Waffen in der Missionsanstalt

Zur politischen Einstellung der Missionsanstalt Neuendettelsau

„Wirklich helfen kann nur ein vaterländisch gesinnter Mann, der mit starker Hand die widerstrebenden Kräfte unter sich zwingt“.  Das schreibt der „Freimund“, die Publikation der Gesellschaft für Innere und Äußere Mission im Sinne der lutherischen Kirche“  in den frühen dreißiger Jahren und gibt sich damit als ein Wegbereiter von Adolf Hitler zu erkennen.  Der Neuendettelsauer Missionsdirektor Dr. Friedrich Eppelein war schon 1933, im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung,  Parteimitglied geworden, Volksmissionar Helmut Kern gehörte auch dazu.

In der „Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte“ (92. Jahrgang 2022) skizziert Dr. Hans Rößler die politische Einstellung der evangelisch-lutherischen Missionsanstalt Neuendettelsau und außerdem gibt er seine Erkenntnisse zur Geschichte des Wehrverbands „Reichsflagge“ preis.  Der ehemalige Studiendirektor am Laurentius-Gymnasium Neuendettelsau bringt die politische Situation nach dem Ersten Weltkrieg in Erinnerung, als das militärische Großgerät an die Siegermächte übergeben werden musste und die Reichswehr auf 100000 Mann reduziert wurde.  Die kleinen Waffen aber waren weiter im Umlauf: 2,3 Millionen Gewehre und 58000 Maschinengewehre befanden sich in unkontrolliertem Besitz von Privatleuten, Vereinen und Gruppen.

Die nach 1919 entstandenen Freikorps bedienten sich der Waffen. Sie wollten die „Wiederwehrhaftmachung“ des Reichs herbeiführen. Initiator in Bayern war der Frontoffizier Adolf Heiß. Er wähnte das „nationalprotestantische Bürgertum der frankischen Städte“  hinter sich und gründete den „Bund Reichsflagge“, der als scheinlegaler Verein das Verbot der Wehrverbände (1921) umgehen konnte.  Unterstützung fand er bei höchsten militärischen Stellen, so auch von Offizier Ernst Röhm, der zu jener Zeit die Feldzeugmeisterei in Bayern verwaltete. Diese bestand aus militärischem Material der Reichswehr. In seinen besten Zeiten hatte der „Bund Reichsflagge“ 4000 Mitglieder. Seine Ausrichtung geschah immer mehr in Richtung Nationalsozialismus, so dass die Eingliederung in das Freikorps „Stahlhelm“ folgte, 1933 ging dieses in der SA auf.

In Neuendettelsau war die „Reichsflagge“ auf fruchtbaren Boden gestoßen. Der Landwirt Georg Sichert aus Fischbach bei Lichtenau gründete mit zehn Mann die Ortsgruppe, im benachbarten Immeldorf waren es gar 14 Männer, die sich im Missionsseminar trafen. Auf dem Dachboden des Zugführers Hans Ascheneller  lagerten 35 Infanteriegewehre, vier schwere Maschinengewehre, fünf leichte MGs, 200 Seitengewehre und 400 Tornister. Die Gruppe gab sich harmlos vaterländisch, im Haus der Mission erklangen flotte Soldatenmärsche und Georg Sichert wetterte gegen die Fesseln des Versailler Vertrags.  Der Wehrverband schloss sich der „Arbeitsgemeinschaft Vaterländischer Kampfverbände“ an, in dessen Kreisen General Ludendorff großen Respekt genoss. Der Chef der Obersten Heeresleitung war für die Kriegsniederlage verantwortlich gemacht worden, aber seine „Dolchstoßlegende“ verfing und er erreichte im Volk hohe Popularität. Ludendorff war am Ostersonntag 1923 sogar im kleinen Immeldorf, um die 200 Mann starke Bezirksgruppe Ansbach zu inspizieren.

Für die Plünderung des Waffenlagers Neuendettelsau  im März 1923 fanden die Anhänger der „Reichsflagge“ schnell Schuldige: den „roten Mob“, also Sozialdemokraten und andere, die dem Wehrverband distanziert gegenüber standen.  Bezeichnenderweise ermittelte die Polizei nur gegen die Diebe, ignorierte jedoch die Betreiber des Waffenlagers. Unberührt blieben von den Dieben drei Tonnen Rinderfett, die aus Amerika  gekommen waren, um den Neuendettelsauer Anstalten zu helfen. Deren Leiter war von 1920-28 Rudolf Ruf, der als deutschnational und tief antisemitisch galt, also ein typischer Vertreter des mittelständisch-protestantischen Mileus.

Autor Hans Rößler (er ist auch der Autor der 2017 erschienenen Dokumentation „Nationalsozialismus in der fränkischen Provinz – Neuendettelsau unterm Hakenkreuz“)stützt sich in seinem Beitrag auf „Erinnerungen“ Georg Sicherts, der ihm als verlässlicher Zeuge erscheint. Dessen Aufzeichnungen waren an Ortsgruppenleiter Adolf Traunfelder gegangen. Darin rühmt sich Sichert, frühzeitig Männer gefunden zu haben, „die sich gegen schmählichen Verrat von 1918 erhoben, um für eine bessere Zukunft Deutschlands zu kämpfen“.

WERNER FALK

Falk Report jeden Monat per E-Mail bekommen

Der "Falk Report" berichtet  monatlich aus dem Leben im Fränkischen Seenland (Altmühlfranken).

Die Beiträge kommen vom Herausgeber und von Gastautoren. Im Mittelpunkt stehen kommunalpolitische und gesellschaftspolitische Themen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist es mir wichtig, historische Beiträge zu veröffentlichen.

Es würde mich freuen, wenn wir auf diese Weise im Kontakt bleiben könnten.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teile diesen Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Post Navigation