Historischer Verein für Mittelfranken hat sein 104. Jahrbuch vorgestellt
746 Seiten eines Buches, das 1,8 Kilogramm wiegt, sind viel – und doch nicht alles. Der Historische Verein für Mittelfranken hat sein 104. Jahrbuch Dr. Gerhard Rechter, seinem langjährigen Schriftleiter, 2. Vorsitzenden und Leiter des Staatsarchivs Nürnberg (1999 bis 2012) gewidmet und das Buch an dem Tag der Öffentlichkeit vorgestellt, an dem der anerkannte Historiker 65 Jahre alt geworden wäre. Er ist am 22. Juni 2012 gestorben. In dem umfangreichen Band befassen sich 22 Beiträge mit der fränkischen Geschichte, die Dr. Rechters Leben war. Schwerpunktthemen sind der höhere und niedere Reichsadel, der Deutsche Orden, das Seckendorff-Geschlecht, das Markgrafentum Brandenburg-Ansbach und die Grafschaft Schwarzenberg. Daneben finden sich die Nachrufe von Freunden, Weggefährten und Wissenschaftlern.
Es hätte wohl keinen schöneren Rahmen als das Blaue Schloss in Obernzenn geben können, um des Verstorbenen und seiner wissenschaftlichen Arbeit zu gedenken. Das fand auch Rainer Graf von Seckendorff-Aberdar, der Schlossherr. Er erinnerte an die weniger schönen Jahre, als 1945 das Schloss für die amerikanischen Besatzer geräumt werden musste. Immerhin: „Off Limit“ war für sie der Bildersaal und somit auch das gräfliche Archiv. Nach dem Krieg (bis 1948) waren zwangsausgesiedelte Menschen aus der Ukraine im Schloss, ebenso deutsche Flüchtlingsfamilien.
„Das Seckendorff-Archiv muss gesichtet, geordnet und der Forschung zugänglich gemacht werden.“ Graf Rainer erinnerte an die resolute Forderung von Dr. Gerhard Rechter, die dem Schlossherrn natürlich sehr zupass kam, denn bis dato waren die Archivalien weit verstreut gewesen. Im weiteren Verlauf wurde sogar eine Sicherheitsverfilmung des Archivmaterials angeordnet, das sich seither in einem Stollen im Schwarzwald befindet. Eine Kopie ging natürlich an den Eigentümer des Schlosses. Allein acht Bände aus der Feder Rechters sind über die Geschichte des Seckendorff-Geschlechts und ihrer Besitzungen erschienen. „Was Dr. Rechter für das Seckendorff-Archiv getan hat, werden wir nie vergessen“, so Graf Rainer.
„Die Erde, die mich nährt, hat ein Recht auf meine Arbeit und meine Kraft.“ An diesen Spruch von Dietrich Bonhoeffer, den Dr. Rechter wiederholt zitierte, wenn er über seine Arbeit sprach, erinnerte Dr. Peter Fleischmann, der jetzige Leiter des Staatsarchivs Nürnberg. Er ging auf die wissenschaftliche Ausbildung des Historikers Dr. Gerhard Rechter ein, der einst von dem fränkischen Landeskundler Prof. Stephan Wendehorst „wissenschaftliche und ethische Orientierung“ erhalten hatte. Mit tränenerstickter Stimme würdige Fleischmann seinen Freund und Weggefährten, der allein acht Bände zum Seckendorff-Geschlecht veröffentlichte. „Er hatte immer die Vielfalt der fränkischen Territorialität im Blick“ sagte der Amtschef und erinnerte an die Häusergeschichten von Uffenheim (2003) und Lichtenau (2010) sowie an die unzähligen historischen Abhandlungen aus der Feder von Dr. Rechter. Er nannte auch seine Bemühungen um das Archiv der Herrschaft Scheinfeld der Grafschaft Schwarzenberg, das 2011 zum Staatsarchiv Nürnberg gekommen ist.
Dr. Fleischmann („Beruf und Berufung waren eins“) erinnerte in Anwesenheit der Witwe und der Hinterbliebenen an die Wärme und Herzlichkeit, mit der Dr. Rechter den Menschen frei von akademischer Selbstüberschätzung begegnete und er nannte auch dessen Freude und den Genuss an der Geselligkeit. Als „Kulturmanager“ habe er sich stets verstanden, zudem sei er von 1994 bis zu seinem Tod 2. Vorsitzender des Historischen Vereins für Mittelfranken gewesen. Vielen Vereinen, wie beispielsweise der Gesellschaft für Familienforschung in Franken, sei er hilfreich beigestanden.
Die Beiträge der 22 Autoren zur fränkischen Landesgeschichte gehören zur Gedenkschrift genauso wie die acht Nachrufe zum Tode von Dr. Gerhard Rechter. Sie stellte im Schloss Obernzenn Prof. Georg Seiderer, der Schriftleiter des Historischen Vereins vor. Zusammen mit Dr. Daniel Burger und Dr. Herbert Schott ist er der Herausgeber des 104. Jahrbuches.
„Vielfalt fränkischer Geschichte“ von Georg Seiderer, Herbert Schott, Daniel Burger (Hrsg.), 746 Seiten; Selbstverlag des Historischen Vereins/Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt; 44,90 Euro (erhältlich im regionalen Buchhandel).
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