim).  Er geht den Spuren römischer Besiedelung am Ortsrand von Markt Berolzheim nach und orientiert sich dabei an den Forschungen von 1896. Er bekräftigt, dass es wohl in der Flur „Am Bühl“ einen römischen Gutshof gegeben haben muss, denn 1988 hat man dort 600 Funde gemacht.

Siglinde Buchner stellt „Dr. Georg von Absberg, Kanzler und Landhofmeister der Ansbacher Regierung (1461-1489) vor.  In ihrer Sissyphusarbeit dröselt sie die Familiengeschichte dieses Adelsgeschlechts auf. „Jörg“ war einer der ranghöchsten Hofbeamten des Markgafen Albrecht Achilles und als Diplomat auch im Ausland tätig. Er ist in der Spalter Stiftskirche bestattet, ein Totenschild hängt auch in der Ansbacher Gumpertuskirche.

Paul von Absberg (1451-1503) war neben dem berüchtigten Raubritter Hans Thomas von Absberg  der bekannteste Vertreter der Familie. Wie die Kreisarchivpflegerin Siglinde Buchner schildert, war er als markgräflicher Feldhauptmann an etlichen Feldzügen beteiligt. 1490 ist er Amtmann in Gunzenhausen geworden. Beim Sturz vom Pferd rammte er sich die Lanzenspitze in den Leib und starb 50-jährig somit auf tragische Weise. In der Gunzenhäuser Stadtkirche hat sein Epitaph den Platz unter der Kanzel.

„Die ehemaligen Mühlen am Brombach und Igelsbach“ nennt Dr. Daniel Schönwald (Kalbensteinberg) seine Häuserchronik, in der alle Mühlen und deren Geschichte sowie die Eigentümer vollständig auflistet. Auffallend oft stieß er bei seinen Recherchen auf die Namen Walther, Rupp und Egerer. Diese Familien sind heute noch präsent. Zum größten Teil im Brombachsee versunken sind die einstigen Anwesen: Hühnermühle, Furthmühle, Beutelmühle, Scheermühle, Neumühle, Grafenmühle, Birkenmühle, Öfeleinsmühle, Langweidmühle, Mandlesmühle, Mäusleinsmühle, Sägmühle und Griesmühle.

Von einem mysteriösen Schatzgraben 1755 im Mönchshof bei Kalbensteinberg schreibt Thomas Müller (Kalbensteinberg) unter dem Titel „So werde lauter golt daraus“. Den Kalbensteinbergern ist damals Im „Herrenwald“ eine Gestalt in weißem Gewand erschienen, die behauptete, es würden Gold und Edelsteine zu finden sein. Der „Kalber“ Schäfer Goll und sein Sohn, der Igelsbacher Schäfer und ein „Catholischer Geistlicher“ waren  neben dem Schuster Rothenberger involviert. Es fand sich aber nur eine wertlose Büchse mit einem geschliffenen Stein, aufgefädelten Glasperlen, einem Weißdraht und viele Erde. Man war einem Gauner aufgesessen. Vor „Schatzgräbern und herumschweifendem Gesindel, das keinesweges geduldet werden darf“, hatte die markgrafläche Verwaltung gewarnt.

Der Vogelfang war bis in das 18. Jahrhundert für die Ärmsten der Armen eine Möglichkeit, an Geld zu kommen. Sie handelten mit  Wacholderdrosseln und anderen Singvögeln auf Märkten. In den Küchen von reichen Nürnberger Patriziern gab es „gebratene Lerchen in einer Brüh“ oder auch „gespickte Trosseln“. Thomas Müller  skizziert den Kalbensteinberger Vogelfänger Johann Michael Lutz (1774-1798) unter dem Titel „Ein Vogelfänger bin ich ja“ und geht darauf ein, dass es auch heute noch die Fangplätze unter dem Flur- und Straßennamen „Vogelherd“ beispielsweise  in Haundorf, Brombach, Heidenheim und Schwabach (ganzer Stadtteil) gibt. 1809 ist der Vogelfang in Bayern amtlicherseits verboten worden.

