Chance für den Westen?

Dr. Ingo Friedrich zu den Herausforderungen der Zeit

Dr. Ingo Friedrich

Unstrittig: Ohne den Überfall Russlands auf die Ukraine ging es den Menschen auf der ganzen Welt besser. Aber in jedem Unheil, also auch hier, stecken sicher auch Chancen, die es zu entdecken und zu nutzen gilt:

 – Europäische Chancen

Die auf Dauer abträgliche Sonderrolle der sog. Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei ist durch den russophilen Sonderweg von Orban-Ungarn praktisch beendet. Polen fühlt sich heute näher bei Deutschland als bei seinem Visegrad-Partner Ungarn.

Die globale Bedeutung und Präsenz der EU hat auch in der engen Partnerschaft mit den USA deutlich zugenommen. Die notwendige Zusammenarbeit innerhalb der EU mit den selbstbewussten und historisch gewachsenen Nationalstaaten bleibt zwar schwierig, aber das Bewusstsein, dass wir Europäer inzwischen eine europäische Schicksalsgemeinschaft sind, ist eben auch historisch schnell gewachsen. Die Notwendigkeit einer engen europäischen Zusammenarbeit wird nach der „Ukraine-Erfahrung“ praktisch von niemandem mehr bestritten.

Die durch den russischen Angriff entstandene faktische „Waffenbrüderschaft“ der westlichen Welt führte auch zu einer „Normalisierung“ der deutschen Diskussion über die Bedeutung militärischen Schutzes und damit zu einer völlig veränderten Haltung gegenüber der vorher zum Schattendasein verurteilten Bundeswehr. Unzweifelhaft hat dabei auch die NATO durch die Aufnahme von Schweden und Finnland eine kraftvolle Frischzellenkur bekommen.

Globalstrategisch entscheidend ist nun, dass ähnlich wie beim Untergang der Sowjetunion sich der erwartbare Niedergang des derzeitigen Regimes in Russland nicht mit einem Knall, sondern mit einem von allen verkraftbaren Ächzen vollzieht.

– Technisch-wirtschaftliche Chancen

Durch den entstandenen Energiemangel sind natürlich alle technischen Weiterentwicklungen regenerativer Energien und autonomer Selbstversorgungen dramatisch wichtig geworden und werden mit einem ganz anderen „Drive“ angegangen. 

Gleichzeitig werden die offenbar in den letzten Jahren entstandenen Übertreibungen wie Abschaltung aller Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke und ganz schnelle Aufgabe aller Verbrennungsmotoren einer heilsamen Machbarkeitsprobe unterworfen. Plötzlich hat die technische Vernunft wieder eine Chance gegenüber ideologischer Verbohrtheit.

– Gesellschaftliche, soziale und Resilienzchancen

Die historische Erfahrung lehrt, dass Staaten und Nationen durch die Bewältigung von Herausforderungen stärker und resilienter werden. Die heute von den Bürgern geforderte Anstrengung zur Bewältigung der Herausforderung Ukraine kann und sollte auch neue Ideen und Kräfte hervorbringen. Eine neue Bereitschaft zur Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung könnte heranwachsen. All dies kann den sozialen Zusammenhalt und die Resilienz der Gesellschaft insgesamt fördern.

Natürlich können die erwähnten Chancen und Möglichkeiten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der russische Angriffskrieg furchtbare und tragische Konsequenzen für viele viele Menschen insbesondere in der Ukraine hat. Aber wenn das Unheil schon nicht kurzfristig beendet werden kann, dürfen wir nicht zulassen, dass allein dessen zerstörerische Kräfte das Feld bestimmen.

DR. INGO FRIEDRICH, langjähriger Europaabgeordneter und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Gunzenhausen

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4 Thoughts on “Chance für den Westen?

  1. Otto Ringer on 1. August 2022 at 21:41 said:

    Erstaunlich mit welcher Chuzpe Herr Dr. Friedrich von der Wichtigkeit regenerativer Energien und von der Vernachlässigung der Bundeswehr schreibt. Vermutlich hat er im wohlsituierten Pensionistendasein vergessen, dass seine Partei, die CSU, durch fehlende und gezielte wirtschaftliche Förderung eine hochentwickelte und weltweit führende Solarzellenindustrie zu Gunsten von Billigimporten aus China zu Grunde gehen lies. Das verloren gegangene Wissen muss jetzt mühsam wieder aufgebaut werden. Er hat auch vergessen, dass seine Partei mit der unsäglichen 10 H Regelung einen gezielten und umfassenden Ausbau von Windkraftanlagen verhindert hat, die heute den Strom erzeugen könnten, der durch den Ukraine- Krieg und die fehlende Gasversorgfung in Gaskraftwerken nicht mehr erzeugt werden kann.
    Vergessen hat er wohl auch, dass die Schwesterpartei CDU über 16 Jahre die Bundesverteidigungsminister gestellt hat, stets sehr freundliche, aber völlig ahnungslose Leute, die an Allem interesse hatten, außer an Verteidigungspolitik (ein etwas abgewandeltes Zitat von Franz Josef Jung, ehem. Bundesverteidigungsminister). Über 16 Jahre wurden jährlich 50 Milliarden Euro verplempert für Hubschrauber die nicht fliegen, für Panzer die nicht fahren, für Gewehre die nicht treffen, für Stiefel von denen die Sohle abfällt, für Gebäude, die nach der Fertigstellung leer stehen. 16 Jahre mal 50 Milliarden sind 800 Milliarden Euro. Für dieses Geld, Steuergeld, das von allen Bürgern aufgebracht wurde, hat unsere Gesellschaft genau nichts von dauerhaftem Wert bekommen, aber es ist weg, verschwunden, genau sowie aus dem Gedächtnis von Herr Dr. Friedrich.

