„Eiskalt sind die!“

Rummelsberger Anstalten und die NS-Krankenmorde

Die Euthanasie im Dritten Reich ist bis heute ein Thema, das die Menschen aufwühlt. Gibt es lebensunwertes Leben, so wie die Nationalsozialisten es formulierten? Sie behandelten die behinderten Menschen ab 1941 entsprechend ihrem abscheulichen Menschenbild und steckten sie in die Gaskammern. Betroffen waren auch Behinderte der Polsinger Heime und die Neuendettelsauer Diakonie, wo  1238 der 1758 Insassen Im Zuge der „Aktion Gnadentod“ starben. Eher am Rande erscheinen diesbezüglich die Rummelsberger Anstalten mit ihren diakonischen Einrichtungen. Hier konnte die Heimleitung 1941 zunächst sechs geistig behinderte Männer vor dem Zugriff der NS-Euthanasie schützen, was ein Jahr später schonnicht mehr gelang, als vier Personen überstellt wurden. 1943 sind zwei Jugendliche mit jüdischen Wurzeln abgegeben worden, von denen einer überlebt hat.

In der Zeitschrift für Bayerischen Kirchengeschichte  (91. Jahrgang 2022) widmet sich der Historiker Thomas Greif dem Thema „Die Rummelsberger Anstalten und die nationalsozialistischen Krankenmorde 41-43“. Der Archivar der Rummelsberger Anstalten schildert die vergeblichen Bemühungen von Rektor Karl Nicol, die behinderten Menschen vor dem Schlimmsten zu retten. Seine Standhaftigkeit konnte er aber aufgrund des starken Drucks nicht durchhalten.  Die Heimleitung passte sich nach und nach den herrschenden politischen Gegebenheiten an. Zu Adolf Hitlers 50. Geburtstag läuteten die Glocken eine halbe Stunde lang. Die Leitung war dem Führer ergeben, jeden Sonntag wurden für den Führer gebetet. Autor Greif jedenfalls stellt fest, dass Rummelsberg „mit Genugtuung , wenn nicht Begeisterung“ dem NS-System gegenüberstand, jedenfalls war es „kein Nest offensiven Widerstands“ und auch kein „Hort der Bekenntniskirche“.

Hitler hatte am 1. September 1941 den Weg zum systematischen Krankenmord (Gnadentod) geebnet. Wie man heute weiß, fanden von Januar 1940 bis August 1941 rund 70000 behinderte Menschen in sechs Tötungsanstalten den Tod. Die Zahl ist nach Erkenntnisse von Wissenschaftlern zu gering, denn sie sprechen von rund 300000 Opfern.

Der Autor Thomas Greif (ihm verdanken wir auch viele Erkenntnisse zur Kirchenpolitik der Nazis am Beispiel des Hesselbergs) bekam Einblick durch die Erinnerungsschrift eines Jugendlichen, der als ehemaliger Rummelsberger die Tötungsanstalt Hadamer in Hessen überstand. Rummelsberg, das nach dem Gründungsjahr 1890 zunächst als Diakonen- und Erziehungsanstalt diente, wurde 1920 baulich ergänzt und somit „Kriegssiechenheim“, in dem zeitweise 40 kriegsversehrte evangelische Soldaten eine Pflege erfahren durften. Später firmierte das Haus als ein „Erholungsheim für Soldaten und pflegebedürftige Nicht-Krieger“, letztlich als Alters- und Pflegeheim für Männer (mit 45 Plätzen).  Heute unterhält die „Rummelsberger Diakonie“ 250 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, für Behinderte, Alten- und Pflegeheime sowie Schulen und Ausbildungsstätten.

WERNER FALK

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