Lebensbild von Christian Friedrich Möbius
Es mag sich heute niemand mehr vorstellen, dass die kleine Wohnung auf dem Gunzenhäuser Blasturm im 18. und 19. Jahrhundert einem Mann ausreichte, um als Türmer und Stadtmusiker tätig zu sein. Einer der dort von 1816 bis 1860 thronte, war Christian Friedrich Möbius. Er und die Obrigkeiten der Stadt gerieten bald hintereinander, es gab zunehmend Beschwerden über Fehltritte. Die umstrittene Musikerpersönlichkeit porträtiert Laura Meyer im Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“.
Möbius, von dem niemand weiß, wo er eigentlich herkam, trat am 1. Februar 1816 seinen Doppeljob an, und zwar als Nachfolger von Johann Georg Fürst, den der Magistrat (heute: Stadtverwaltung) gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzte. Seit 1785, mithin 30 Jahre, stand er im Dienst der Stadt. Die Stadtoberen waren von dem „Neuen“ geradezu begeistert, denn sie attestierten ihm eine „vorzügliche Befähigung“. Möbius war zuvor Musikmeister beim „Freiwilligen Jägerbataillon Rezatkreis“ (Mittelfranken). Er ehelichte die Gunzenhäuser Knopfmacherstochter Magdalena Johanna, Barbara Strauß, die ihm fünf Kinder schenkte, aber früh verstarb. So trat deren Schwester die Nachfolge als Ehefrau an. Sie trug zehn Schwangerschaften aus.
In den ersten seiner 44 Dienstjahre war offenbar alles in Ordnung, aber dann empfanden ihn die Stadtoberern zunehmend als „gerissen und aufdringlich“, wenn es darum ging, zusätzliches Geld zu fordern. Als Stadtmusiker leistete er sich einige „Schnitzer“, beispielsweise blies er bei der Taufe eines unehelichen Kindes. Das war nach Meinung des Pfarrverwesers eine „dem Schamgefühl Hohn sprechende Handlung“. Ein anders mal musizierte er noch um 23 Uhr und störte so die Nachtruhe der Gunzenhäuser. Die Magistratsräte kritisierten die Arbeit und das Auftreten von Möbius, sprachen davon, seine Musik sei „schlecht und nicht mehr zeitgemäß“. Er begegnete ihnen „aufmüpfig und stur“ und mit einem „eigenwilligen Charakter“. Auch der Gesangverein „Liederkranz 1834“, dessen Gründungsmitglied und musikalischer Leiter er war, hatte immer mehr Händel mit ihm und ging auf Distanz. Um es allen zu zeigen, dass er immer noch gut Musik machen konnte, gründete er einen Konkurrenzverein, den „Sängerbund 1861“, von dem er sich allerdings schon nach sieben Jahren wieder verabschiedete. 1860 war Ende: die Stadt trennte sich von Stadtmusiker Möbius. Wenig schmeichelhaft fiel der Abschied aus: „Es erstirbt durch des Möbus eigennützige Letargie der musikalische Sinn“.
In seiner zweiten Funktion, der des Stadttürmers, hatte er Tag und Nacht wachsam zu sein, jede halbe Stunde nach Feuer zu schauen und alle 30 Minuten ein akustisches Signal als Beweis seiner Wachsamkeit zu geben. Bei Feuer musste er die Feuerglocke läuten und die rote Fahne aus dem Blasturmfenster hängen – und zwar in die Richtung des Brandorts. Die Gunzenhäuser erwarteten von ihm, dass er jeden Sonntag zur Mittagszeit ein Musikstück blies und einmal im Monat in der Stadtkirche mitmusizierte. Eigentlich sollte der Stadttürmer zwei Gesellen und einen Lehrjungen beschäftigen, aber darauf wartete der Magistrat vergebens. Immer wieder gelang es Möbus verständnisvolle Unterstützer im Magistrat zu finden. Der 72-Jährige blieb Stadttürmer und übte dieses Amt bis zu seinem Tod im Alter von 86 Jahre aus.
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