Stadtarchivar Werner Mühlhäußer stellt „Alt-Gunzenhausen“ vor
Aus der 1923 erschienenen Ausgabe ‚Alt-Gunzenhausen‘ zitierte Werner Mühlhäußer, der 2. Vorsitzende des Vereins für Heimatkunde und Schriftleiter des Jahrbuchs „Alt-Gunzenhausen“ anlässlich der feierlichen Vorstellung des 78. Jahrbuches im Haus des Gastes. Die Publikation erscheint seit 100 Jahren. Das war für den Verein der Anlass, um die Vorstellung des aktuellen Jahrbuchs in einem öffentlichen Rahmen vorzunehmen.
Hier die Rede von Stadtarchivar Werner Mühlhäußer im Wortlaut:
Im damaligen Vorwort schreiben die bis zum heutigen Tage als umtriebige und namhafte Heimatforscher bekannten Dr. Heinrich Eidam, Pfarrer Hermann Clauß und Dr. Heinrich Marzell: „Dieses Büchlein ist aus dem Wunsche entstanden, zu dem elf-hundersten Jubeljahr Gunzenhausens, als wissenschaftlich-historische Gabe zu dienen. Dann aber soll es, wenn irgend möglich, in zwangloser Reihe weitere Nachfolger erhalten“. Ich bin mir sicher, dass sich dieses „Dreigestirn der Heimatforschung“, in den kühnsten Träumen nicht hat vorstellen können, dass wir heute in der erfreulichen Lage sind, den Jubiläumsband ‚100 Jahre Alt-Gunzenhausen‘ zu präsentieren. Damit darf sich diese traditionsreiche Publikationsreihe ohne jeden Zweifel in die Phalanx bedeutender heimatgeschichtlicher Veröffentlichungen, wie zum Beispiel dem Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken, einreihen.
Der Verein für Heimatkunde Gunzenhausen leistet mit der Herausgabe der Reihe ‚Alt-Gunzenhausen‘ Großartiges, und das behaupte ich nicht nur als verantwortlicher Schriftleiter, sondern auch als Stadtarchivar. Durch die Veröffentlichung zahlloser Aufsätze, ist ‚Alt-Gunzenhausen‘ eine wahre Schatzkammer für die Geschichte von Stadt und Umgebung und damit ein wichtiger Bestandteil unser aller kultureller und historischer Identität. Auch die im Vorfeld notwendige zu leistende Forschungsarbeit der einzelnen Autorinnen und Autoren, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden und ist an dieser Stelle explizit hervorzuheben.
Ehe ich Ihnen unseren Jubiläumsband näher vorstelle, möchte ich kurz auf die Entwicklung der Publikationsreihe eingehen und auch einige Zahlen liefern. Zunächst einmal die Tatsache, dass im 100jährigen Bestehen ‚Alt-Gunzenhausens‘ 78 Hefte bzw. Bände erschienen sind. Das Minus von 22 erklärt sich durch jene Jahre, in denen keine Ausgabe erfolgte, so z.B. 1924. Eine längere, da kriegs- bzw. nachkriegsbedingte Lücke besteht für den Zeitraum 1945 bis 1948 und auch in der Folgezeit gab es immer wieder Jahre, ohne ein ‚Alt-Gunzenhausen‘. So auch für 1966 bis 1970, also 5 Jahre in Folge. Im Heft 34 von 1971 kann man die Gründe für diesen langen Stillstand nachlesen, nämlich der erhebliche Anstieg der Druckkosten und den geringen zur Verfügung stehenden finanziellen Vereinsmitteln. Die Vorstandschaft hoffte seinerzeit, mindestens im Turnus von zwei oder drei Jahren eine Herausgabe zu ermöglichen, was letztendlich auch gelang.
Seit 1991 ist nunmehr kein Jahr vergangen, ohne dass ‚Alt-Gunzenhausen‘ erschienen ist. Der Haupttitel ist seit der Erstausgabe unverändert. ‚Alt-Gunzenhausen‘ steht als Bezeichnung da, wie ein Fels in der Brandung ! Allerdings hat sich der Nebentitel im Laufe der Zeit geändert. Lautete er zwischen 1923 bis 1938 „Beiträge zur Geschichte der Stadt und des Bezirks“ und von 1939 bis 1971 „Beiträge zur Geschichte der Stadt und des Kreises, heißt es seit 1972 unverändert: „Beiträge zur Geschichte der Stadt und Umgebung“. Zu einer zwar marginal erscheinenden Umbenennung der Vereinspublikation von ‚Heft‘ zu ‚Jahrbuch‘ kam es 2017, damit dem Umstand Rechnung tragend, dass seit 2001 die durchschnittliche Seitenzahl circa 280 Seiten betrug und dadurch beim besten Willen nicht mehr von einem „Heft“ die Rede sein konnte.
