Reichtum ohne Gier

Bemerkenswertes Buch von Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Deutschen Bundestag und attraktives Aushängeschild der Partei, mag dem politischen Beobachter lange Zeit als die „rote Sarah“ suspekt gewesen sein, aber vermutlich wird er sein Pauschalurteil korrigieren, wenn er ihr jüngstes Buch „Reichtum ohne Gier“ liest. In ihm lädt sie zu einem volkswirtschaftlichen Seminar ein, aber keinem, das strotzt vor Fremdwörtern und Fachbegriffen, sondern eine verständliche Auseinandersetzung mit der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung ist.

Sie findet, dass die europäische (nicht nur die deutsche) Gesellschaft den Stempel „Sackgasse statt Innovation“ verdient.  Ein Beispiel: In nur 88 Minuten bestrahlt die Sonne die Erde mit 470 Exajule. Das ist soviel wie die ganze Menschheit das ganze Jahr an Energie verbraucht.  Könnten wir nur ein Zehntelprozent der Sonnenenergie einfangen, ergäbe das sechsmal so viel Energie wie die Weltwirtschaft heute benötigt.  Wir müssten nur 20 Prozent des Windes nutzbar machen, um siebenmal soviel Elektrizität zu gewinnen wie die Weltwirtschaft heute benötigt. Es sind Zahlen wie diese, die den Leser nachdenklich machen.

Die Wirklichkeit sind anders aus. Der deutsche Energiemix schleudert mehr Kohlendioxyd in die Luft als vor der grünen Energiewende.  Die streitbare Linke sagt: „Mit staatlichen Subventionen werden Öko-Glücksritter reich gemacht anstatt die Entwicklung grüner Technologie voranzutreiben.“  Derzeit aber wird nach ihrer Meinung innovative Technologie nur dann entwickelt, wenn sie extrem hohe Renditeerwartungen erfüllt. Sie ärgert sich, dass die Weltunternehmen heute  ihre Gewinne mehr durch Finanzmanipulationen machen als durch Innovation und sie sich immer neuer Tricks des internationalen Steuerbetrugs bedienen.

Sahra Wagenknecht, die in Volkswirtschaft promoviert hat, wird heute von der Politikerkaste als eine Frau ernst genommen werden, die weiß, vorüber sie redet (und schreibt). Sie genießt reichlich Reputation über die Parteigrenzen hinweg. Peter Gauweiler von der CSU, steht nicht im Ruf, ein Linker zu sein, aber er räumt ein: „Die Autorin beherrscht die Kunst des klaren Denkens.“ In ihrem Buch erklärt sie selbst schwierige Zusammenhänge verständlich und so wird die Lektüre zu einem Vergnügen für alle, die kein Volkswirtschaftsstudium hinter sich haben.

In ihren politischen Grundpositionen  ist sie gefestigt. Sie ist dagegen, dass der Staat immerzu nur die Risiken trägt, den Unternehmen aber die Renditen garantiert werden. Die Privatisierung von ehemals staatlichen Leistungen hat ihrer Meinung nach den Abzockern in die Hände gespielt. Und sie sagt ganz klar: „Eine Staatsform, die aus einer Wirtschaft erwächst, in der wirtschaftliche Märkte von wenigen privaten Monopolisten beherrscht werden, ist nicht die Demokratie, sondern die Oligarchie.“

Wettbewerb und Kapitalismus sind nach ihrer Lehre ein Widerspruch. Sie wendet sich gegen eine Wirtschaftsordnung, in der  leistungsloses Kapitaleinkommen  dominiert. Dass Wettbewerb nicht gewollt ist, das liegt nach ihrer Ansicht klar auf der Hand, denn im Wettbewerb fallen Gewinne dem Konkurrenzkampf zum Opfer. Das Schlagwort  „Die Unternehmer brauchen den Kapitalismus“ liegt, so Dr. Wagenknecht , völlig daneben und ist ein großer Irrtum. Die Unternehmen würden wegen des schwierigen Zugangs zum Kapital eher in ihrer Entfaltung und Entwicklung behindert. Sie wählt in ihrer „Vorlesung“ den Begriff der „Inklusiven Gesellschaft“ als dem Gegenteil der kapitalistischen Gesellschaft. Durch die Ausschaltung von Konkurrenz, also dem Wettbewerb, werde es leichter möglich, leistungsloses Einkommen zu erzielen.  Solange möglichst hohe Renditen der Maßstab allen Wirtschaftens sei, werde auch die Digitalisierung den Menschen nicht von Mühsal und Stress befreien und ihm ein gutes Leben bringen. Ihr Horrorbild besteht darin, dass heute aus Postboten und Taxifahrern wie früher aus den Bergarbeitern verzweifelte Langzeitarbeitslose werden. Daraus folgert sie klar: „Es sind die Strukturen der kapitalistischen Wirtschaft selbst, die uns daran hindern, den technologischen Fortschritt zu unser aller Wohl zu nutzen.“

Wagenknecht, die von 2004 bis 2009 dem Europäischen Parlament angehörte,  strebt in ihrem wirtschaftspolitischen  Zielvorstellungen das Modell einer „Mitarbeitergesellschaft“  und „Gemeinwohlgesellschaft“ statt der Kapitalgesellschaft an. Ganz konkret fordert sie ein „Entflechtungsgesetz“, um die Konzentration wirtschaftlicher Macht zu begrenzen.  Das hatte übrigens der FDP-Wirtschaftsminister Reiner Brüderle auch schon gewollt, ist damit aber gescheitert.  Auf Wagenknechts Agenda steht eine neue Wirtschaftsordnung, die es ermöglicht, Wohlstand im Einklang mit der natürlichen Umwelt zu produzieren.                                               WERNER FALK

„Reichtum ohne Gier“ von Sahra Wagenknecht; 292 Seiten, ISBN 978-3-593-50516-9, Campus-Verlag, 19,95 Euro.

 

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