Autor ist der einstige Theologieprofessor Hubertus Mynarek
Er entlarvt den Papst, den Vatikan und die ganze katholische Kirche: Hubertus Mynarek geht in seinem neuesten Buch „Papst Franziskus – die kritische Biografie“ der Frage nach, was von dem Papst zu erwarten ist. Er glaubt nicht, dass er ein religiöser Revolutionär sein wird, höchstens einer, der den Anschein erweckt, im Grunde aber nicht an den Grundfesten der Kirche rütteln wird. Autor Mynarek hat bereits 1972 als erster Universitätsprofessor der Theologie aus Gewissensgründen die Kirche verlassen. Seither kommentiert er noch kritischer die Kirche und ihren ranghöchsten irdischen Repräsentanten.
Die Tugenden Gehorsam und Disziplin haben den Argentinier Jorge Mario Bergoglio als 17-Jährigen zum Priesteramt geführt. Fünfzehn Jahre später folgte er Ignatius von Loyola, dem Ordensgründer der Jesuiten, der seinen Jüngern riet, „die Heiterkeit des Antlitzes und die größte Freundlichkeit der Rede einzuhalten“. Und damit ist Autor Mynarek schon beim Kern der Sache: dem Selbstverständnis des heutigen Papstes. Dessen Güte, Liebe und Menschenfreundlichkeit sind nicht so spontan, wie es die Medien vermitteln, sagt er. Der deutsche Theologie Adolf von Harnack hatte schon im 19. Jahrhundert die Jesuiten durchschaut: „Sie stellen das Schlimmste als verzeihlich dar und zeigen den ruchlosesten Verbrechern einen Weg, auf dem sie noch immer den Frieden der Kirche erlangen können.“ Mynarek charakterisiert sie als Glaubensbrüder, die sich überall einmischen – in Politik Wirtschaft und Finanzen. „Es gab Zeiten“, so der Autor, „da waren sie die meistgehasstesten Wesen dieser Erde“. Während des Bismarckschen Kulturkampfs waren sie beispielsweise in Deutschland verboten, erst 1814 haben sie vom Papst ihre Privilegien wieder erhalten. „Sie haben bis heute ein Janusgesicht“, kritisiert Hubertus Mynarek. Als Beleg führt er die Verwicklung der Jesuitenpater in den Missbrauchsskandal an.
Der Bergoglio-Papst (Jesuitenselbstverständnis: „Er muss sich leiten und bewegen lassen wie ein Wachsklümpchen sich kneten lässt“) ist natürlich nicht als Oberhaupt der Jesuiten in Argentinien auf die Welt gekommen, sondern hat bis zu seinem Professorenstatus die „Ochsentour“ absolviert: zwei Jahre Novize, vier bis fünf Jahre Scholastiker (Geisteswissenschaft und Philosophie), vier Jahre Theologiestudium und ein Jahr Probe. Was dabei hängen bleibt: der Papst ist die Verkörperung des Perfekten. Übrigens absolvierte er 1986 ein Semester Philosophie-Studium an der Jesuitenhochschule St. George in Frankfurt/Main.
„Rollenspieler gleich einem Schauspieler“
So kritisch wie Mynarek geht bisher kein Autor den Papst Franziskus an. Er sagt, der Oberhirte der Katholiken sei ein Rollenspieler gleich einem Schauspieler, die ihm zugeschriebenen Tugenden wie Bescheidenheit und Demut seien Kunstprodukte. Er folge der lateinischen Lebensphilosophie: „Fortiter in re, Suaviter in modo“ (Hart in der Sache, behutsam in der Art und Weise). Gefördert wurde er von Antonio Quarracino (Bischof von Buenes Aires), den er später beerbte. Dieser war – so der Autor – ein Freund des Luxus, gegen den Tebartz-von Elst geradezu harmlos erscheint. Mynarek glaubt, dass sich der Papst die Mächtigen und Reichen nicht zu Feinden machen wird. Immerhin: in Argentinien bekämpfte er offen den Präsidenten und seine heute regierende Frau. Es hieß damals sogar, er sei der eigentliche Oppositionsführer im Land. Aber die frühe Anerkennung der Homo-Ehe im südamerikanischen Heimatland konnte er nicht verhindern.