  2. Heinz Rahm on 3. August 2022 at 22:17 said:

    So einer wie Herr Friedrich hat gut reden. Ein Politiker halt. Die reden meistens, aber sie sagen nichts. Die „Staaten“ werden vielleicht gestärkt hervorgehen. Die „Staaten“! Und die Regierenden! Und die Reichen! Und die sogenannte „Elite“! Die Bürger werden leiden, wie in jedem Krieg und werden die Zeche zahlen. Wie in jedem Krieg! Und wir sind längst Kriegspartei. Dann ist noch darauf hinzuweisen, dass sich neulich die SPD-Größen (Größen?) Faeser und Heil zusammen mit Klitschko und der deutschen Botschafterin mit gefüllten Gläsern in der Hand lachend, eher hohnlachend, würde ich sagen, auf einem Balkon in Kiew ablichten ließen. Sonst kann das Gesicht Klitschkos, wenn er vor der Kamera um Waffen und Geld bettelt, nicht jammervoll genug sein. „Sich ein Bild von der Lage machen“ heißt es da immer ganz wichtig, wenn solche ganz wichtigen Damen und Herren sich irgendwo ganz wichtig hinbegeben und ganz wichtig dreinblicken. Dem Bild nach zu urteilen ist die Lage offenbar ganz ausgezeichnet. Für Laschet wurde solch ein Lach-Foto zum Spießrutenlauf, und es kostete ihn die Kanzlerschaft. Solche Bonzen (oh, ich muss gendern, Bonzinnen eingeschlossen) haben aber wohl nichts zu befürchten. BILD hat das Foto in vorauseilendem Gehorsam gleich „abgeräumt“, seltsamerweise redet niemand mehr davon. Übrig bleiben im Gedächtnis des deutschen „Michels“ und der deutschen „Michelin“ werden die Gesichter der gleichen Damen und Herren, wie sie sich im Kriegsgebiet bemühen, betroffene Gesichter zu zeigen – Betroffenheit, die ich ihnen NICHT mehr abnehme. Was macht ein deutscher Arbeitsminister, was macht eine deutsche Innenministerin eigentlich dort? Die Reichen zeigen uns in dieser Krise ganz ungeniert, was sie vom gemeinen Volk halten. G-7-Gipfel, Lindner-Hochzeit auf Sylt, Merz im Privatjet, um nur die letzten schlagenden Beispiele zu nennen. Wasser und Verzicht predigen, aber nicht, wie Heinrich Heine es sagt, heimlich Wein saufen, sonden ungeniert in aller Öffentlichkeit – und ungeniert Luxus vorleben. Die Lage bei uns wird sich zuspitzen, eines Tages werden die Deutschen wohl wieder mit ungläubigem Staunen auf ein Trümmerfeld ringsherum blicken (hatten wir schon öfter in unserer „ruhmreichen“ Geschichte). Und dann wird wieder die alte Leier aufgefahren: „Wir haben nichts gewusst!“

  3. Heinz Rahm on 4. August 2022 at 9:56 said:

    Um auf dieses Lach-Bild noch einmal einzugehen: Mir fehlen buchstäblich die Worte. Während Soldaten und Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder in diesem Krieg elend verrecken, lachen sich diese „Oberen“ beim Saufen einen ab. Zum Erbrechen, um nicht ein anderes Wort zu gebrauchen! „All dies kann den sozialen Zusammenhalt und die Resilienz der Gesellschaft insgesamt fördern.“ Herr Friedrich, Ihre Worte klingen sehr gut, aber es gibt keinen sozialen Zusammenhalt mehr, und in Krisenzeiten wird sich jeder wieder selbst der Nächste sein. Der Mensch ist nicht edel, hilfreich und gut, wie Goethe es ausdrückt.