Und weil wir gerade dabei sind: Die Gesamtseitenzahl aller 78 Ausgaben von ‚Alt-Gunzenhausen‘ beläuft sich auf stolze 11.789 Seiten !! und erreicht damit enzyklopädisches Ausmaß. Diese Aussage wird noch zusätzlich bekräftigt durch die Tatsache, dass die bisherigen 138 Autorinnen und Autoren insgesamt 537 Aufsätze produzierten. Dabei sind mehr als die Hälfte dieses Personenkreises mit bis zu fünf Beiträgen vertreten. Eine weitere Gruppe von etwa 10 Autoren stehen für bis zu 19 Aufsätze. Die Reihe der „Big Five“ beginnt mit 22 Artikeln von mir, dicht gefolgt mit 23 Aufsätzen aus der Feder des ehemaligen Heidenheimer Dekans Werner Kugler.
Auf den Medaillenrängen finden sich Wilhelm Lux mit 38 Beiträgen, die ehemalige Kreisarchivpflegerin Siglinde Buchner mit 47 Aufsätzen und der aus Hohentrüdingen stammenden Heimatforscher Martin Winter, dem wir 49 Artikel verdanken. Liebe Siglinde, wie Du siehst, trennen dich nur wenige Aufsätze von Platz 1 und ich bin fest davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahrbüchern eine „Queen of Alt-Gunzenhausen“ küren werden können.
Dieser konzentrierte Wissensfundus zur Geschichte unserer Stadt und der Region, wird in vielen Archiven, Bibliotheken und Museen gesammelt und dient Interessierten überall als verlässliche Informationsquelle. In der langen Geschichte der Vereinspublikation hat es bisher 4 Jubiläumshefte gegeben und zwar: 1954 mit 43 Seiten zum 75jährigen Jubiläum des Vereins für Heimatkunde 1979 zum 100jährigen Bestehen des Vereins 1995 Heft-Nummer 50 von ‚Alt-Gunzenhausen‘ sowie 2004 anlässlich 125 Jahre ‚Verein für Heimatkunde‘, welches mit 351 Seiten bisheriger Spitzenreiter war.
Und damit kommen wir direkt zum Anlass unserer heutigen Zusammenkunft: Die Jubiläumsausgabe ‚100 Jahre Alt-Gunzenhausen 1923 bis 2023‘ ist ein Werk der Superlative! 21 Beiträge, 18 Autorinnen und Autoren, 480 Seiten vereint in einer Ausgabe – das gab es bisher noch nie in der langen Geschichte der Vereinspublikation!
Den Aufsatzreigen beginnt Professor Dr. Georg Seiderer vom Lehrstuhl für Neuere Bayerische und Fränkische Landesgeschichte und Volkskunde an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der als gebürtiger Gunzenhäuser seine Heimatverbundenheit dadurch unter Beweis stellte, dass er im vergangenen Jahr den Festvortrag ‚Gunzinhusir 823 – Gunzenhausen 2023. 1200 Jahre Gunzenhäuser Geschichte vom Klosterort zum Zentrum des Fränkischen Seenlandes‘ in unserer Stadthalle hielt.
Seinen, mit zahlreichen Anmerkungen ergänzten Vortrag hat er dankenswerter Weise zum Abdruck zur Verfügung gestellt. Das schwierige Unterfangen, die ereignisreiche, mehrhundertjährige Stadtgeschichte komprimiert darzustellen, ist ihm zweifelsohne gelungen.
Zwischen September 2020 bis Ende Juli 2022 führten der Archäologe Arne Kluge und sein Team intensive Grabungsarbeiten im Rathaushof durch. Dadurch verdanken wir ihm viele, interessante und neue Erkenntnisse zur Geschichte Gunzenhausens, die uns u.a. bis in die hochmittelalterliche Epoche, ja gar bis in die römische Kaiserzeit zurückführen. In seinem Aufsatz ‚Archäologische Schlaglichter zur frühen Stadtgeschichte‘ erfahren sie alles über Gewölbekeller eines stattlichen Steingebäudes, mittelalterliches Straßenpflaster, Keramikfunde und vieles mehr.
