Ferdinand Karl Holzinger alias Ferdinand Rodenstein
Ein Autor von pornografischen Geschichten – das hat der Stadt gerade noch gefehlt. Nun, es geht nicht um eine tagesaktuelle Nachricht oder die Aufdeckung eines Sexskandals im Gunzenhausen heutiger Tage. Ferdinand Karl Holzinger lebte im 20. Jahrhundert, allerdings nur die ersten zwanzig Jahre in der Altmühlstadt. Dann kam er auf der Suche nach einer schriftstellerischen Karriere auf die schiefe Bahn, wurde kriminell und starb 1938 als gescheiterte Gestalt in Leipzig.
Ein Lebensbild des Produzenten pornografischer Literatur zeichnet in der neuen Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“, der Publikation des Vereins für Heimatkunde, der Berliner Medizinwissenschaftler Prof. Dr. Florian G. Mildenberger, der an der Viadrina in Frankfurt/Oder lehrt. Ganz klar: in der literaturhistorischen Forschung spielt der gebürtige Gunzenhäuser keine Rolle.
Am 31. Januar 1881 als Sohn der ledigen Näherin Margarethe Holzinger und eines namentlich nicht bekannten Wanderschauspielers in der einstigen Eisenbahnwirtschaft (heute: Moschee in der Ansbacher Straße 2) geboren, hatte er keine günstige Sozialprognose. Dennoch wurde ihm der Realschulbesuch ermöglicht. Kaufmann aber wollte er nicht werden. Er unternahm erste schriftstellerische Versuche bei Dichterlesungen in den Sandhöhlen des Weinbergs, suchte sein Glück in der Großstadt. Schnell geriet er auf die schiefe Bahn. Raum, Erpressung, Unterschlagung und Betrug, dazu Hausfriedensbruch, führten ihn schon bald ins Gefängnis. Er zog nach Dresden, wo er ebenfalls durch Straffälligkeit auffiel und hinter schwedischen Gardinen landete. Künftig schrieb er Gedichte, Theaterstücke (von denen aber keines aufgeführt wurde), Märchen und Dorfgeschichten unter dem Pseudonym Ferdinand Rodenstein. Die Schiller-Stiftung lehnte seinen Stipendienantrag ab. In Leipzig fand er in dem Vollraths-Verlag eine Plattform zur Verbreitung der Sexualsphäre, die bis dato von „erbarmungsloser Langweile“ war, wie Autor Florian Mildenberger feststellt. Seine Karriere als Verfasser von pornografischen Novellen wurde jäh unterbrochen, indem ihn Kritiker als Schwindler demaskierten und er folglich für ein Jahr und drei Monaten in den Knast musste. Danach geriet er nicht zuletzt durch seine Flucht in den Alkohol in eine Lebenskrise, musste in eine psychiatrische Heilanstalt zwangseingeliefert werden, wo man ihm dem Stempel „gemeingefährlich“ aufdrückte. Inzwischen hatte er 29 Verurteilungen hinter sich, also ein ansehnliche kriminelle Karriere.
Der „Herr des Unterliebs“ (Mildenberger) musste sich in der NS-Ära wegen unzüchtiger Schriften verantworten. Seine Titel landeten in der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ (1933). Als er sich dann auch noch an einem achtjährigen Mädchen aus der Nachbarschaft vergriff und zwei Jahre und sechs Monate absitzen musste, markierte das seine Ausweglosigkeit. Nur drei Wochen nach seiner Entlassung starb er in Leipzig, wo er sich zuletzt mit seiner 1931 geehelichten Frau Elisabeth aufgehalten hatte. „Zur Vernichtung freigegeben!“ Diesen Stempel der Nazis trugen seine Schriften.
Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ ist im Buchhandel für 15 Euro erhältlich.
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