Als Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 von den Kardinälen zum Papst gewählt wurde, da war er der erste Jesuit des 600 Jahre alten Ordens in diesem höchsten Kirchenamt. Der Autor geht den Kirchenvater hart an und unterstellt ihm, keine minimalsten wissenschaftlichen Kriterien entsprechend der Textexegese zu betreiben. Er nennt ihn sogar einen „Märchenerzähler und Mythenrezitierer“ und hält ihm vor, in seinen Schriften eine kritiklose kirchliche Dogmatik vorzulegen. Er wendet sich auch gegen den Mythos von Maria, als der Jungfrau und Gottesmutter. Sie habe nach ihrem unehelichen Erstgeborenen noch vier Söhne und drei Töchter auf die Welt gebracht. Von der Kirche werde sie aber „zur unbefleckten, sündelosen und allerreinsten Jungfrau hochstilisiert, die außer vom Heiligen Geist nie von einem Mann berührt wurde“. Sei der Stifter des Christentums also ein uneheliches Kind gewesen?
„Ein Symbolsozialist“
Dem Papst unterstellt der einstige Wiener Theologieprofessor „eine Kultur der im Einfachen verkörperten Spititualität“. Er setze auf die Massen der Gläubigen in Asien, Afrika und Südamerika, die durch das Gift der Aufklärung noch nicht verdorben seien. Der Papst gebe sich liberal und undogmatisch, aber als restriktiv im tatsächlichen Vorgehen. Gegenüber den Armen erscheine er gern als „Symbolsozialist der überschwänglichen Phrasen und Gesten“. Er nennt ihn angesichts der kirchlichen Besitzungen schonungslos den „größten Heuchler und Irreführer der Armen“. Außer guten Worten habe er beim Besuch der Favela in Brasilien den Ärmsten der Armen nichts mitgebracht. Und auch dem Besuch der Flüchtlinge im süditalienischen Lampedusa sei keine systematische Hilfe der katholischen Kirche gefolgt.
Der Vatikan sei unvorstellbar reich. Ihm gehöre jedes vierte Gebäude in Rom. Mynarek kritisiert in seinem Buch, dass sich die Kirche nicht äußert zum Gehalt der Bischöfe und des Papstes und vermutet gute Gründe. Dennoch sei bekannt geworden, dass Papst Pius XII. nach seinem Tod 80 Millionen Dollar an Vermögen hinterlassen habe. Bis heute werde der „Peterspfennig“ weltwelt für die Wohlfahrt des Papstes erhoben. Die Bank of America sei eine Jesuitengründung und Mario Draghi, der jetzige EZB-Chef, habe die Jesuitenschule durchlaufen. Kritikwürdig findet der Autor, dass die Bischöfe, die vielfach wie Barockfürsten lebten, gar nicht daran dächten, leere kirchliche Einrichtungen für Asylbewerber zu öffnen. Er glaubt auch nicht, dass der Bergoglio-Papst die Korruption im Vatikan ernsthaft bekämpfen und folglich auch den entmachteten Bischof nicht rehabilitieren wird, der die Missstände aufgedeckt hat.
„Herr der Sprüche tappt in die Falle seiner eigenen Sprüche“
Dass Opfer der katholischen Geistlichen, die sexuellen Missbrauch mit Kindern betrieben haben (es sollen weltweit 8000 von 400000 sein) mit durchschnittlich 5000 Euro abgespeist werden, findet der Kirchenkritiker nicht in Ordnung. Mynarek glaubt, dass der Vatikan die Zahlen kleinredet, denn allein 2004 seien in den USA 4392 Priester wegen Kindsmissbrauchs angezeigt worden.
„Der Herr der Sprüche tappt in die Falle seiner eigenen Sprüche“, prophezeit der Autor. In den „zehn Glücksgeboten“ des Papstes („Regel 1: Leben Sie und lassen Sie leben!“) finde sich mit keinem Wort der Hinweis, dass Religion und Glaube notwendig seien, um menschliches Leben zum Gelingen zu bringen.
Mynarek sieht sein Buch als eine Alternative zu den vielen „unkritischen Papstbüchern“. In der charakterlichen Einschätzung des Papstes Franziskus bemüht er einen tierischen Vergleich: „Der Wolf ändert seine Natur nicht, er lernt sie nur besser zu verbergen.“
„Papst Franziskus – die kritische Biografie“ von Hubertus Mynarek, 336 Seiten, tectum-Verlag, ISBN 978-3-8288-3583-2, 19,95 Euro.
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