Chronologisch anknüpfend ist der Aufsatz ‚Gunzenhausen unter der Herrschaft der Nürnberger Burggrafen‘ von Siglinde Buchner. Die Autorin beleuchtet darin die ersten 60 Jahre Gunzenhausens unter der Herrschaft der Hohenzollern. Als oberste Repräsentanten der Burggrafen, saßen deren Vögte zu Gunzenhausen, mit denen sich Siglinde Buchner in einem weiteren Aufsatz beschäftigt. Mit Ulrich von Muhr, Konrad von Lentersheim, Wilhelm von Steinheim und Caspar von Puttendorf stellt sie uns die vier Amtspersonen vor. Die hohenzollerschen Markgrafen von Brandenburg-Ansbach folgten den Burggrafen nach. Auch sie benötigten vor Ort, also in Gunzenhausen, Amtmänner bzw. Oberamtmänner, die als Vertrauensleute die Geschicke von Stadt und Amt lenkten. Siglinde Buchner stellt in ihrem dritten Aufsatz alle 21 Männer vor, die diesen verantwortungsvollen Posten bekleideten.
„Osiander über Osiander“, so lautet der Beitrag über den in Gunzenhausen geborenen Reformator Andreas Osiander. Verfasst hat ihn Wolfgang Osiander, der damit sein Debüt in ‚Alt-Gunzenhausen‘ gibt. Die Namensübereinstimmung ist nicht zufällig. Wolfgang Osiander gehört tatsächlich genealogisch zum Verwandtenkreis des Reformators und war darüber hinaus viele Jahre am Simon-Marius-Gymnasium tätig. Er kommentiert und interpretiert die Ego-Dokumente des Reformators als Quellen der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung.
Werner Kugler hat sich im ältesten Heidenheimer Traubuch auf die Suche nach Auswärtigen gemacht und für die Jahre 1534 bis 1650 eine große Anzahl von Frauen und Männern gefunden, die diesem Personenkreis zuzurechnen sind. Viele Familienforscher werden ihm sicherlich diese mühevolle Fleißarbeit danken.
Dr. Joachim Schnürle hat sich ebenfalls wieder mit einem Aufsatz beteiligt. Er beschäftigt sich mit Christoph Titius, der von 1666 bis 1671 Pfarrer in Laubenzedel war. Die von ihm geschriebenen geistlichen Lieder, fanden sich teilweise in Gesangbüchern wieder. Dr. Schnürle fokussiert sich in seinem Aufsatz auf die pädagogischen Ideen des Laubenzedler Geistlichen.
Wolfgang Pfahler lebt schon lange in Vreden im westlichen Nordrhein-Westfalen. Als gebürtiger Gunzenhäuser hat er nie den Kontakt zu seiner „ersten Heimat“ verloren. Auch in ‚Alt-Gunzenhausen‘ finden sich einige Aufsätze von ihm. Nun stellt er mit ‚Kirchenbücher erzählen Geschichte – Besonderheiten der Bestattungen von Gunzenhausen 1618 bis 1717‘ die Lebensumstände vergangener Generationen vor. Spannend sind die vielen, von ihm exzerpierten Kirchenbucheinträge zu lesen. Ebenso seine statistischen Erhebungen in einem weiteren Aufsatz von ihm mit dem Titel ‚Katastrophe und Regeneration. Gunzenhausen im Spiegel seiner Kirchenbücher 1618 bis 1717“.
Dr. Daniel Schönwald, ebenfalls durch mehrere Aufsätze in ‚Alt-Gunzenhausen‘ bekannt geworden, beginnend 2001 mit der Veröffentlichung seiner Facharbeit als Schüler am SMG mit dem Titel „Die Deutschen Christen in Gunzenhausen unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Hensoltshöhe zum Nationalsozialismus“, widmet sich in seinem aktuellen Beitrag der Gruft in der Walder Kirche. Akribisch listet er alle bekannten Bestattungen dort anhand der Kirchenbücher auf.
Thomas Freller nimmt uns in seinem Aufsatz ‚Ein feines Brandenburgisches Städtlein – Gunzenhausen in den Reisebeschreibungen der Frühen Neuzeit‘ quasi in der Postkutsche mit. Auch wenn das Reisen im 18. Jahrhundert sicherlich nicht immer ein Vergnügen gewesen ist, so erfahren wir in seinem Beitrag Vieles über Gunzenhausen und seine Region aus den Reisebeschreibungen. Exemplarisch sei die Erwähnung von „Herden von tausend und mehr Stücken der schönsten Gänse“, die einem anonymen Reisenden bei seiner Durchfahrt in Schlungenhof so beeindruckt hatten, dass er dies schriftlich festhielt.