Dem Hesselberg widmet sich Thomas Freller indem er den markgräflichen Autor, Zeichner, Kupferstecher und Graveur Johann Gottfried Köppel vorstellt und auf dessen literarische Hinterlassenschaften eingeht. Seinen Beitrag nennt er eine Miszelle zur Identität des Autors eines „Schreiben eines Freundes über den Hesselberg im Anspachischen“.  Köppel (1748 geboren) war Kanzleiinspektor bei Markgraf Alexander. Er schrieb als anonymer Autor im „Fränkischen Archiv“ und im „Museum für Künstler und Kunstliebhaber“ seine Wahrnehmungen in Unterschwaningen, am Hahnenkamm und am Hesselberg, Auf der Gelben Bürg ist „außer Eberwurz nicht des geringste Kräutlein zu finden“ notierte er, und „die Erde ist so schwarz wie Kühnruß“. Den „Hunnenkamp“ nahm er als Wacholderbrachfläche wahr. Das Unterschwaninger Schloss fiel ihm als „niedlich und modern meubliert“ auf. Den Hesselberg rühmt er: „Die Aussicht vom Ätna hat nicht alle die Vollkommenheiten, die uns die Aussicht des Hesselbergs darstellt“. 1786 soll er über „eine kleine Reise in den Altmühlgrund nach Gunzenhausen“ geschrieben haben.

Dominik Rieger porträtiert in seinem Beitrag „Gunzenhausens erster  Stadtmusikmeister Christian Ludwig Fürst“.  Er wurde 1859  der Nachfolger von C.F. Moebius,  den Laura Meyer im Jahrbuch 75 vorstellte.Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der im Streit mit der Stadt geschieden war, musste Fürst nicht mehr zusätzlich auch als Türmer tätig sein. Er stammte aus Heidenheim und wird als „friedliebend und im Umgang sehr gefällig“ beschrieben. Von Möbius übernahm er auch die musikalische Leitung des „Liederkranzes“. Lebensglück war ihn nicht beschieden, denn zwei seiner Töchter starben innerhalb einer Woche an der damals grassierenden Keuchhusten-Epedemie.

Eva Reineke befasst sich mit dem „Geologen Dr. Ludwig von Ammon (1850-1922)“, einem Sohn der Stadt Gunzenhausen, auch wenn dieser nur wenige Kindheitsjahre in der Stadt verbrachte, wo sein Vater als Landgerichtsassessor tätig war. Der Naturwissenschaftler wirkte an der geologischen Beschreibung und Kartierung Bayerns mit, war aber ein Mensch „von gewissem Sonderlingswesen verfallener Eigenart“.

2012 hat das Stadtarchiv Gunzenhausen  ein 60 mal 48 cm großes Bild geschenkt bekommen, das die Gunzenhäuser Bäcker zeigt. Jetzt beschreibt Stadtarchivar Werner Mühlhäußer „Das Bild der Bäckerinnung in Gunzenhausen von 1896“, stellt alle eingerahmten 18 Meister vor und schildert die Zunftordnung der Bäcker von 1888, in deren Statut „die Pflege des Gemeingeistes sowie die Aufrechterhaltung und Stärkung der Standesehre, der Förderung des gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen“ hervorhoben wird. Die Fotos stammen übrigens von dem „Photographen Atelier G. M. Fettinger von der Schäupeleinsmühle in Gunzenhausen“.

„Werter Herr Kreisleiter!“. Stadtarchivar Werner Mühlhäußer wertet Feldpostsendungen an den einstigen NS-Kreisleiter Johann Appler aus, der auch Gunzenhäuser Bürgermeister (1936-1945) und Reichstagsabgeordneter (ab 1933) war.  Im Archiv sind 160 dieser Briefe von Frontsoldaten an den Kreisleiter unter dem Kapitel „Feldpost der Gefolgschaftsmitglieder“ aufbewahrt. 34 greift Mühlhäußer heraus. Zitiert werden bekannte Gunzenhäuser Parteigänger, so u.a. der Autohausgründer Max Halbig:  „Meinem Grundsatz bleibe ich treu, wenn ich sterben muß, sterbe ich gerne für Adolf Hitler, unseren heißgeliebten Führer“.  Und Wolfgang Rathsam, später Finanzbeamter, äußerte sich radikal: „Wenn man diese Tiere von Menschen (die Polen, d.Red) ansah, hätte man buchstäblich nur eines tun können, nämlich niederknallen“.  Karl Rieger schrieb aus Straßburg: „Alles, was französisch ist, wird rausgeworfen!“

Werner Mühlhäußer erinnert an das Heimatspiel „Kreuz im Altmühltal“, das 1922 das erste Mal in Gunzenhausen aufgeführt wurde.. Gerbermeister Gustav Schneider hat damals aus der Sage und einem Gedicht das Theaterstück verfasst.  Es wurde im „Adlerbräu“-Saal präsentiert, Schneider dufte die Premiere erleben, ist aber wenige Tage danach verstorben. Später war der Aufführungsort die „Waldbühne“ am Röschelskeller. Übrigens: „Kreuz im Altmühltal“ lebt im Jubiläumsjahr 2022 neu auf. Man darf auf die neue, zeitgemäße Inszenierung gespannt sein.