  4. Hans Fickel on 7. August 2022 at 16:25 said:

    Es ist nicht alles Gold was glänzt. Die EU hat auch ihre blendenden Lobbyisten unter uns, wir sind die Guten und haben nur hehre Ziele, so erzählt man uns. Bei dem Thema gibt es leider viel Propaganda und regierungsfreundliche Berichte mit einseitigen Darstellungen, Mainstream regiert und Dummheit merkt es nicht. Die Argumente hier sind nur eine Seite der Medaille, zur Erörterung gehört generell auch die Gegenmeinung, die Antithese und wer diese nicht kennt, kann sich selbst keine Meinung bilden, die Kehrseite sieht nicht so gut aus und ist nicht im Sinne der herrschenden Politiker. Jeder Richter muss sich beide Seiten anhören bevor er ein Urteil fällt. Wo bleibt die andere Meinung? Wo ist die Erörterung?
    Der gesamte Westen hat große Mitschuld am Krieg in der Ukraine, es geht hier um viel Geld und Macht, alles andere ist nur Geschwafel – Menschenrechte, Demokratie und Freiheit, das interessiert doch überhaupt nicht, das ist die alte Leier um etwas zu rechtfertigen und um sich als Edelmann auszugeben. In der Ukraine gibt es Rohstoffe, Energievorkommen und billige Arbeitskräfte, die wollen wir für uns nutzbar machen, kurz gesagt ausbeuten und plündern. Nicht umsonst hat man die Ukraine mit Krediten an IWF oder an EU angebunden. Die Waffenlieferungen sind nicht geschenkt. Wir tauschen auch gegen Gas und Kohle! Nun haben sie sich in Brüssel, Berlin und Washington verzockt und der böse Putin spielt nicht mit. Wenn man eine Maus in die Ecke treibt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn diese einen anspringt und beißt. Es war also keine Frage, ob sondern wann Russland größer zurückschlägt. Der Konflikt war schon 2014 ausgebrochen und unsere Politiker waren an keiner wirklichen Lösung interessiert, Merkel und Steinmeier haben hier genauso versagt und die berechtigten Interessen Russlands weiter ignoriert. Der Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan war daher für Russland brandgefährlich, die US Army war nicht mehr gebunden und frei für neue Kriege. US-Militär-Manöver und CIA-Leute in der Ukraine, sind keine guten Voraussetzungen für Frieden, der Westen wollte Tatsachen schaffen. Die Europäer haben keine eigene Meinung, kein Rückgrat und sind Amerika stets ergeben. Russland hat lange genug gewarnt und seinen Standpunkt deutlich gemacht. Die EU und NATO haben aus Arroganz und Großmannssucht solange an der Schraube gedreht bis sie abgerissen ist, so war das nicht geplant, ein Schuldiger muss her und das ist Putin.
    Gut, dass wir Deutschen nun dafür wieder bezahlen, der Krieg kommt auch uns nun teuer zu stehen, wie bei Heizkosten, Benzin, Lebensmittel, Stahl, Autoteile, billige LKW-Fahrer oder Arbeiter auf unseren Feldern. Nach der hausgemachten Energiekrise wird eine Wirtschaftskrise aufziehen und dann wohlmöglich die Versorgungskrise mit billigen Lebensmitteln, bei Rapsöl ist das schon so und Papiermangel kennen wir auch und wenn es nur Klopapier ist. Nicht bezahlbare Heizkosten für Gewächshäuser, es bleibt dort kalt und sie erzeugen nun mal kein billiges Gemüse mehr. Sanktionen wirken eben in beide Richtungen, das vergessen die Politiker. Die Bevölkerung wird zur Kasse gebeten, dafür haben wir genau die richtige Regierung und die Grünen riechen Morgenluft um ihre … Klima- und Energieagenda mit Gewalt durchzusetzen. Atomkraft nein danke, wir frieren lieber, wir sind die Grünen! Ich will aber nicht frieren und in Notzeiten muss auch ein AKW am Netz bleiben dürfen. In der Ukraine stehen AKW´s und die liefern auch Strom zu uns nach Westeuropa, das ist dann kein Problem auf der Agenda der Weltverbesserer.
    Wer über die andere Seite mehr wissen möchte, der sollte doch „Schlachtfeld Ukraine – Angriffs- oder Präventivkrieg?“ von Michael Grandt lesen und danach kann man über die „Chance des Westen“ nachdenken und sich auch ein Bild von unseren edlen Politikern machen. Es lebt nicht jeder im Wohlstand mit geregelten üppigen Diäten oder Pensionen, der sich nachhaltiges Leben leisten kann und gerne dafür etwas mehr ausgibt. Es gilt daher, von den Chancen hat die Masse nichts, das dient den Reichen und Globalisten. Der kleine Mann ist der Verlierer, das böse Erwachen kommt nach der nächsten Heizkostenabrechnung und die Inflation raubt das Geld dazu noch. Das ist aber ein anderes Thema. Sparen ist angesagt!

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