PPP gilt auch in der Politik

Das Brett vorm Kopf als Methode

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann schrieb für den „Focus“ (aktuelle Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Dr. Marco Buschmann, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion ist der engste Mitarbeiter Christian Lindners.

Die Harvard-Wissenschaftlerin Heidi K. Gardner machte vor einigen Jahren eine erstaunliche Entdeckung. Sie untersuchte das Verhalten von Führungskräften, die besonders wichtige Entscheidungen zu treffen hatten. Die kuriose Beobachtung, die sie machte, nannte sie das „Performance Pressure Paradoxon“ – das Leistungsdruck-Paradoxon. Denn je bedeutsamer die Entscheidungen wurden, desto mittelmäßiger wurden die

Entscheidungsergebnisse. Man könnte meinen, je mehr von einer Entscheidung abhing, desto eher hatten die Entscheider ein Brett vor dem Kopf. Gerade dann, wenn Kreativität und voller intellektueller Einsatz gefordert waren, klammerten sich die Führungskräfte und ihre Teams an Altbewährtem fest. Die besonderen Kenntnisse von Spezialisten wurden ausgeblendet. Opportun waren plötzlich nur noch konsensuale Maßnahmen. Bekannt und bewährt, allgemein verbreitetes Zeitungswissen und Maßnahmen, gegen die niemand etwas haben konnte, führten selbstverständlich nicht zu hervorragenden Ergebnissen. Es stellte sich Mittelmäßigkeit ein, wenn besondere Exzellenz gefragt war.

Der Entwurf für einen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist der empirische Beweis dafür, dass das Performance Pressure Paradoxon auch in der Politik gilt. Denn Altbewährt ist oberste Maxime. Nur zweimal gebraucht der Text dieses 177 Seiten langen Dokuments des Stillstands das Wort „verändern“. Jede Zeile fühlt sich der Ansage der Bundeskanzlerin verpflichtet, die nach der Bundestagswahl erklärte, dass sie nicht wisse, was die große Koalition hätte anders machen sollen. Experten für Digitalisierung sind offenkundig ignoriert worden. Einen der wichtigsten Begriffe neuer digitaler Geschäftsmodelle findet man nicht: Sucht man nach „Share Economy“, dann heißt es Fehlanzeige. Ein Digitalministerium, wie es viele Fachleute fordern, wird vom designierten Finanzminister Olaf Scholz gleich als etwas abgetan, das „nur PR-Maßnahme“ wäre. Kein konzeptioneller Konflikt wird ausgetragen oder entschieden. Jeder potenzielle Konflikt wird vielmehr mit Geld narkotisiert. Statt einer demografiefesten Rente gibt es Mütterrente. Statt Strukturreformen für ein finanziell solides Europa anzustreben, wird ein Sozialpakt neue Geldtöpfe errichten.

Über den Mut zur Entscheidung im Koalitionsvertrag hieß es im Mainzer Karneval nur spöttisch: „Amtssprache bleibt Deutsch. Im Straßenverkehr gilt weiter rechts vor links. Und draußen gibt es nur Kännchen.“ Besonders bedenklich sind dabei die Umstände, unter denen diese Entscheidungen zustande gekommen sind: Marathonsitzungen, Nachtsitzungen, kaum Rückkopplungsmöglichkeiten mit Spezialisten – all das verstärkt nur noch die fatalen Wirkungen des Performance Pressure Paradoxon. Eine Vorgehensweise, die ursprünglich mal als Strategie erdacht war, um auf europäischen Gipfeln allzu forsche Entscheidungen zu verhindern, lähmt nun systematisch die Entscheidungskraft der deutschen Politik. Sie macht das Brett vor dem Kopf zur Methode.

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Die Beiträge kommen vom Herausgeber und von Gastautoren. Im Mittelpunkt stehen kommunalpolitische und gesellschaftspolitische Themen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist es mir wichtig, historische Beiträge zu veröffentlichen.

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