Die Serie „Lebensbilder bekannter Gunzenhäuser“, zuletzt 1994 im Jahrbuch 49 erschienen, setzt Werner Falk fort. Er porträtiert den Kürschnermeister Heinz Beck, Verkehrsamtsleiter Christof Beck, Abteilungsleiter Dr. Hans Kirsch, Polizeibeamten Hans Billmann, Rektor Otto Bauer und den Verwaltungsbeamten Otto Kleemann.

Landesgeschichte im Wirtshaus

Prof. Seiderer im Gespräch mit Heimatkundlern

Vorsitzender Werner Falk vom Verein für Heimatkunde dankte dem gebürtigen Gunzenhäuser Wissenschaftler Dr. Georg Seiderer für seinen Auftritt beim „Heimspiel Wissenschaft“. Foto: FAU/Iannicelli

 

Was macht eigentlich ein Landeshistoriker? Wie hat sich diese Fachrichtung innerhalb der Geschichtswissenschaft entwickelt? Inwiefern kann Landesgeschichte dazu beitragen, dass Menschen in einer Region ihre Geschichte besser verstehen und, vor allem, wie können sie selbst an der Erforschung ihrer eigenen Regionalgeschichte mitwirken? Der an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg lehrende Historiker Prof. Dr. Georg Seiderer erläuterte diese und viele weitere Fragen in einer für die Wissenschaft eher ungewöhnlichen Umgebung – im Gasthof „Adlerbräu“.

Es war ein Auftakt nach Maß für die Veranstaltungsreihe „Heimspiel Wissenschaft“ des gleichnamigen Verbundprojektes, das Hochschulen vernetzen und beraten will, um dialogorientierte Wissenschaftskommunikation mit Bevölkerungsgruppen außerhalb urbaner Ballungszentren zu befördern.

Georg Seiderer, Experte für Neuere Bayerische und Fränkische Landesgeschichte und Volkskunde, ist in Gunzenhausen aufgewachsen und seinem Heimatort als Mitglied des Vereins für Heimatkunde eng verbunden. Im Gasthof Adlerbräu berichtete Professor Seiderer in einem kurzweiligen Vortrag über seine Forschung und die Bedeutung der Landesgeschichte  als Spezialisierung innerhalb der Geschichtswissenschaft. Außerdem stand der an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg lehrende Historiker bei Plätzchen und Wurstplatte bzw. Tee und Weißbier in lockerer Atmosphäre für allerlei Fragen zu seinem Werdegang, seiner wissenschaftlichen Arbeit und zu geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen über die Region zur Verfügung. „Ich freue mich, in Rahmen dieses „Heimspiels“ mit einem breiteren Publikum über die eigene Forschung und die Bedeutung landes- und regionalhistorischer Erkenntnisse für den gegenwärtigen Lebensalltag ins Gespräch zu kommen und dabei auch so manches bekannte Gesicht aus früheren Zeiten wiederzusehen“, erklärte Seiderer.

Der Austausch über die wissenschaftliche Fachdebatte hinaus ist Professor Seiderer wichtig. Es sei der Geschichtswissenschaft per se ein wichtiges Anliegen, aktuelle Forschungserkenntnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen, diese einzubinden und sich nicht in einen vielbeschworenen Elfenbeinturm zurückzuziehen. „Die Landesgeschichte macht mit der Region, ihren historischen Hintergründen und Besonderheiten vertraut.“ Diese Expertise sei nicht zuletzt für die Arbeit der Museen, Archive und kulturellen Einrichtungen in der Region relevant. „Geschichte findet vor Ort statt“, betonte Seiderer auch mit Blick auf die Vertreter von Heimat- und Geschichtsvereinen, deren landesgeschichtliche Forschung wiederum auch an der Universität rezipiert werde. Die sich dem Vortrag anschließende Fragerunde entwickelte sich rasch zu einem regen Austausch.

