Kohler: Sozialgräber sind pietätlos

Interview mit Alexander Kohler zum Thema Sozialgräber

FDP-Stadtrat Alexander Kohler findet die derzeitige Praxis der Sozialgräber pietätlos und unwürdig. Am kommen Donnerstag beschäftigt sich der Stadtrat mit seinem Antrag, die bislang anonymen Gräber mit dem Namen der Verstorbenen kenntlich zu machen.

Was finden Sie am derzeitigen Zustand der “Sozialgräber” pietätlos?

Menschen, die in einer Stadt leben und dort wohnen, haben einen Namen. Der Name macht den Menschen aus und erlaubt ihm, sich in der Gesellschaft zu bewegen. Menschen haben Freunde und Bekannte. Ein

Alexander Kohler, FDP-Stadtrat in Weißenburg.  Foto: Diesler

Alexander Kohler, FDP-Stadtrat in Weißenburg. Foto: Diesler

Grab ohne Namen macht die Trauerarbeit unmöglich. Egal, welche Zugehörigkeit zu einer “sozialen” Schicht der beerdigte Mensch hatte, es sollte die Möglichkeit der (religiösen!) Trauerarbeit möglich sein – und dies ohne erst die Friedhofsverwaltung nach der Grablage zu fragen. Nicht einmal im Tode lässt eine reiche und wohlhabende Gesellschaft Menschen, die am Rand stehen, in ihren Kreis kommen.

Befürchten Sie nicht, dass ein Anbringen von Namensschildern zu einer Stigmatisierung der dort Begrabenen führen könne, weil diese als Sozialfälle namentlich bekannt würden?

Wir reden von einer Handvoll Gräber. Es ist eher die umgekehrte Situation der Fall. Nicht einmal im Tode lässt eine reiche und wohlhabende Gesellschaft Menschen, die am Rand stehen, in ihren Kreis kommen. Das ist fast so wie im Mittelalter.
Sozialgräberfeld. Ein Toter hat es sehr schwer ein Namensschild zu fordern. Daher ist es Aufgabe der Lebenden sich darum zu kümmern

Warum betrifft Sie das Thema Sozialgräber auch ganz persönlich?

Meine Tochter Maria-Luisa ist ein mehrfach schwerbehindertes Mädchen mit 17 Jahren. Wir Eltern werden mit hoher Wahrscheinlichkeit das Mädchen nicht überleben. Maria wird damit im Laufe Ihres Lebens zu einem “Sozialfall” werden. Die Familie Kohler besitzt derzeit keine Gräber in Weißenburg. Damit würde im ungünstigsten Fall die “Sozialgräberfalle” greifen und Maria würde namenlos beerdigt werden. Im ungünstigsten Fall würde auch meine Tochter namenlos beerdigt werden.

Die Stadtverwaltung argumentiert, man habe kein Recht, jemandem mit Namen zu beerdigen, wenn man nicht genau weiß, dass er dies wirklich gewollt hat…

Nun ein Toter hat es natürlich sehr schwer, ein Namensschild zu fordern. Daher ist es Aufgabe der verantwortlich Lebenden, sich darum zu kümmern. Ich sehe es als meine Aufgabe an, mich um Schwache und finanziell nicht so wohlhabende Menschen und um Behinderte zu kümmern. Aus Gesprächen weiß ich, dass diese Menschen ihre Situation nicht so gewollt haben oder gar nichts dafür können. Ich weiß auch, dass diese Menschen sich mit Tod, Religion und Glaube auseinandersetzen. Ohne in eine Predigt zu verfallen, gilt der Satz, dass jeder Mensch vor Gott einen Namen hat – dies sollte respektiert werden.

Das Sozialgräberfeld auf dem Weißenburger Westfriedhof: Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass der Zustand seit Jahren bekannt ist, aber erst jetzt Bewegung in die Sache kommt?

Krankheit, Tod, Behinderung, Armut, alles am Rande der Gesellschaft, sind Themen, die nicht gerne öffentlich diskutiert werden. Doch gibt es diese Themen. Beruflich komme ich damit ständig in Berührung und kann zum Glück sehr unbefangen damit umgehen. Ebenso bedeutet ein sich damit Befassen auch eine Öffnung hin zu Kirche und Glaube. Vielleicht bestehen hier Berührungsprobleme.

Ein mögliche Regelung wäre es, zukünftige Sozialfälle auf dem Areal Baumfriedhof mit zu beerdigen. Was halten Sie davon?

Grundsätzlich gefallen mir die Baumgräber sehr gut und ich kann mir selber ein solches für mich gut vorstellen.

Wie müsste Ihrer Meinung nach das bestehende Sozialgrabfeld gestaltet werden?

So wie halt ein christliches Grab aussehen sollte. Kreuz, Name, geboren/gestorben und vielleicht ein bescheidener Blumenschmuck. Ich glaube, dass die Kosten zu vernachlässigen sind – und ich bin mir sicher, dass sich aus dem Bereich der Kirchen Menschen finden würden, die hier einen Beitrag leisten möchten. Eine Änderung der Friedhofssatzung könnte hier hilfreich sein.

Handelt es sich hier um einen weltanschaulichen Streit zwischen Christen und Nichtchristen?
Eher zwischen Reich und Arm, Betroffenheit und nicht Betroffenheit, Notwendigkeit und nicht Notwendigkeit. Ich halte dies für notwendig und würde mich freuen, wenn das Stadtratsgremium mich dabei unterstützen würde.

 

Der Falk-Report hat das Interview  mit  freundlicher Genehmigung von Peter Diesler, dem Herausgeb er des   Onlinemagazins „Weißenburg aktuell“ entnommen. Der Onlinedienst kann auch abonniert werden (pdiesler@journalismus.com). Im Internet: weissenburg-aktuell.de

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