Mägde, Knechte und Landarbeiter

Arbeitskräfte in der Landwirtschaft in den letzten Jahrhunderten

Eine Schlafkammer in der Tenne für Knechte in Seubersdorf. Foto: Fränkisches Freilandmuseum Bad Windshei

Mägde und Knechte hat es im 19. und 20. Jahrhundert auf jedem größeren Bauernhof gegeben. Sie standen in der sozialen Leiter auf der untersten Stufe. Sie haben wenig verdient und sie sind schlecht behandelt worden – nicht alle, aber wohl die meisten.  In die Kategorie gehören auch Wanderarbeiter, Tagelöhner und Kriegsgefangene. Zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Dienstboten hat das Fränkische Freilandmuseum in seiner Schriftenreihe 1997 den Band 27 herausgegeben (ISBN 3-926834-37-4).

Der von Hermann Heidrich herausgegebene Band mit dem Titel „Mägde, Knechte, Landarbeiter“ schildert in einer sehr umfangreichen Form das Leben der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Süddeutschland. Wer sich der Thematik nähert, dass der Gesindeanteil an der Gesamtbevölkerung Bayerns in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei 11 Prozent gelegen hat, die landwirtschaftlichen Dienstboten machten im Agrarland 4,2 Prozent aus. Eine Statistik von 1907 gibt Auskunft über die fremden Arbeitskräfte auf den Bauernhöfen im Freistaat.  23,2 Prozent aller Großbauern mit mehr als 100 Hektar hatten einen oder mehrere Dienstboten, 44,3 Prozent der Höfe zwischen 50 und 100 Hektar beschäftigten Mägde und Knechte, bei den Betrieben  von 20 bis 50 Hektar waren es 35 Prozent, bei den Höfen zwischen 5 und 20 Hektar waren es 13,2 Prozent, hingen bei den Kleinbetrieben zwischen 2 und 5 Hektar gab es nur zu 3,6 Prozent Fremdkräfte.

Schlafstätte einer Magd im hohenlohischen Langenburg. Foto: Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim.

Die Gesindeordnungen – es gab in Bayern je nach Region allein 30 verschiedene – galten nach dem Urteil heutiger Sozialwissenschaftler als „rechtliche Unterdrückungsinstrumente“. Immerhin wurde 1907 im Bürgerlichen Gesetzbuch das Züchtigungsrecht beseitigt – theoretisch zumindest. Die Dienstboten jener Zeit waren alles andere als aufsässige Menschen. Sie fügten sich ihrem Schicksal. Für viele junge Männer und Frauen aus den damals noch häufig kinderreichen Bauersfamilien fanden auf den Dörfern keine Arbeit. Sie waren deshalb darauf angewiesen, auf den Höfen der größeren Bauern „in Stellung“ gehen zu können.  Für die jungen Frauen war die Einheirat eine erstrebenswerte und existenzsichernde Perspektive.

Die Mägde und Knechte mussten viel Spott über sich ergehen lassen. Zedlers Universallexikon zitiert: “Die träge Magd kann sich des Morgens nicht aus dem Bette erheben, und gleich nach dem Abendessen fängt sie an zu gähnen. Überhaupt gähnt sie bei jeder Beschäftigung, nur nicht beim Essen. Bei jeder Anstrengung entsteigen schwere Seufzer ihrem Busen, ist ihr Gesicht mürrisch, nur beim Essen zeigt sie eine heitere Laune, ein zufriedenes Gesicht. Dabei hat sie ewig Appetit, sie isst nicht nur für zwei, sondern für drei“. Und an anderer Stelle wird vermerkt: „Das Gesinde  möchte alle Tage Sonntag, alle Tage Tanz und Musik, alle Tage gesungen, gesprungen und getrunken, mit einem Worte, lustig gelebt sein. Es möchte so leben, wie die geschäftigen Müssiggänger der sogenannten vornehmen Welt.“

Die soziale Wirklichkeit war verheerend. Frauen mit unehelichen Kindern, oftmals gezeugt von der männlichen Herrschaft im Haus, verloren in der Regel ihre Stellung und mussten die Babys in die Obhut ihrer Mütter geben. Die Moral ließ es nicht zu, dass es zu nächtlichen Zusammentreffen von Mägden und Knechten kam. Die Separierung der Schlafstätten verhinderten das – natürlich nicht in allen Fällen, denn das erotische Verlangen auf dem Dachboden war stark. Der Geschlechtsverkehr galt als ein typisches Dienstbotenvergehen. Um den sittlichen Anfechtungen der Mägde zu begegnen, erhielten sie abgeschlossene Kammern im Erdgeschoß, während die Knaben meist im oberen Flur (Tenne) nächtigten. Dr. Konrad Bedal, der erste Leiter des Freilandmuseums in Bad Windsheim, gilt als ein anerkannter Wissenschaftler und Kenner der Sozialgeschichte. Er bedauert, dass in der Hausforschung zu wenig auf Dienstmägde und Knechte eingegangen wird, was auch daran liegen kann, dass hier der bäuerliche Besitz kleiner war als etwa in Norddeutschland und deshalb Kinder, Verwandte und Nachbarn sowie Tagelöhner in die Arbeit eingebunden waren.

Nicht nur das gesellschaftliche Ranking war schlecht, auch die Bezahlung. Um die Jahrhundertwende (1900) erhielten die Mägde von ihren Herrschaften im Jahr 70 bis 150 Mark, die Knechte jedoch 140 bis 230. Und das bei einem 12-14stündigen Arbeitstag, in Stoßzeiten konnten es auch 18 bis 20 Stunden sein.

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One Thought on “Mägde, Knechte und Landarbeiter

  1. Heinz Rahm on 16. März 2023 at 20:16 said:

    Ja, das war für die ländliche „Unterschicht“ keine gute alte Zeit. Russische und andere Kriegsgefangene wurden auf deuschen Höfen auch oft schlecht behandelt. Mein Vater hatte aber unglaubliches Glück. Nachdem er glaubte, die Engländer würden ihn nach der Gefangennahme nach Hause entlassen, wurde er von ihnen in französische Kriegsgefangenschaft „befördert“. Er landete auf einem Bauernhof in der Ardèche. Dort verbrachte er drei jahre, von denen er aber nur geschwärmt hat. Es ging ihm da außerordentlich gut. Ich selbst wurde dann Französischlehrer und habe drei Jahre in diesem Land gearbeitet, das für mich auch so gut wie Heimat wurde. Mein Vater und ich hatten die Absicht, den Bauernhof einmal aufzusuchen, aber leider starb er kurz vor dem geplanten Besuch. Schade! (Heinz Rahm, Reinheim bei Darmstadt)

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