Die Veranstaltungsreihe „Heimspiel Wissenschaft“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative „Wissenschaftsjahre“ gefördert. Im Namen der  Besucher dankte Werner Falk, der Vorsitzende des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen, dem Wissenschaftler für seinen verständlichen Vortrag, in dem Prof. Seiderer der lokalen Geschichtsforschung Lob und Anerkennung aussprach.

Geschichte vor Ort

Prof. Dr. Georg Seiderer ist am 27. November zu Gast

Was macht eigentlich ein Landeshistoriker? Wie hat sich diese Fachrichtung innerhalb der Geschichtswissenschaft entwickelt – gerade auch an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg? Und wie genau kann ein Landeshistoriker dazu beitragen, dass Menschen in einer Region ihre Geschichte besser verstehen – und vor allem selbst an der Erforschung ihrer eigenen Regionalgeschichte mitwirken können?

All das erläutert Landeshistoriker Prof. Dr. Georg Seiderer, selbst in Gunzenhausen aufgewachsen und Mitglied im örtlichen Verein für Heimatkunde e. V, in einem kurzweiligen Vortrag am ersten Adventssonntag, 27. November, direkt nach dem Wintertrödelmarkt um 18 Uhr im Gasthof Adlerbräu, Seeadlerstube, Marktplatz 10 in Gunzenhausen. Im Anschluss an den Vortrag steht Prof. Seiderer bei einem Glühwein und Plätzchen gerne für Fragen und den Austausch zur Verfügung – der Glühwein geht auf’s Haus.
 
Die Veranstaltung ist Teil einer neuen Reihe mit dem Thema „Heimspiel Wissenschaft“, bei der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Heimatgemeinde über ihre Forschung sprechen. Initiiert wird das Format von der Hochschulrektorenkonferenz, der Agentur für Wissenschaftskommunikation con gressa und dem Käte Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien der Uni Heidelberg. Es wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

„Das Volk will einmal frei athmen“

„villa nostra“ beschäftigt sich mit dem Revolutionsjahr 1848

Die neue Freiheit für die Weißenburger: Jeder durfte auf die Jagd gehen, wenn er für einen Gulden eine Jagdkarte erworben hatte.

Ein halbes Jahrhundert nach der Französischen Revolution (1798) war das Jahr 1848 war für die Veränderung der polititischen Verhältnisse in Deutschland ein markantes Jahr. Es formierten sich die demokratischen Kräfte und der Wille war erkennbar, aus den vielen Fürstentümern und Kleinstaaten ein einheitliches und starkes Deutschland zu schaffen. Das gelang freilich nicht auf Anhieb, aber 1848 war ein guter Ansatz, mehr Freiheiten und Mitbestimmung durchzusetzen. Dafür steht das „Paulskirchenparlament“, der erste Schritt zu einer gesamtdeutschen Republik.

Wie hat sich aber das Revolutionsjahr in Weißenburg ausgewirkt, wie haben sich die Weißenburger verhalten? Max Wagner (29), Sprößling einer alteingesessenen Weißenburger Familie, studierte Geschichte und Politikwissenschaften und absolviert derzeit den Vorbereitungsdienst an der Hochschule für das Archivwesen, der  in drei Jahren die Nachfolge von Rainer Rammerl als Leiter des Stadtarchivs übernehmen soll, veröffentlicht in der neuen Ausgabe von „villa nostra“, den Weißenburger Blättern für Heimatkunde, den Beitrag „Das Volk will einmal frei athmen“ und schildert, wie revolutionär die Reichsstädter waren. Es sei vorweggenommen: Sie hatten wenig Lust, um mehr Freiheit zu kämpfen, sondern gingen lieber auf ihre beliebten Bierkeller.

Der Autor hat die Chronik der Familie Staudinger-Berger herangezogen, um Antworten auf die Fragen zu finden. In ihr sind die Geschehnisse dokumentiert, aber auch in den Magistragsprotokollen  und im Weißenburger Wochenblatt sind Hinweise. Nach den Recherchen des Autors wanderten zwischen 1845 und 1870 mehr als 200 Weißenburger aus, darunter auch der Tagelöhner Mathias Schilfahrt, den die anständigen Bürger loswerden wollten und deshalb für die Überfahrt das Straftäters und Kriminellen Geld sammelten.  Doch die Ausreisebehörden hatten etwas dagegen. Es waren ohnehin die guten Handwerker, die in Zeiten der Nahrungsmittelnot sich  in Amerika  eine bessere Zukunft erhofften.

