Burgstallwald dauerhaft sichern

Stellungnahme zur Erklärung von Stadtrat Werner Falk

Ich denke, dass dieser demokratisch erfolgte Beschluss des Stadtrats Gunzenhausen akzeptiert werden sollte. Natürlich gibt es nachvollziehbare  Gründe, warum man so oder so entscheiden kann.

Ich hätte mich für einen Einsatz mit dem Bacillus thuringiensis entschieden. Mit diesem in Israel entwickelten Präparat konnten  in Deutschland bereits eine Vielzahl von Schädlingskalamitäten abgewendet werden. So wurde z.B. durch eine interkommunale Arbeitsgemeinschaft am Oberrhein auf weit über 150 km Flusslänge ein Einsatz gegen die Schnaken erfolgreich und vor allem selektiv nur gegen diese betroffene Unterart durchgeführt. Obwohl in diesem Großflächeneinsatz die Schutzgebiete ausgeklammert werden mussten, konnten die Schnaken dennoch deutlich reduziert werden und es wurden als Folge auch keine Veränderungen an der Fisch- oder der Vogel-Population dokumentiert. Es gibt also durchaus sehr selektiv wirkende Mittel ohne ökologisch negative Nebenwirkungen.

Andererseits muss man aber auch mehr Vertrauen in die Selbstregulationskräfte  der Natur aufbringen. Das was wir im Burgstallwald erleben, ist eben nur aus der „menschlichen Brille“ eine „ökologische  Katastrophe“. Die Natur kennt keine Katastrophen, sondern lediglich sich immer wieder gegenseitig bedingende natürliche Ereignisse, bei denen wir nach Möglichkeit nicht oder nur in tatsächlich verantwortbaren Maßen eingreifen sollten.

Ich mache dies einmal am Beispiel der Borkenkäfer-Kalamität im Bayerischen Wald vor Jahren deutlich, die ich als Beirats-Mitglied des Nationalparks direkt miterleben und mitentscheiden konnte. Auslöser waren die großflächigen Windwürfe in den Hochlagen des Bayerischen Waldes, die in dieser Intensität aber dort nur aufgetreten waren, wo der Mensch in den Jahrhunderten vorher bereits die stabilen Bergmischwälder in weitgehend strukturarme reine Fichtenbestände umgewandelt hatte. Diese sind den Stürmen dann großflächig zum Opfer gefallen, weil die stabilisierenden Tiefwurzler wie Weißtanne und Humusbildner wie Buche gefehlt haben. Damals wurden all jene Bereiche von diesen Ereignissen aber nicht betroffen, wo diese natürliche Mischung auch Buche/Fichte/Tanne noch weitgehend intakt war. In der Folge haben sich die in geringen Populationen immer vorhandenen Insekten wie Borkenkäfer in den abgestorbenen Bäumen sehr schnell ausgeweitet. Außerhalb des Nationalparks und auf tscheschicher Seite hat man die chemische Keule angesetzt. Natürlich mit dem jetzt auch von Stadtrat Falk eingeberachten klassischen Argument des Schutzes von Eigentum. Im Nationalpark unterblieb damals trotz heftigster Proteste umliegender privater und kommunaler Waldbesitzer aber jeglicher chemischer Eingriff. Es wurden aus Sicherheitsgründen nur im Randbereich abgestorbene Bäume gefällt und maschinell entrindet (eine denkbar mögliche Flugentfernung der Insekten wurde damals als Sicherheitszone gewählt), womit den Käfern die Weiterverbreitung Existenzgrundlage entzogen war. Es bot sich auf diese Weise der Wissenschaft ein in Europa einzigartiges Experiment, dessen Risiko hier der Freistaat Bayern  übernommen hatte. Denn in der Folge sind auf den Höhenlagen innerhalb des Nationalparks rund 6.000 ha zusammenhängende Waldflächen abgestorben und boten der – einheimischen – Bevölkerung ein gespenstisch wirkendes Bild von bis zum Horizont reichenden – in ihrer Baumoberschicht – abgestorbenen Wäldern.

