Tagung mit Fachleuten und moderiert von Gisela Bock
Das soziale Gefüge verschiebt sich in der Stadt und auf dem Land. Der Anteil der alten Menschen an der Landkreisbevölkerung steigt. Sind heute 26000 über 65 Jahre, so werden es in zehn Jahren 32000 sein. Das Leben im Alter ist ein Thema, das die Menschen umtreibt. Und nicht nur sie. Die politisch Verantwortlichen suchen nach Antworten auf die Fragen, die ihnen die Demografie stellt. Auch die FDP im Landkreis. Sie hatte zu einem Expertengespräch in das Parkhotel „Altmühltal“ eingeladen – und 45 Gäste kamen und diskutierten. Als Quintessenz plädiert die FDP dafür, im Landkreis ein „Seniorenforum“ zu etablieren.
Es waren kirchliche Vertreter, darunter Dekan Klaus Mendel, und viele Repräsentanten von kommunalen und karitiativen Einrichtungen sowie die Seniorenbeiräte der drei Städte im Kreis, die dem Ruf von Günther Hagenheimer, dem Kreisvorsitzenden der Liberalen, folgten. „Wir wollen ergebnisoffen diskutieren“, so seine Vorgabe. Dorothee Bucka, die Leiterin der Freiwilligenagentur des Landkreises, Kreisrat Dr. Axel Peiffer, Bürgermeister Karl-Heinz Fitz, Dorothea Hoffmeister vom Nürnberger Vorzeigeprojekt „Olga“ und der Weißenburger Stadtrat Alexander Kohler nahmen zu den verschiedenen Facetten der Seniorenarbeit Stellung, und Gisela Bock aus Kempten, die Vorsitzende der „Liberalen Senioren in Bayern“ moderierte die Runde.
Günther Hagenheimer in seinem Einleitungsstatement: „Wir wollen die Leute hören, die nah am Ball sind, die Stärken und Schwächen benennen, die es gibt.“ Als allgemeines Ziel gab er vor, Unterstützungsstrukturen für ein selbstbestimmtes und würdevolles Altern im Kreis zu schaffen und FDP-Stadtrat Werner Falk konkretisierte es: „Wir wollen im Landkreis ein Seniorenforum analog dem Seniorenstammtisch initiieren, das jährlich zwei- oder dreimal tagt, um einen Gedankenaustausch zu pflegen.“
Dass der Kreistag bereits 2012 ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept verabschiedet hat und seither Seniorenbeauftragte quasi als Informationsgeber ausgebildet werden, das brachte Dorothee Bucka in Erinnerung. Es gebe vielerlei Bemühungen, die jüngste sei der Aufbau einer ehrenamtlich besetzten Wohnberatungsstelle. Noch im Februar beginne die Ausbildung von 17 Beratern.
Auf die unterschiedlichen Anstrengungen von kommunaler Seite ging Kreisrat Dr. Axel Peiffer ein, der einigermaßen zufrieden konstatierte: „In Muhr am See haben wir mit Supermarkt, Gemeinschaftsarztpraxis und Apotheke versucht, ein soziales Zentrum zu schaffen.“ Aus der Weißenburger Perspektive gibt es laut Stadtrat Alexander Kohler interessante Perspektiven: „Mit dem Diakonischen Werk wollen wir die baurechtlichen Voraussetzungen für ein neues Seniorenwohnzentrum schaffen.“ Geschäftsführer Norbert Ruffertshöfer sprach sogar von einem „Leuchtturmprojekt“. Zudem sei in Burgsalach aus einem ehemaligen Schulhaus eine ambulante Wohngemeinschaft entstanden, bald folge ein zweites Vorhaben in Bieswang. Allerdings schränkte der Diakoniewerks-Geschäftsführer ein: „Unser geplantes großes Projekt des Betreuten Wohnens in Weißenburg wird sich nicht jeder leisten können.“ Was für ihn ganz wichtig ist: „Die privaten und öffentlichen Bauherren müssen ein modernes Quartiersmanagement betreiben und stets barrierefrei planen.“
„Wir haben in Gunzenhausen einen Seniorenanteil von 29,5 Prozent, im Kreis sind es 26,5 und in Bayern 25,3“. Bürgermeister Karl-Heinz Fitz weiß, dass die Tendenz steigend ist. Viele Senioren hätten einfach Berührungsängste, die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch zu nehmen. Sie wollten nicht dem Staat zur Last fallen. Die Nachbarschaftshilfe in der Stadt laufe nach einem Jahr gut an. „Stark unterwegs“ sei Gunzenhausen hinsichtlich des öffentlichen Personennahverkehrs, also des Stadtbusses. 