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Ein Vergleich mit 1930

Bemerkenswerter Beitrag in der Zeitschrift für Landesgeschichte

Zeichnungen des Münchner Künstlers Rudolf Wirth von 1930.

Die Sorge um die Demokratie ist berechtigt, denn der Stimmenzuwachs für die rechtsradikale AfD  muss alle alarmieren, denen es um die Bewahrung unserer staatlichen Ordnung und unserer freiheitlichen Gesellschaft geht.  In diesen Wochen wird viel über das Emporkommen der politischen Rechten spekuliert.  Sie profitieren von der unbefriedigenden Situation, die gekennzeichnet ist vom Verlust die Glaubwürdigkeit der Regierenden, der etablierten Parteien. Nicht wenige wünschen sich  den „starken Mann“ und suchen die Nähe zu nationalsozialistischen Begrifflichkeiten.

Erinnerungen an die Vergangenheit in Deutschland werden wach.  „Weimar kommt nicht wieder“, trösten die Optimisten“, „Wir bekommen Weimarer Verhältnisse“ argwöhnen die  Skeptiker. Immer wieder tun sich Parallelen auf, zum Beispiel diese: Heinrich Brüning, Reichskanzler im Jahr 1930, erblickte in den von ihm angestrebten Neuwahlen die Chance, die damalige Finanzkrise  durch Steuererhöhungen und Kürzung der Staatsausgaben abzuwenden.  Heute wissen wir, dass sein Plan scheiterte und der bis dato eher unbedeutenden NSDAP einen erdrutschartigen Zuwachs brachte. „Das war der Auftakt des schrittweisen Verfalls der Demokratie in Deutschland und bildete den Beginn eines unaufhörlichen Abdriftens in die Diktatur, aus der es bis um vollkommenen Zusammenbruch 1945 kein Entrinnen mehr geben sollte“, urteilt die Autorin Stephanie Ruhwinkel in ihrem Beitrag zur Wahlkampagne der Bayerischen Volkspartei 1930 gegen Hitler. Veröffentlicht ist er in der neuen Ausgabe der „Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte“ (Band 86/2023).

Nun, so instabil wie die Verhältnisse in der Weimarer Republik, also der ersten deutschen Demokratie von 1919 bis 1933, ist die Lage heute nicht, aber reizvoll und lehrreich ist der Blick zurück doch. Damals lieferten sich 25 Parteien in zwei Monaten  einen gnadenlosen Wahlkampf um die Stimmen der 43 Millionen Deutschen. Die etablierten Parteien verloren gewaltig, die neue NSDAP war die große Gewinnerin. Der Historiker Joachim Fest spricht von einem „Wendepunkt in der Geschichte der Weimarer Republik“, die der „Agonie des Staates im Ganzen“ ankündigte.

Die Autorin Stephanie Ruhwinkel  hat die Wahlkampagne der Bayerischen Volkspartei untersucht und geht unter dem Titel „Nun bin ich Diktator im Reich der Trümmer und der Toten“  auf die damaligen Werbemittel ein, zu denen die Druckgraphiken  des Münchner Künstlers Rudolf Wirth zählten. Die BVP gehörte zu den Stimmen, die vor der nationalsozialistischen Gefahr warnten.  Wirth illustrierte in ihrem Auftrag holzschnitzartige Flugblätter gegen Hitler. Der Wahlkampf in den dreißiger Jahren war den visuellen Darstellungen späterer Jahre geprägt, das Wort bestimmte die Propaganda. Das hatte Adolf Hitler schon früh in seinem Buch „Mein Kampf“ erkannt: „Ich weiß, dass man Menschen weniger durch das geschriebene Wort als vielmehr durch das gesprochene zu gewinnen vermag, dass jede große Bewegung auf dieser Erde ihr Wachsen den großen Rednern und nicht den großen Schreibern verdankt.“

Wirth zeichnete Hitler in unverkennbarer Physiognomie, in der Uniform der SA und in breitbeiniger, herrschaftlicher  Pose auf brennenden Ruinen und schrieb darunter. „Nun bin ich Diktator im Reich der Trümmer und der Toten“.  Sein Bild vom brennenden Trümmerhaufen hätte gut eine Vorschau auf das Kommende sein können, nämlich auf Tod und Zerstörung durch die Nazis.

Der Münchner Künstler konnte während des Dritten Reiches künstlerisch tätig bleiben, denn seine Werke galten nicht als „entartet“.  Gleichwohl aber geriet er nach dem Kriegs ins Abseits und kann deshalb zur „verschollenen Künstlergeneration“   gezählt werden.

WERNER FALK