Die Gäste in der Region haben ihr aber deswegen nicht den Rücken zugewendet, sondern diesen Prozess mit großem Interesse aktiv verfolgt. Rundum wurde ja auf den zunächst chemisch bekämpften Flächen dann großräumig gerodet, denn mit dem chemischen Einsatz wurde nur die weitere Ausbreitung der Käfer unterbunden. Diese Flächen sind dann kostenintensiv neu bepflanzt worden und führen nun in der Folge dazu, dass hier zwar artenreich gemischte, aber eben wieder gleichaltrig aufwachsende und damit strukturarme sowie dadurch erneut weniger stabile Wälder heranwachsen. Auf die dabei entstandenen Kosten soll hier nur am Rande hingewiesen werden.

Auf den Flächen im Nationalpark kann aber seitdem beobachtet werden, wie die Natur mit ihrer Selbstregulationskraft langfristig wirkt. Denn unter dem schützenden Schirm der stehen gebliebenen oder auch umgebrochenen toten Baumriesen entwickeln sich seitdem entweder direkt neue Generationen von hier autochthonen Baumarten oder – wie im Falle der Tanne – zunächst Pionierwaldstadien aus Ebereschen und anderen Baumarten, unter deren Halbschatten dann auch die Weißtannen wieder natürlich einwandern können. Und dieses Selbstregulationssystem läuft natürlich auch kostenneutral ab. Die Wissenschaft hat dieses Geschenk der natürlichen Ereignisse einerseits und des politischen Muts zu diesem „Nichtstun“ andererseits  für einen sonst nie möglichen Erkenntnisprozess nutzen können. Was viele vorher nur ahnten – oder aus den wenigen Urwaldresten theoretisch ableiteten – konnte nun auf großer Fläche real nachvollzogen werden. Es entwickeln sich auf völlig natürliche Weise wieder arten- und strukturreiche Wälder mit genau den Baumarten, die hier klimatisch und geologisch standortheimisch wären. Denn die Borkenkäferpopulationen haben sich aufgrund dieser großräumigen Entwicklung selbst ihrer Existenz beschnitten und sind nach 1 1/2 Jahren zusammengebrochen. Kein Waldbesitzer hätte den Mut aufgebracht, einen solchen Weg zu wählen. Aber hier konnte, dank einer mutigen politischen Entscheidung gegen den Privat- und Kommunalwald nachgewiesen werden, dass  die Natur selber in der Lage ist, sich zu wehren und wieder neue und damit ökonomisch und ökologisch stabile Wälder (auch für deren Besitzer) aufzubauen.

Das Beispiel markiert sehr eindrucksvoll, dass nicht immer der technisch machbare Weg auch zum besseren Ergebnis führen muss. Und dass wir uns vor Begriffen wie „ökologischen Katastrophen“ hüten sollten, welche die realen Verhältnisse auch nicht annähernd abbilden können.

Wir können daher die Entwicklung im Burgstallwald mit der gleichen Gelassenheit verfolgen, wie dies uns die Natur vorlebt. Und selbst wenn – im denkbar möglichen Fall – die Bäume im Burgstallwald absterben würden, das wäre nicht das Ende dieses Lebensraums sondern lediglich eine Verkürzung der dynamischen Entwicklung in der Natur. Es bliebe Wald, aber natürlich Wald in einer anderen Phase der natürlichen Prozessentwicklung. Und welcher dieser Wege zu einem wirtschaftlichen Erfolg für die Waldbesitzer führt – hier muss ja in Zeiträumen von 80, 120, 200 oder mehr Jahren, je nach Baumart gedacht werden – kann niemand vorhersagen. Wenn wir aber mehr mit der Natur und nicht gegen ihre natürlichen Abläufe arbeiten, werden wir langfristig auch deutlich bessere ökonomische Erfolge mit der nachhaltigen Waldbewirtschaftung erzielen. Insofern hat der Stadtrat von Gunzenhausen mehrheitlich ebenfalls eine sehr mutige und auch  sehr zukunftsfähige Entscheidung getroffen.

Dieter Popp, Haundorf

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Die Beiträge kommen vom Herausgeber und von Gastautoren. Im Mittelpunkt stehen kommunalpolitische und gesellschaftspolitische Themen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist es mir wichtig, historische Beiträge zu veröffentlichen.

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