Dr. Wolfgang Gerhardt: Mehr Gegenputsch als Rechtsstaat
„Es gibt genügend Menschen, die Allah oder Gott verehren, aber darauf verzichten, selbst Allah oder Gott zu spielen.“ Das schreibt Dr. Wolfgang Gerhardt, der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, zur Entwicklung in der Türkei. Dort hat Präsident Erdogan 2000 Richter des höchsten Gerichts suspendiert oder in Verwahrung nehmen lassen, daneben noch Tausende von Beamten entlassen, die er verdächtigt, hinter der dem Militäraufstand gestanden zu haben. Wer den Putsch als „Geschenk Allahs“ bezeichne, der scheine geradezu auf ihn gewartet zu haben. „Das sieht mehr nach einem Gegenputsch als nach Rechtsstaat und Besonnenheit aus“, erklärt der FDP-Politiker in der neuen Ausgabe von „liberal“ (Debatten zur Freiheit).
Nicht alle Menschen, die sich ihre persönliche Lebensführung von Machthabern bestimmen lassen, sind Separatisten oder Terroristen, meint der Politiker, der dem türkischen Präsidenten vorhält, das Land in Gestalt einer Ich-AG zu führen. Die Türkei müsse zunächst mit ihren inneren Spannungen fertig werden. Diese könnten nicht durch eine EU-Mitgliedschaft beseitigt oder gelindert werden, „jedenfalls nicht jetzt und auch nicht in absehbarer Zeit“. Das auszudrücken verlange der gesunde Menschenverstand. Mit dieser Meinung trifft Dr. Gerhardt wohl die Stimmungslage der meisten Deutschen, die nicht einsehen wollen, dass sich die deutsche Regierung von dem „Osmanen“ gängeln oder gar verarschen lassen muss.
Dr. Gerhardt sagt zum Brexit-Beschluss der Briten nun sollten sich die verbleibenden 27 Staaten nicht mit einer Art von Freihandelszone zufriedengeben, sondern engagiert für ein Zivilisationsmodell eintreten, das den Rechtsstaat und die Marktwirtschaft als unabdingliche Faktoren für Europa verlangt. Europa dürfe jedenfalls nicht zu einem „ökonomischen Gebilde ohne Eigenschaften“ werden, wie dies der Historiker Heinrich August Winkler formulierte.
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