Diese Frage beschäftigt die deutsche Öffentlichkeit
Die Flüchtlingsproblematik kann zur Zerreißprobe für die deutsche Gesellschaft werden. Wenn – wie prognostiziert – heuer 800000 Menschen nach Deutschland kommen, dann wird das Land in seiner Aufnahmefähigkeit getestet, aber was ist, wenn der Zustrom in den nächsten Jahren anhält und vielleicht in jedem Jahr eine Million Flüchtlinge kommen?
Experten sagen, die Hälfte von den 800000 werden bleiben. Sie sollen helfen, unser demografisches Problem zu lösen und unsere künftigen Renten finanzieren. Die optimistische Sicht: die Flüchtlinge gefährden nicht unseren Wohlstand, sie mehren ihn! Dahinter steckt die Prognose, dass bis 2050 etwa 14 Millionen Arbeitskräfte aus demografischen Gründen fehlen werden.
Unser System ist immer noch auf Abschottung ausgerichtet. Zu umständlich und langwierig ist das Aufnahmeverfahren. Erst nach eineinviertel Jahren dürfen Asylbewerber einen Job annehmen, und das auch nur, wenn es theoretisch (nicht praktisch!) keinen Bewerber aus Deutschland oder der EU gibt.
Experten schätzen, dass rund die Hälfte der Asylbewerber, die ins Land wollen, ungelernte Kräfte sind. Die Vergangenheit zeigt, dass es es 60 Prozent sind. Wir müssen sehen, dass es in Deutschland nicht genügend Fachkräfte gibt, wohl aber genügend Ungelernte. Jeder Fünfte von ihnen ist arbeitslos. Acht Prozent der Bevölkerung lebt von Hartz IV.
Können wir in den nächsten zehn Jahren zehn Millionen Menschen aufnehmen? Im Gegensatz zu allen Gutmenschen in Deutschland glaube ich, dass dies unsere Gesellschaft sprengen würde. Wir können den Vergleich mit den 12 Millionen Vertriebenen in den Nachkriegsjahren nicht immer heranziehen, denn es waren Deutsche, also Menschen aus dem gleichen Kulturkreis.
An der Hilfsbereitschaft der Deutschen wird die Aufnahme der Flüchtlinge nicht scheitern, obgleich natürlich auch die Helfer an ihre Grenzen gelangen, wenn der Strom weiterhin in diesem Maße anhält. Ganz sicher wird es notwendig sein, überzogene bürokratische Vorschriften außer Vollzug zu setzen. Selbst wenn die Mitarbeiter von karitiativen Einrichtungen, die Gemeinden, die Arbeitgeber wollten, sie werden in ihrer Hilfsbereitschaft durch tausenderlei Vorschriften ausgebremst. Wenn fremden Menschen Zugang zur deutschen Gesellschaft finden sollen, dann müssen Gesetze auf den Prüfstand gestellt werden.
Eines muss klar sein: Asylbewerber aus anderen Kulturen müssen die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Verhältnisse im Gastland Deutschland. Es kann also kein Muslime erwarten, dass ihm die deutschen Gastgeber den Gebetsteppich ausrollen, die Kindergärten ihre Speisepläne ändern oder die Schulen islamischen Religionsunterricht anbieten.
Immer wieder ist in der gegenwärtigen Diskussion zu hören, wir bräuchten in Deutschland ein Einwanderungsgesetz. Ich glaube, es wäre in der gegenwärtigen Situation wirkungslos angesichts von Hunderttausenden von Menschen, die oft unter chaotischen Umständen ins Land strömen. Soll etwa Deutschland Zäune an seiner Grenze errichten, um Eindringlinge abzuhalten? Das verbietet sich ganz einfach angesichts unserer geschichtlichen Erfahrungen. Und außerdem wäre so ein Verhalten inhuman. Es würde Deutschland in der ganzen Welt unmöglich machen und alles Vertrauen zerstören, das wir in den letzten Jahrzehnten gewonnen haben.
Es führt einfach kein Weg daran vorbei, die Lage der Menschen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu verbessern. Das hat schon vor zwanzig Jahren der damalige Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger gesagt und eine „Völkerwanderung“ prognostiziert. Genau so ist es jetzt gekommen. Die Menschen müssen – mit der Hilfe wohlhabender Länder – in ihrer Heimat in relativem Frieden ein Leben in Würde führen können, dann haben sie keinen Anlass, um massenhaft ihre vertraute Umgebung zu verlassen. Das ist meine Antwort auf die Frage, wie die Wanderungsbewegung kanalisiert werden kann.
Mir fällt in diesen Tagen auf, dass niemand von der UNO spricht. Die Flüchtlingsproblematik ist schließlich kein rein europäisches Problem, sie ist eine internationale Herausforderung. Die USA halten sich ebenfalls vornehm zurück, obgleich ihre Politik in vielen Fällen ursächlich für die jetzige Situation ist. Vom UN-Flüchtlingskommissar ist mir keine Äußerung bekannt, übrigens hat die deutsche Öffentlichkeit auch noch kein Wort von der deutschen Staatsministerin für Migration und Flüchtlinge, Aydan Özoguz, gehört.
WERNER FALK
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