Erlass der Ministerin wird von Reservisten kritisiert
Die Traditionspflege in der Bundeswehr bleibt umstritten, zumal die Bundesverteidigungsministerin die emotionalen Bindungen der einstigen Soldaten zur Truppe in einem aktuellen Erlass neu interpretiert. Gestrichen ist beispielsweise aus dem Liederbuch das Marschlied „O, du schöner Westerwald“, das für Generationen von Soldaten als Ausdruck von Zusammengehörigkeit gegolten hat. Auf dem Neujahrsempfang der Kreisgruppe Mittelfranken-Süd des Deutschen Reservistenverbands, ging es aber nicht vorrangig um die Kritik an dieser Entscheidung, vielmehr um die Rolle des Militärs in der Gesellschaft und ihr internationales Engagement. „Was die Bundeswehr im Ausland geleistet hat, auf das müssen wir stolz sein dürfen“, erklärte Tobias Zech, der Vizepräsident des Bundesverbands.
Der Repräsentant des Verbands, in dem 120000 Mitglieder in 2500 Gruppen organisiert sind, war von 2013-2017 CSU-Abgeordneter des Bundestags und steht heute als Manager im Dienst von Airbus. Er war acht Jahre als Gebirgspionier bei der Bundeswehr. Vor mehr als 150 Gästen des Neujahrsempfangs in der Veranstaltungsscheune des Gasthauses Vogt äußerte sich Tobias Zech auch zur Frage, wie die Bundeswehr heute mit dem Veteranenbegriff umgehen soll. Seit dem letzten Jahr gilt: Veteran ist jeder Soldat, der ehrenvoll aus der Truppe entlassen wird. Es wird nicht unterschieden, ob er im Einsatz war oder nicht. „Jeder, der in der Uniform einen Schaden erlitten hat, muss die gleiche Fürsorge erhalten“, erklärte der 37-Jährige aus Garching an der Alz, der die Praxis anderer Länder als Vergleich heranzog: „Dort werden Soldaten, die aus dem Dienst im Ausland zurückkehren, öffentlich begrüßt.“
Der Sicherheitspolitiker beklagte, die Bundeswehr werde im Inland kaum mehr wahrgenommen. Eine Reaktivierung der Wehrpflicht hält Zech aber nicht für möglich. Für wünschenswert hält er jedoch eine allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen: „Es schadet niemandem, ein Jahr im Leben etwas an den Staat zurück zu geben.“ Die Reduzierung der Bundeswehr von 500000 auf 200000 Soldaten habe die Truppe nicht unbedingt effektiver gemacht: „Wir sind heute beispielsweise nicht mehr in der Lage, größere Truppentransporte zu koordinieren.“ Der Bundeswehr, die jedes Jahr an die 30000 Männer austauschen müsse, fehle der Nachwuchs. Eine Trendwende sei notwendig, um die Einsatzfähigkeit der Truppe zu gewährleisten.
In einer veränderten Nato-Struktur müsse Deutschland mehr Verantwortung übernehmen, betonte Tobias Zech in seiner frei vorgetragenen und rhetorisch geschliffenen Rede: „Wer glaubt, wir seien ohne unsere Nachbarn verteidigungsfähig, der irrt. So gibt es keine Abschreckung.“ Eine stärkere europäische Verzahnung müsse aber nicht zwangsläufig zu einer europäischen Armee führen. „Unsere Zukunft ist Europa“, so der Stabsunteroffizier der Reserve, „und die müssen wir als Uniformträger mit Leben erfüllen“.
Zech setzt dem Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche die bayerische Idee eines Landesregiments entgegen, um die ehemaligen Soldaten sozusagen bei der Stange zu halten. Viele ihrer früheren Einheiten gebe es nicht mehr, sie hätten keinen Heimatstab mehr. Dem entgegenwirken soll ein bayerisches Pilotprojekt, das den Reservisten mehr Attraktivität verspricht. Zech findet: „Wie die Welt und die Bundeswehr, so müssen auch wir Reservisten uns verändern.“
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