Siegfried Stoll hat Buch über Krankheit seines Bruder geschrieben
In dem neu erschienenen Buch „SOS – per Lidschlag – SOS“ von Siegfried Stoll aus Pflaumfeld, erschienen im Kleingladenbach-Verlag, geht es um seinen schwerstbehinderten Bruder, der vor 30 Jahren eine Kleinhirnblutung erlitt und seither am Locked-in-Syndrom leidet. Gerhard lag zunächst ein halbes Jahr im Koma, wachte schließlich über einen Zeitraum von mehreren Wochen langsam auf und wurde fast zweieinhalb Jahre auf einer Intensivstation versorgt. Seine Familie baute an ihrem Haus im hessischen Breidenbach eine private Intensivstation an und so wird er seit dem Jahr 1992 zu Hause versorgt.
Gerhard Stoll kann sich aufgrund der Folgen der Kleinhirnblutung nicht bewegen, er kann nicht atmen, nicht sprechen und nicht essen. Somit wird er permanent beatmet und künstlich ernährt. Er ist nicht geistig behindert, sondern kann hören, sehen und denken „wie Du und ich“. Er ist somit voll reflexiv. Er teilt sich mittels eines speziellen Blinzelcodes mit. Auf diese Weise diktiert er Buchstabe für Buchstabe und auf diese Weise hat ihn sein Bruder über zehn Jahren mit ihm gesprochen und die Dialoge niedergeschrieben. Es ist beeindruckend, wie konstruktiv er mit dieser grausamen Situation umgeht.
Die Dialoge hat Siegfried Stoll, der Öffentlichkeitsbeauftragter der Fachakademie für Sozialpädagogik der Stiftung Hensoltshöhe ist und dort auch unterrichtet, nun als Buch herausgegeben, das in allen Buchhandlungen in Deutschland, der Schweiz und in Österreich erhältlich ist.
In den neunziger Jahren hatte er über mehrere Jahre auch einen sehr angenehmen Kontakt mit Astrid Lindgren: Ihm schenkte jemand das Buch „Brüder Löwenherz“ und er erkannte seine Situation darin wieder. In dem Buch wird von einem sehr kranken Jungen erzählt, um den sich sein älterer Bruder kümmert. Nachdem er das Buch gelesen hatte, schrieb er einen Brief an Astrid Lindgren, die prompt antwortete. Daraus entwickelte sich eine jahrelange freundschaftliche Bekanntschaft. Mit Genehmigung der Tochter von Astrid Lindgren hat er die Briefe der weltberühmten schwedischen Autorin an seinen Bruder veröffentlicht.
Auf dem Hintergrund der Briefe hat Siegfried Stoll mit seinem Bruder über Leben, Sterben und Tod gesprochen. Auch diese Gespräche zu dem durchaus schwierigen Thema hat er in dem Buch dokumentiert.
Charakterisierend kann man in einem Satz sagen, dass das Buch Mut macht – zum „Suchen und Finden von Erfreulichem“. Gerade in so einer katastrophalen Ausnahmesituation ist es wichtig, zu versuchen, noch positive Aspekte in dieser Situation zu suchen und zu finden, was sicherlich eine besondere Herausforderung darstellt.
Seit 30 Jahren stellt sich die ganze Familie dieser Herausforderung. Manchmal gelingt es mehr, und manchmal gelingt es weniger.
Mit dem Buch möchten die Stolls also
- andere Menschen, die sich in sehr schwierigen Situationen befinden, ermutigen, nicht zu resignieren, sondern aktiv nach positiven Perspektiven zu suchen und daran zu arbeiten, dass sie wieder Lebensfreude entwickeln können
- dazu beitragen, dass Angehörige und Betroffene besser in ihrer Situation verstanden werden, und
- Angehörige von schwerstbehinderten und -kranken Menschen ermutigen, konsequent und unbeirrt für den schwerstkranken und -behinderten Menschen einzustehen, sich um ihn zu kümmern und ihn liebevoll weiter zu begleiten.
Der Hessische Rundfunk hat berichtet. Hier der Link: https://www.hessenschau.de/gesellschaft/mann-aus-mittelhessen-lebt-seit-30-jahren-mit-locked-in-syndrom,locked-in-syndrom-100.html
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