Das Freikorps Oberland in Eichstätt

Dr. Maximilian Ettle stellt den soldatischen Freiwilligenverband vor

Freikorpsmitglieder aus Eichstätt, im Vordergrund sind einige Markt Berolzheimer zu sehen. Foto: Sammlung Burmann

In Eichstätt war das bekannteste und größte Freikorps „Oberland“ aufgestellt. Es trug das Edelweiß als Kennzeichen. Warum konnte sich der Freiwilligenverband nach dem Ersten Weltkrieg formieren? Wie hat er agiert bevor seine Männer in die nationalsozialistische SA eintraten? Dr. Maximilian Ettle untersucht in der neuen Ausgabe des „Sammelblatts“ (herausgegeben vom Historischen Verein Eichstätt) die Geschichte des Freikorps.

Wie Pfarrer Theodor Kleinknecht in den Kirchenbüchern festgehalten hat, wurden die Berolzheimer Freikorps-Mitglieder schon nach wenigen Monaten am 1. Juni 1919 entlassen. Foto: Archiv Burmann

Eine Bewertung steht am Anfang: „Die Dolchstoßlegende von Hindenburg und Ludendorff war die verhängnisvollste Lüge in der Geschichte Deutschlands.“  Schuld an der Niederlage am Ende des Ersten Weltkriegs hatten demnach keinesfalls die Linksparteien und Juden, die man dafür verantwortlich zu machen versuchte, sondern die militärische Führung und ein unfähiger Kaiser Wilhelm II.  „Deutschland war während des Krieges faktisch eine Militärdiktatur“, stellt der Autor fest, „die jedoch am Ende die Friedensverhandlungen den Politikern übe ließ“. Daher auch der Begriff „Novemberverbrecher“ als schuldzuweisender Name für diejenigen, die in Versailles den Friedensvertrag unterschreiben mussten.  „Im Feld ungeschlagen“, das war damals eine reine Schutzbehauptung und ein „Brandbeschleuniger“ für den Antisemitismus in Deutschland.

Als das Kaiserreich weggefegt war, da gründete der Revolutionär, Pazifist und Jude Kurt Eisner den Freistaat Bayern, dessen 100. Geburtstag  wir 2018 feiern durften.  Neben den kommunalen Parlamenten agierten die Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte. Sie hatten beratende Funktion, manchen von ihnen aber glaubten, sie hätten eine quasi Aufsrichtsratsfunktion, was naturgemäß zum Streit führte. Natürlich wollten die alten Eliten ihre Vormachtstellung nicht preisgeben. Sie wehrten sich gegen die in München berufene Räterepublik, der 1919 gewählte Landtag musste ins Exil nach Bamberg, denn München war „rot“ und unsicher für die vom Sozialdemokraten Johannes Hoffmann geführte Regierung.  Die konservativen Kräfte hatten schon bei der Landtagswahl 1919 die Oberhand behalten (34,9 Prozent) vor den Sozialdemokraten (32,9 Prozent), Eisners USP (unabhängige Sozialdemokraten) hatte gar nur 2,5 Prozent bekommen.  Die strammen Bayern von heute müssen zähneknirschend die Tatsache  zur Kenntnis nehmen: der Gründer des Freistaats, auf den heute alle so stolz sind, war der Sozialdemokrat Eisner, noch dazu ein gebürtiger Preuße (Berliner ), ein Pazifist und Jude.

Als Vorgängerin des Freikorps „Oberland“ wird die Thule-Gesellschaft („Orden für deutsche Art“) genannt, die sich 1918 in München als ein Zusammenschluss von völkisch und antisemitisch orientierten Männern formierte.  Ihr Vereinsemblem war damals schon das Hakenkreuz und die Mitglieder begegneten sich mit dem  „Heil und Sieg“-Gruß. Sie ging ein Jahr später in der Deutschen Arbeiter Partei (DAP) auf, in der auch Hitler mitmischte. Daraus entstanden ist danach die NSDAP. Einer von den Parteileuten war seinerzeit der Dietrich Eckart Neumarkt/Oberpfalz, der den Begriff des „Dritten Reiches“ kreierte.

Die Aufstellung des Freikorps „Oberland“ war zunächst für den 19. April 1919 in Treuchtlingen vorgesehen, aber weil es in Eichstätt eine Kaserne gab, entschied man sich für die Bischofsstadt. Aber warum einen Verband mit dem Namen Oberland? Es gibt mehrere Versionen, aber keine wird als verbindlich anerkannt. Eine Deutung: der Name soll an die patriotischen „Oberländer“ erinnern, die 1705 die Münchner von den österreichischen Besatzern befreiten.

In Eichstätt jedenfalls kamen im April 1919 rund 120 Freiwillige zusammen, darunter auch 14 Markt Berolzheimer (mit Heinrich Veitengruber), die aber nach wenigen Monaten schon wieder entlassen wurden. Allgemein handelte es sich um junge Männer, die schon zuvor militärisch gedient hatten (Dreiviertel der Mitglieder).  Das Freikorps wuchs auf 305 Mitglieder an.  Die Eichstätter nahmen auch am Marsch nach München teil, um gegen Spartakisten und Kommunisten anzutreten (Kampftag war der 2. Mai). Es gab 355 Opfer und viele Exzesse des Freikorps.  Man sprach vom „Weißen Terror“. Versehentlich kamen auch 21 katholische Gesellen um, die für Spartakisten gehalten worden waren.

Das Freikorps, 1921 als eine Folge des Versailler Vertrags aufgelöst, ging  später in der SA auf und bei Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle 1923 waren viele Ehemalige dabei. Die politisch Ewiggestrigen  organisierten sich später in einem Heimatschutzverband. Es gab viele Nachfolgeorganisationen. Einige wirken bis heute als Traditionsverbände. Sie stehen zum Teil unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

 

Dr. Maximilian Ettle: „Vor 100 Jahren:  Revolutionäre Zeiten“, Jahrbuch des Historischen Vereins Eichstätt, 192 Seiten, ISSN 0936 5869.

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