„Platz der geselligen Mitteilung“

Casinogesellschaft von 1802

Die 1802 gegründete Casinogesellschaft in einer für damalige Verhältnisse üblichen Darstellung (Bild stammt aus dem Jubeljahr 1902).

Die Markgräfliche Hofhaltung  in Gunzenhausen (heute: Haus des Gastes) galt lange Zeit als „Jagdschloss“ des „Wilden Markgrafen“ bis die neuere Forschung manche überlieferten Ansichten revidierte. Tatsächlich befand sich das Jagdschloss vor den Toren der Stadt, am heutigen Bärenwirtsweiher. Dort war die markgräfliche Falknerei, die größte aller europäischen Fürstenhäuser.

Unter den älteren Gunzenhäusern ist das Anwesen unter dem populären Namen „Casino“ bekannt. Die Casinogesellschaft Gunzenhausen, eine Vereinigung honoriger Männer, bestand von 1802 bis 1939. Zunächst hatte die Gesellschaft im Haus Martin-Luther-Platz 2  eingemietet, das im Besitz der Bürgermeisterswitwe Gerber war (heute: Fachgeschäft „wolle und mehr“). 1810 erfolgte der Ankauf des zur Zwangsversteigerung angestandenen Hauses Möbius (heute: Haus des Gastes).

Die Geschichte der Casinogesellschaft ist im Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ (Nummer 28/1958) zu lesen. Sie war nach dem Gründungsprotokoll „ein Platz der Erholung und geselligen Mitteilung“, wie es der Gründungsvorsitzende Landrichter Johann Gottlieb Klingsohr formulierte.

Aus den Statuten (§ 1) ist die Gründungsidee zu entnehmen:

„Gesellschaftliches Vergnügen ist vernünftig – sittlicher Unterhaltung und erlaubtem Spiele zur Erholung von Geschäften ist Zweck oder Versammlungen. Rang und Ceremoniell  unter den Mitgliedern ist verwiesen und man erweist sich diejenige Höflichkeit, die unter Personen von gutem Ton und Sitten hergebracht ist. Gemeinschaftliches Wirken und mögliche Vervollkommnung ist verzügliche Pflicht eines jeden Mitglieds und alles, was die Eintracht oder einen Dritten beleidigen kann, ist sorgfältig zu vermeiden.“

Die Gesellschaft, die 137 Jahre bestand,  musste sich 1933 der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten beugen. In den Akten jener Zeit ist bemerkt: „Nichts anderes als öde Nivellierung aller Gesellschaftsschichten auf primitivster Basis.“  Nicht selten kam es zu Radau- und Lärmszenen von „angestifteten Elementen“. Das Protokollbuch schließt mit einem Eintrag vom 5. Februar 1933, am 29. März 1939 wurde die Selbstauflösung wirksam. Das Haus ging in den  Besitz des Naturheilkundigen Johann Reichardt über, der es schließlich 1974 der Hospitalstiftung Gunzenhausen vermachte. Seit 1984 ist  es das „Haus des Gastes“ mit dem historischen Markgrafensaal.

WERNER FALK

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Die Beiträge kommen vom Herausgeber und von Gastautoren. Im Mittelpunkt stehen kommunalpolitische und gesellschaftspolitische Themen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist es mir wichtig, historische Beiträge zu veröffentlichen.

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