„Samstagsexkursion“ des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen
Für viele Menschen hat der Hesselberg – mit 689 Metern die höchste Erhebung Mittelfrankens – eine geradezu etwas Mystisches an sich. Freilich: als „Heiligen Berg der Franken“ überhöhten ihn die Nationalsozialisten, die von 1926 bis 1939 den Berg für ihre Ideologie vereinnahmten. Dass er aber noch mehr Facetten hat, das ist bei einer Wanderung mit dem Ehinger Hans Spatz zu erfahren. Die Mitglieder des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen waren mit ihm drei Stunden unterwegs.
Die sechs mal vier Kilometer große Erhebung prägt die Landschaft im westlichen Mittelfranken. Der Hesselberg gehört zu den hundert schönsten Geotopen in Bayern und sein Gesteinsaufbau ist dem des „Walberla“ vergleichbar. Er war schon immer Pilgerstätte. So wurde 1803 der preußische König Friedrich Wilhelm III. von etwa 20000 Menschen empfangen. Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und dem Erwachen des deutschen Nationalbewusstseins war der Hesselberg Schauplatz vaterländischer Feiern. Turner- und Sängerfeste lockten die Menschen hinauf zum Bergwirt Karl Holzöder, einer lebenden Legende.
1926 kam einer erstmals, der Furore machte im aufziehenden nationalsozialistischen System: Julius Streicher, der fränkische Gauleiter aus Nürnberg. Im großen Stil zog er die „Frankentage“ auf dem Hesselberg auf, zu dem bis zu 100000 Menschen anreisten. 1938 rollten beispielsweise 48 Sonderzüge nach Wassertrüdingen. Fanfaren, Spaliere und ein Meer von Hakenkreuzfahnen markierten den Berg, sogar ein „Hesselberglied“ erklang. Im Altmühl-Boten kündigte sich der „Frankentag“ vier Wochen lang publizistisch an (122 Berichte). Der Gunzenhäuser Kunstmaler Michl Hertlein hielt die heroische Manifestation in vielen Bildern fest.
Ein gigantisches Hakenkreuz aus Kalksteinen war lange Zeit am Südhang zu sehen. Nach den Plänen der Nationalsozialisten sollte der Hesselberg zu einer „Thingstätte“ des Dritten Reiches werden. Geplant war hier eine von zehn Adolf-Hitler-Schulen im Reich zur Heranbildung des Parteinachwuchses. An die 700 Menschen (Schüler und Betreuer) sollten hier ihren Platz finden. Die Tatsache, dass Julius Streicher bei der Partei in Ungnade fiel und 1939 der Krieg begann, verhinderten das riesige Bauprojekt. Im Waldstück „Schwarze Fichte“ wurden lediglich drei Unterkunftsbaracken, ein Verwaltungsgebäude sowie ein hölzerner Turm erstellt. Und aus Streichers Plan, sich ein kreisrundes Mausoleum mit 120 Meter Durchmesser sowie einen Park mit 40 Meter hohen Gestalten der Heldenmytologie zu errichten, wurde ebensowenig realisiert wie die Ehrenhalle, das Krankenhaus oder das Hesselbergmuseum.
Eine Beziehung zum Hesselberg haben auch die Segelflieger, denn hier war ab 1934 eine Segelflugschule, geleitet von dem Gunzenhäuser Eugen Wagner. Nach dem Krieg gab keine Segelflugwettbewerbe mehr, aber bis heute sind Modellflieger und Hängegleiter auf dem Plateau anzutreffen. Eines der Gebäude diente in den Jahren 1940-42 als Lager für 250 ausgesiedelte Familien von Kärntner-Slowenen, später als Flüchtlingslager.
Wer heute vom Hesselberg spricht, der denkt an die „Landvolkshochschule“, die 1950 hier entstanden ist. Sie ist eine von drei Erwachsenenbildungseinrichtungen der evangelischen Landeskirche in Bayern und firmiert seit 2005 als „Evangelisches Bildungs-Zentrum“ (EBZ). Junge Christen kommen seit 1947 zu Freizeiten auf den Berg, der Kirchentag an Pfingsten zieht seit 1951 Tausende von Gläubigen an.
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