Die Cliquenwirtschaft blüht im Iran

Abkömmlinge der Oberschicht sind verdorben, sagt Autorin Charlotte Wiedemann

Autorin Charlotte Wiedemann. Foto: dtv-Verlag

Wohin steuert der Iran? Die Antwort darauf wird so leicht niemand geben können. Auch Charlotte Wiedemann, die Autorin des Buches  „Der neue Iran“ (der Falk-Report hat es am 9. März 2017 vorgestellt), ist im Grunde ratlos. Immerhin ist sie eine gute Kennerin des Landes. „Auf kurze Sicht lässt sich nicht prognostizieren, wie es weiter geht“, räumt sie ein. Sie zeichnet das Bild einer zerrissenen Nation, in der sich eine neue Kaste von Wohlhabenden etabliert hat, der ein Millionenheer von Armen gegenübersteht.

Derzeit erscheint vieles widersprüchlich, was im Iran abläuft. Die Medienkonsumenten im Westen bekommen allerdings nur ein sehr unzureichendes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen im Iran vermittelt. „Es wird ins Abstruse überzeichnet“, klagt die Autorin. Wirklichkeit aber ist, dass nach Aufgabe der westlichen Sanktionen sich eine Gesellschaft herausschält, in der die Menschen um Einfluss und Macht ringen und knallhart ihren wirtschaftlichen Vorteil suchen. Wiedemann sagt, dass 80 Prozent der Oberschicht-Abkömmlinge verdorben sind. Jeder fragt: Was nützt mir?

Charlotte Wiedemann glaubt, dass das derzeitige System bleiben wird, denn es gibt keine Alternative dazu. Jedenfalls ist bisher keine erkennbar. Das Regime hat die gewaltigen Veränderungen, die das Internet auch im Iran mit sich gebracht hat, recht gut überstanden. Wenn es in der Gesellschaft auch viele Unzufriedene gibt, so sind sich nach ihren Erkenntnissen die Iraner stolz auf ihre derzeitige Unabhängigkeit und Eigenständigkeit von ausländischen Mächten. „Das ist die Fahne, der alle hinterher laufen“, sagt die Publizistin. Auf den Willkürapparat, der praktisch in allen Lebensbereichen zu spüren ist, sind zwar alle sauer, aber niemand hat ein alternatives Konzept. Der Islam ist nach ihrer Feststellung oft nur eine Hülle unter der die Cliquenwirtschaft der Neureichen gedeiht. Der Konsum, die Statussymbole und die Mittelklasse-Atribute sind den Profiteuren wichtiger als alles andere. Die Armen sind in der oberflächlich-religiösen Gesellschaft die Benachteiligten. Sie können nur passiv zusehen, wie sich Reiche und Einflussreiche Macht und Wohlstand aufteilen.

Um die Entwicklung des Irans zu verdeutlichen, lässt sie einige Zahlen sprechen. Im Land sind an die 400 Shoppingmalls in der Planung oder im Bau. Die Menschen leben ungesund, sie essen zu fett und zu viel Fast Food. Hoch im Kurs stehen die Westmarken in den Läden der Luxusmalls. Nach einem Bericht der Weltbank und der Vereinten Nationen hat sich die Bevölkerung seit der Revolution 1979 verdoppelt. 73 Prozent der Iraner leben heute in Städten, das sind doppelt so viele wie vor 1979. Immerhin: der Anteil der Analphabeten ist von 60 auf zwei Prozent zurück gegangen. Die Lebenserwartung der Männer liegt bei 76 Jahren, die der Frauen bei 81 Jahren. Von den 18-24-Jährigen studieren rund 50 Prozent, über 60 Prozent der Studenten sind junge Frauen.  Das bargeldlose Bezahlsystem ist viele weiter als in Deutschland. Nahezu jeder Erwachsene hat ein Smartphone.

Wenn auch niemand sicher sagen kann, wie der Weg des Iran weiter geht, so glaubt Charlotte Wiedemann fest daran, dass die Iraner in die Dunkelheit, in der sie über Jahrhunderte gehalten wurde, nie wieder zurückkehren werden.

WERNER FALK

„Der neue Iran“ von Charlotte Wiedemann, dtv-Verlag, ISBN 978-3-423-28124-9, 22 Euro.

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