Vortrag von Prof. Barbara Rudnick aus Hannover in Synagoge Hainsfarth
Weitere Schritte der Umkehr und Erneuerung mit dem Ziel, zentrale theologische Lehren der Reformation neu zu bedenken und dabei nicht in abwertende Stereotype zu Lasten des Judentums zu verfallen, erwartet die Hannoveraner Religionswissenschaftlerin und Theologin Prof. Dr. Ursula Rudnick vom Reformationsjubiläum im nächsten Jahr. Auf einer Veranstaltung des Freundeskreises Synagoge Hainsfarth, der Evangelisch-Katholischen Erwachsenenbildung sowie der Oettinger Kirchengemeinde St. Jakob äußerte sich die namhafte Judaistin über Martin Luther, seine Judenfeindschaft und deren Folgen.
„Ja, er war ein Judenfeind.“ Die Referentin ging in ihrem Referat in der vollbesetzten Synagoge auf Luthers frühe Schriften („Von den Juden und ihren Lügen“, „Vermahnung wider die Juden“, „Wider die Sabbather“) ein, in denen er verlangte, die Christen von den Juden als den Helfern des Teufels zu bewahren. „Er zeigt sich als Demagoge“, sagte sie über den Reformator „und hat die jüdische Lehre als Blasphemie gescholten. Sein ursprünglicher Versuch, die Juden zum Christentum zu bekehren, sei fehlgeschlagen. Danach habe er sogar dazu aufgefordert, die Synagogen und Schulen in Brand zu stecken, die Häuser der Juden zu zerstören, ihnen „alle Betbüchlein und Talmudisten“ zu nehmen, ihnen das Geleit auf der Straße zu verweigern, den Wucher zu verbieten, ihnen „alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold“ zu nehmen und empfohlen, den jungen starken Juden „ Flegel, Axt , Karst, Spaten, Rocken, Spindel“ in die Hand zu geben , damit sie „im Schweiße der Nasen“ ihr Brot verdienten. Zu den Diffamierungen im Mittelalter gehöre auch die Darstellung der „Judensau“. Sie ist nicht nur in Wittenberg in Stein gehauen, auch in der Spalter Stiftsgasse 10 ist ein solches judenfeindliches Relief zu sehen.
Jüdisches Leben, so Prof. Rudnick, sei nicht aus Ausdruck von Gottes Strafe zu verstehen. Das Christentum sei nicht in einem grundsätzlichen Gegensatz zum Judentum zu definieren und von den jüdischen Auslegungen des Alten Testaments könnten auch Christen lernen. Die Wissenschaftlerin, die sich innerhalb der Evangelischen Landeskirche Hannover seit vielen Jahren mit dem Verhältnis von Christen und Juden befasst, konstatiert, dass sich die evangelische Kirche eigentlich erst seit 1984 ernsthaft mit den „wüsten Beschimpfungen“ des Reformators beschäftigt. Der Lutherische Weltbund habe Luthers Ansichten „weder gebilligt noch entschuldigt“. Und die EKD-Synode widme sich in einer Erklärung von 2015 den judenfeindlichen Aussagen: „Wir müssen uns fragen, inwieweit sie eine antijüdische Grundhaltung in der evangelischen Kirche gefördert haben“. Immerhin hätten sich etliche Landesbischöfe in der NS-Zeit in die Front des historischen Abwehrkampfs gegen die Juden gestellt. Im Jahr des Reformationsjubiläums 2017 könne die Kirche „an dieser Schuldgeschichte nicht vorbeigehen“. Die Tatsache, dass die judenfeindlichen Ratschläge Luthers für den nationalsozialistischen Antisemitismus in Anspruch genommen wurden, stelle eine weitere Belastung für die evangelische Kirche dar. „Luthers Sicht des Judentums und seine Schmähungen gegen Juden“, so die Judaistin, „stehen nach unserem heutigen Verständnis im Widerspruch zum Glauben an den einen Gott, der sich in dem Juden Jesus offenbart hat“.
„Richter zu spielen, das ist nicht unsere Absicht.“ Sigrid Atzmon, die Vorsitzende des Freundeskreises, pflichtete am Ende der Professorin in deren Aufforderung abei, den Antisemitismus permanent zu bekämpfen und das Verhältnis von Juden und Christen immer wieder neu zu gestalten.
In der einstigen Synagoge (im Hof wird gegenwärtig eine Mikwe, also ein jüdisches Frauenbad, restauriert) ist die Aussstellung „Martin Luther, seine Judenfeindschaft und ihre Folgen“ noch bis 27. April jeweils sonntags und mittwochs von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Gruppen können sich zu Sonderterminen anmelden (info@synagoge-hainsfarth.de).
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