200000 Fahrgäste gebe es im Jahr, in Weißenburg hingegen nur 58000. Den Erfolg führt der Rathauschef auf den Halbstundentakt zurück. Positive Faktoren seien die Stadthalle als Veranstaltungszentrum, der Theaterbus, die Samstagskonzerte, die Falkengarten-Konzerte, das seniorenorientierte Kursangebot der Volkshochschule, der Wochenmarkt als gesellschaftlicher Treffpunkt, die Radfreundlichkeit („Mit dem E-Bike steigen mehr ältere Herrschaften aufs Rad“) sowie die gute ambulante und stationäre Pflege. Der Rathauschef hat erkannt: „In der stationären Pflege verringert sich die Nachfrage, wir werden deshalb mehr auf mobile Angebote setzen.“ Dazu gehöre die Tagespflege im Altenheim und eine enge Kooperation mit dem Evangelischen Krankenverein und den privaten Pflegediensten. Im Burkhard-von-Seckendorff-Heim würden künftig noch mehr Wohnungen für Rüstige eingerichtet. „Gut aufgestellt“ sei die Stadt hinsichtlich der ärztlichen Versorgung, vor allem genieße die Kreisklinik „Altmühlfranken“ einen guten Ruf. Jungen Ärzten in der Ausbildung stelle die Stadt unentgeldlich Wohnungen zur Verfügung, um sie zum Hierbleiben zu animieren. Ein Manko nannte der Bürgermeister auch: „Wir haben einfach nicht genügend Wohnungen für Familien, die zu uns kommen wollen.“ Die Stadt könne nicht als Investor im Wohnungsbau auftreten, deshalb müssten private Träger gefunden werden. Das Versprechen des Rathauschefs: „Wir wollen uns den Herausforderungen stellen.“
Von einem Projekt, das sich „Olga“ („Oldies leben gemeinsam aktiv“) nennt, berichtete Dorothea Hoffmeister aus Nürnberg. In der Nähe des Nordostbahnhofs haben elf Frauen ein alternatives Projekt zum Betreuten Wohnen gegründet, das heute bundesweit als Musteranlage gilt. Weil sich die meisten kein Wohneigentum schaffen konnten, wohnen sie dort zur Miete (6,80 Euro plus 1,38 Euro Nebenkosten). Die Seniorinnen managen sich selber, aber Hoffmeister sagt ehrlich: „Das ist nicht leicht, das kann ich Ihnen sagen!“ Sie verreisen zwar einmal im Jahr miteinander, aber gekocht wird daheim separat. Die Probleme lagen (und liegen) nach ihrer Darstellung wie so oft im Detail: „Weil wir eine GbR sind können wir kein gemeinsames Bankkonto eröffnen. Da ist noch viel zu tun.“ Die Hausgemeinschaft steht immer wieder vor Problemen; beispielsweise, wenn jemand gestorben ist und der Nachzug zu regeln ist: „Dann geht es zu wie bei Dieter Bohlen.“ Die lebenserfahrene Krankenschwester sagt: „Am besten ist es, den anderen so zu lassen wie er ist. Geduld und Toleranz sind ganz wichtig.“
Nach österreichischem Beispiel von der Subjektförderung (z.B. Wohngeld) auf die Objektförderung umzuschwenken, das rät Werner Seifert, der Vorsitzende des Gunzenhäuser Seniorenberats, dem Gesetzgeber. Noch immer gebe es beim Umbau zu senioren- und behindertengerechten Wohnungen zu viele behördliche Hindernisse. Er glaubt, dass die Regierungen die Probleme angesichts des wachsenden Flüchtlingsdrucks nicht mehr aussitzen können.
In der allgemeinen Diskussion sprach Jochen Loos die Notwendigkeit eines Hospizes an („einfach überfällig“) und kritisierte die für ganz Mittelfranken geförderten 26 Plätze (1,5 im Landkreis) als zu gering. Dass die ganz alten Menschen nur mehr zum Sterben in den stationären Bereich kommen, das wurde offen angesprochen, aber Martin Albrecht, der Geschäftsführer des Evangelischen Krankenvereins, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Hospizplanung eine neue Regelung schafft.
Die Vereinsamung der Senioren, die häufig beklagt wird, ist für Helga Horrer kein Thema. Auf dem Hof der Kreisbäuerin in Mischelbach leben drei Generationen. Sie sagt: „In der Gesellschaft ist die Toleranz verloren gegangen. Aber ich lebe sie jeden Tag und jede Nacht und ich schaffe das!“ Was ihr nicht behagt, ist, dass die Großfamilie im Vergleich zu anderen Familienmodellen keine Förderung erhält.
Moderatorin Gisela Bock aus dem Allgäu beneidet Gunzenhausen und den Landkreis: „Wir haben zwar seit zwei Jahren ein seniorenpolitisches Konzept, aber im Landratsamt kein Personal, um es umsetzen zu können.“ Die Seniorenbeauftragte des Landkreises Oberallgäu sieht auch das generelle Problem: „Wir reden zuviel über die Kosten, dabei gibt es viele ältere Menschen, die als ehrenamtliche Helfer der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen.“
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