Der Unmut der Franzosen, der in ihrer so wichtigen Revolution endete,  schwappte auch auf die anderen Länder über. In Bayern hatte König Ludwig I. wegen seiner Affäre mit der spanischen Tänzerin Lola Montez allerhand Ärger am Hals, so dass er abdanken musste.  Der Weißenburger Chronist Staudinger hielt die Stimmung in diesen Zeilen fest: „Überall verlangt man Reform und Entfernung der Minister, den das Volk will einmal frei athmen und in keiner solchen Knechtschaft mehr bleiben“.

Ihr Forderungen, später bekannt geworden unter dem Begriff „Märzforderungen“, artikulierten die Weißenburger Bürger am 15. März 1848 auf einer Versammlung im „Hornauersgarten“ (später Michelsgarten genannt). Es kam zwar nicht zu tumultartigen Erscheinungen, wie beispielsweise in Gunzenhausen, aber die Männer (und „Frauen aus der Unterschicht“). Das gilt vorzugsweise als ein Verdienst des Bürgermeisters Castner.  Den Bürgern ging es vorzugsweise um den Stadtwald.  Ohne große Debatten ging der Magistrat auf die Forderung, was die Waldnutzung betraf.

Es war auch der Wahlmann für das Frankfurter Paulskirchenparlament zu bestimmen. Das geschah auf einer Versammlung von „volljährigen, selbstständigen Staatsangehörigen“ (Frauen waren damals noch nicht zugelassen) in Ellingen. Die Stimmberechtigten kamen aus den Städten und Gemeinden, die heute den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen bilden, Pappenheim und der Jura um Nennslingen fehlten, dafür gehörte Spalt dazu. Eigentlich favorisierte die Versammlung den aus Weißenburg stammenden politischen Publizisten Friedrich Rohmer, aber der war nicht nur ein prominenter Sohn der Stadt, sondern auch zugleich ein recht umstrittener mit gigantischer Selbsteinschätzung, denn er glaubte, er sei  „die größte Persönlichkeit, welche die Menschheit hervorbracht hatte“. Seine exzentrische Art kam nicht gut an. Er wurde als „Messias“ verspottet. Die 128 Wahlmänner entschieden sich für den ranghohen evangelischen Pfarrer Arnold, der später aber zurückzog, so dass der Ersatzmann Prof. Wilhelm Stahl zum Zuge kam, der dem konservativen Zentrum zuzuordnen war. Akademiker genossen in dieser Zeit den Vorrang. 550 der 830 Abgeordneten hatten einen  wissenschaftlichen Hintergrund.

Die Weissenburger Presse  ließ sich trotz der neu gewonnenen Pressefreiheit kaum vernehmbar über die 1948er Revolution aus. „Gleichheit wird erst gefunden, wenn keiner mehr etwas hat“, meinte ein anonymer Schreiber und ergänzte zynisch: „Das ist immerhin ein schöner Trost, in Gesellschaft zu verhungern!“.   Aber es kam doch zu Fortschritten in der Demokratierung.  Im Justizwesen war es die endgültige Gewaltenteilung  von Legislative und Exekutive.  Die Adligen verloren ihre Privilegien und die Schwurgerichte wurden eingerichtet, die „im Namen des Volkes“ urteilten. Die Weißenburger indes durften sich über die Änderung der Laubstreu-Abgabe freuen, so dass jeder Bürger fortan jährlich eine Fuhre Laub erhielt, nur der Rest sollte von der Stadt verkauft werden. Die Jagdrechte im Stadtwald gingen von den Pappenheimer Grafen und Ellinger Fürsten auf die Stadt über, weshalb nun jeder, der Lust zur Jagd hatte, für einen Gulden  eine Jagdkarte erwerben konnte.

WERNER FALK

„villa nostra“, die Weißenburger Blätter für Heimatkunde, Geschichte und Kultur erscheinen dreimal jährlich und werden kostenlos im Rathaus, bei den Banken und in Geschäften abgegeben.

Der Stadtwald ist ein Schatz

Weißenburg gehört zu den sieben größten kommunalen Waldbesitzern in Bayern

Das Forstamt in der Eichstätter Straße/Geheimrat-Dörfler-Straße wurde 1927 erbaut.