Nun kommen wir zu Lothar Hiemeyer, der sich u.a. mit seinen Büchern über die Brauereien, Bierkellern und Gastwirtschaften in Gunzenhausen längst einen Namen gemacht hat. In seinem Aufsatz über das Handelshaus Faulstich, beschäftigt sich der Verfasser mit dessen ruhmvollen Aufstieg, aber auch mit dessen tragischen Niedergang.
‚200 Jahre Sparkasse Gunzenhausen‘ – so der Titel des Aufsatzes den ich zum Jubiläumsband beisteuern durfte und einem Vortrag zu Grunde liegt, den ich im vergangenen Jahr in der Stadthalle gehalten habe. Johann Heinrich Frauenknecht, der Gründer einer der ältesten bayerischen Sparkassen, ist bis zum heutigen Tag durch Benennung einer Straße präsent.
Werner Neumann, ebenfalls ein verlässlicher Lieferant von Aufsätzen für ‚Alt-Gunzenhausen‘, nähert sich dem Nachtwächterwesen im 19. Jahrhundert. Dass dieser Dienst alles andere als romantisch war, wird in seinem Beitrag mehr als deutlich.
Leicht hatte es wohl auch Simon Krämer nicht, der im 19. Jahrhundert 30 Jahre Lehrer an der jüdischen Schule in Altenmuhr war. Leben und Werk des Pädagogen und Buchautors Simon Krämers beleuchtet Wilfried Jung.
Mit Manuel Grosser ist ein weiterer Neuzugang im Kreis der Autoren und Autorinnen zu begrüßen. Er beschäftigt sich in seinem Beitrag ‚Bewegte Geschichte – als die Bilder laufen lernten‘ mit der Geschichte der Kinos in unserer Stadt. Wussten sie etwa, dass hier bereits 1897 erstmals eine Filmvorführung stattgefunden hat? Diese und weitere interessante Details sind in seinem Aufsatz zu finden und sollen Appetit auf mehr machen, nämlich ein Buch zur Kinogeschichte Gunzenhausens, welches im Laufe dieses Jahres erscheinen soll.
„Vaterlandsloses Gesindel“, so der Haupttitel des Aufsatzes von Monika Wopperer, ebenfalls als Neu-Autorin bei ‚Alt-Gunzenhausen‘. Sie schildert die Geschichte der SPD zwischen 1900 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914.
Werner Somplatzki kennt man in ‚Alt-Gunzenhausen‘ bisher durch Aufsätze zur Vor- und Frühgeschichte. Dieses Mal hat er sich mit dem Beitrag ‚Eine Flugblattaktion am Gymnasium Gunzenhausen 1968‘ auf völlig neues Terrain gewagt.
Judith Nebert vom Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg kam im Zusammenhang mit Recherchen zu einer Ausstellung u.a. ins Stadtarchiv Gunzenhausen. Parallel dazu entstand der Gedanke, einen Aufsatz für das Jubiläums-Jahrbuch beizusteuern. Mit „Die Entstehung des Fränkischen Seenlands – eine unglaubliche Geschichte“ unternimmt sie den Praxistest, mittels K I –also Künstlicher Intelligenz- das Thema aufzuarbeiten. Am Ende steht die Erkenntnis, bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Projekts Fränkisches Seenland auf menschliche und nicht künstliche Intelligenz zu setzen.
Werner Falk setzt im Jubiläums-Jahrbuch seine Serie ‚Gunzenhäuser Lebensbilder‘ fort und bringt uns Schuhmachermeister Fritz Bleicher, Möbelhausinhaber Siegfried Böckler, FC-Vorsitzenden Hans Fischer, Stadtbaumeister Sepp Kemmethmüller und die Sportlerinnen Gusti Gerlich und Inge Schömig näher. Damit endet auch die Reihe der Aufsätze im Jubiläums-Jahrbuch ‚100 Jahre Alt-Gunzenhausen 1923 bis 2023‘.
Verein, Vorstand, Beirat und zugegeben auch ich als verantwortlicher Schriftleiter, blicken zufrieden und stolz auf die gelungene Jubiläumsausgabe. Meine Ausführungen schließe ich mit der Zitierung einer Passage aus dem Vorwort zur zweiten, 1925 erschienenen Ausgabe von ‚Alt-Gunzenhausen‘. Darin heißt es: „Der Gebiete aus unserer heimischen Vergangenheit, welche noch der Erforschung und Bearbeitung bedürfen und wert sind, sind ja so viele, daß es an Stoff auch weiterhin nicht mangeln wird. Dieser Satz aus dem Jahr 1925 ist mühelos in die Gegenwart zu transportieren. Ich bin fest der Überzeugung, dass es noch viele Ausgaben von ‚Alt-Gunzenhausen‘ geben wird.
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