Das Selbstwertgefühl der Weißenburger beruht auf ihrer reichsstädtischen Vergangenheit. Der 2806 Hektar große Wald links und rechts der Straße nach Eichstätt, der ihnen 1338 vom Kaiser zugeteilt wurde, wird seit exakt 200 Jahren professionell bewirtschaftet. Heute wachsen dort hauptsächlich Fichten (47,3 Prozent) und Buchen (32,1 Prozent). Somit steht fest: es ist ein schöner Mischwald, wie sich ihn die Forstwirtschaft eigentlich überall wünscht.

Der Weißenburger Stadtarchivar Reiner Kammerl  widmet sich in der aktuellen Ausgabe von „villa nostra“ (Weißenburger Blätter für Geschichte, Heimatkunde und Kultur) dem heuer anstehenden 200-jährigen Bestehen des Städtischen Forstamts. Zugleich ist  das Jubiläum eine personelle Zäsur. Die Leitung wechselt von Jürgen Fischer (2011-2022) zu Maximilian Plabst, der am 1. Juli die Verantwortung für den Stadtwald übernimmt.

1822 war ein einschneidendes Datum für Weißenburg, denn die Stadt übernahm den ehemaligen Reichswald. Von 1812 stammt die erste „Werthsbestimmung, aber erst 1821 wurde das Reichsstadtvermögen zwischen Kommune, Kirche und Staat aufgeteilt. Nicht unbeteiligt daran war der Bürgerwille der stolzen Stadtbürger, die eine Beteiligung verlangten. Ein Bürgerentscheid brachte die Regelung, wonach jeder  Bürger (also nicht nur der Grundeigner und Hausbesitzer) ein Waldnutzungsrecht hat. Anfang des 19. Jahrhunderts hatten zwei Magistratsräte das Sagen, die von zwei Förstern unterstützt wurden. Wie aus den Annalen hervorgeht, war Jakob Glaser  aus Sachsen-Meiningen der erste städtische Revierförster.  Nach einem Gutachten der Bezirksregierung sollte der „durch frühere forstwidrige Behandlung herunter gekommene Wald wieder gehoben werden“. Ein dritter Forstaufseher musste eingestellt werden, denn es gab zu viele menschliche „Forstschädlinge“.  Suffersheim wurde als „die Heimat der frechsten Frevler“ ausgemacht und auch die Oberhochstätter  waren nicht die harmlosesten Brüder.

Die Neuorganisation erfolgte 1869, als ein fachlicher Leiter ernannt wurde. Später kam es wiederholt zu Geschäftsverteilungen. Heute ist der Forst eine von acht Abteilungen der Stadtverwaltung.  Die im Zuge der Landkreisreform 1972 aufgetretenen Animositäten der Weißenburger gegenüber den Gunzenhäusern hat es offenbar aber schon früher gegeben, denn einer der Forstamtsleiter der letzten 200 Jahre, der Gunzenhäuser Ernst Haas, war 1889 nur ein Jahr in der Nachbarstadt bevor er zurücktrat. „Anschließend verzieht er sich nach Neumarkt“ verzeichnet das Protokoll wenig anerkennungsvoll.

Die aktuellen Herausforderungen

Der neue Chef des Forstamts kennt sich aus, denn er war in den letzten zehn Jahren der Stellvertreter des Amtschefs. Er sieht den Klimawandel als größte Herausforderung an und bekräftigt seine Haltung mit der klimatischen Veränderung, wonach seit  drei Jahrzehnten der Temperatur-Jahresmittelwert über 9 Grad liegt und damit 1,1 Grad höher in den dreißiger Jahren. Diese Entwicklung wird vielfach zum Anlass genommen, um einen Umbau der Wälder zu fordern.  Maximilian Plabst sieht aber die „Exoten“ nicht als Allheilmittel zur Rettung des Waldes an. Deshalb hält er nichts davon, jetzt solche Arten anzupflanzen, die in wärmeren Regionen Europas gedeihen. In der Weinwirtschaft werden beispielsweise solche Versuche unternommen. Im Weißenburger Wald kann es seiner Ansicht nach höchstens jährlich zur Anpflanzung von Neukulturen auf 10 Hektar kommen. Plabst kennt die größeren Zusammenhänge im Ökosystem Wald  und hält den Baumartenwechsel nicht für den vermeintlichen Heilsbringer.  Er erachtet es  für notwendig, sich vordringlich Gedanken um die Kühlung der Wälder zu machen, wobei er das Augenmerk auf die oberirdische Wasserspeicherfähigkeit lenkt.  Totholz ist so gesehen für ihn eine Art von Klimaanlage im Wald.

WERNER FALK