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Nichts mehr wird so sein, wie es war!

Betrachtung der weltpolitischen Lage

Der Auftritt des amerikanischen Vizepräsidenten James David („JD“) Vance hat alle Befürchtungen der Europäer bestätigt: „Amerika first!“ ist die Parole der neuen US-Regierung unter Donald Trump. Seine Politik gleicht einer Dampfwalze, die rücksichtslos in Gang gesetzt wird. Verständigung mit Partnern – das war einmal, heute phantasiert er über die neue Weltordnung.  Die Nato-Partner werden brüskiert und es wird ihnen signalisiert, dass man von US-Seite aus kein Interesse mehr an einer gemeinsamen Strategie hat.

Autor Werner Falk war 28 Jahre Redaktionsleiter des Altmühl-Botens und ist seit 2014 für die FDP im Stadtrat und seit 2020 im Kreistag. Foto: Studio Formann

Diese Entwicklung ist nun schneller gekommen als die meisten Menschen in Europa nach der US-Wahl gedacht haben. Die Rede von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz war ein gewaltiger Einschnitt in das bisher gut funktionierende westliche Bündnis, eigentlich schon eine Zäsur.  Sie hat allen die Augen geöffnet. Die uns täglich aus Washington erreichenden Nachrichten zerstören die bisherige politische Struktur in Europa.  Das Agieren von Trump und Vance ist die Abkehr von einem Miteinander der politischen Kräfte des Westens. Darauf hatten wir stets vertraut. Die Politik von Trump sagt uns ganz einfach: Gut ist, was Amerika nützt! Es soll Vorteile geben für die amerikanische Seite – ohne Rücksicht auf die Partnerländer.  Zu diesem Zweck werden Deals angeboten, die aber keine gerechten Geschäfte sind.

Selbst bisherige Partner schauen in die Röhre. Ein erster Beleg dafür ist die Ukraine-Politik von Trump, die sich gar nichts schert und bisherige internationale Vereinbarungen. Der US-Präsident will mit der Ukraine buchstäblich kurzen Prozess machen. Er hat nicht das Selbstbestimmungsrecht des  von Russland überfallenen Landes im Sinn, sondern nur sein Interesse an einer wirtschaftlichen Ausbeutung des rohstoffreichen Landes.  Die Nachkriegsordnung kümmert Trump nicht, wenn er erst einmal mit Putin das Land aufgeteilt hat. Sie überlässt er großzügigerweise den anderen Nato-Ländern, die in der Summe bisher mehr für die Ukraine getan haben als die USA.

Was soll angesichts der neuen Lage aus Europa werden? Antworten darauf fallen augenblicklich schwer.  Wird es das Nato-Bündnis in einem Jahr überhaupt noch geben? Kann oder muss sich Europa zu einem neuen Verteidigungsbündnis ohne die USA durchringen?  Fragen über Fragen tun sich auf.

In der wirtschaftlichen Zusammenarbeit stehen die Signale ebenfalls auf Sturm. Die Ankündigung Trumps, hohe Zölle einführen zu wollen, künden davon, dass er von der europäischen Wirtschaftsordnung (und der Mehrwertsteuer) nichts hält. Es offenbart sich das totale Abhängigkeitsverhältnis Europas von den USA. Eine schnelle Kurskorrektur der europäischen Staaten als Antwort auf die Trump-Forderungen ist aktuell gar nicht vorstellbar.  Wie also kann die Zukunft aussehen? Trump will, dass mehr in den Vereinigten Staaten produziert wird – zum Leidwesen der europäischen Wirtschaft.  Es ist momentan verwegen, in Europa über eine neue Strategie (möglicherweise unter Einbeziehung von China) nachzudenken. Die chinesischen Führer laden zwar dazu ein, aber kommt Europa damit nicht vom Regen in die Traufe? Die aktuelle Handelsbilanz sagt alles. Der Import von chinesischen Produkten ist ohnehin schon groß genug.

Müssen die Europäer mit den Trump-Alleingängen leben? Eigentlich sind die Vereinigten Staaten demokratisch verfasst, ja sie waren für Deutschland immer ein Vorbild in Sachen Demokratie. Nun aber müssen wir erkennen, dass sich dort die Demokratie als Auslaufwerk („lahme Ente“) präsentiert.  Man fragt sich: Wo bleiben die demokratischen Kräfte? Gibt es den Senat  und das Repräsentantenhaus als „demokratische Instrumente“ noch? Fast könnte man aufgrund der Berichterstattung aus den Vereinigten Staaten annehmen, sie hätten sich aufgelöst. Was ist mit den oppositionellen Kräften? Was macht die Justiz? Wo bleibt die demokratische Ordnung  in der „größten Demokratie der Welt“, wie uns seit Jahr und Tag als Vorbild suggeriert wird ?

Es sind aufregende Zeiten, die vor uns stehen. Aber zunächst sind wir Deutsche gefragt, wie wir es mit unserer Demokratie halten. Ich will die Wähler der AfD nicht verteufeln. Sie sind die Summe einer großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den politischen Verhältnissen in Deutschland. Die AfD hat zweifellos einen Kern von Neo-Nationalsozialisten, aber die meisten ihrer Wähler sind klassische Protestwähler. Etliche Forderungen der AfD sind von der Sache her berechtigt, aber andere wiederum wollen eine andere politische Ordnung, eine Abkehr von demokratischen Strukturen, ein anderes Deutschland. Allein ihre Forderung, sich aus der Europäischen Union und deren umfassendem Netzwerk zu lösen, den Euro aufzugeben und zu einer nationalen Politik zurückzukehren, ist für unser Land katastrophal. Die Folgen einer solchen Politik würden am ersten am stärksten jene Mitbürger treffen, die heute am meisten von Europa profitieren. Nur: über Selbstverständlichkeiten wie die Reisefreiheit in Europa macht sich heute keiner mehr Gedanken. Und die jungen Männer? Wollen sie zum Wehrdienst, den die AfD für sie bereithält?  Wohl kaum.

Das im Grundgesetz verankerte individuelle Asylrecht gilt immer noch! Es betrifft jene Menschen, die in ihren Heimatländern in Bedrängnis geraten sind und sich vor Gefahren schützen wollen. Aber wir müssen nach vielen Jahren einer wohl nicht von allen richtig verstandenen Willkommenskultur erkennen, dass nicht alle Flüchtlinge, die zu uns kommen, „guten Willens“ sind.  Das verrät die gestiegene Kriminalitätsrate vorzugsweise in den Ballungsräumen. Es hätte längst die Ansage gelten müssen: Straftäter haben kein Bleiberecht! Ausländer, die nachweislich ein Recht auf Asyl haben, müssen wir aufnehmen und ihnen eine Chance geben. Schneller als bisher sollten wir sie nach individueller Prüfung in unsere Gesellschaft (und unseren Arbeitsmarkt) aufnehmen.  Viele Firmen in Deutschland, auch und gerade kleine Handwerksbetriebe, könnten heute nicht mehr ohne die Zuwanderer existieren. 

Es macht mich aber zornig, wen ich höre und lese, dass Familien, die sich in vielen Jahren in Deutschland integriert haben, deren Kinder in unseren Schulen beste Leistungen zeigen und die ihren Lebensunterhalt durch Arbeit selbst bestreiten, von einem Tag auf den anderen abgeschoben werden sollen. Es verwundert mich, dass Ausländerbehörden, die oft jahrelang die Zustände offenbar untätig hingenommen haben, plötzlich so aktiv sein können.

Jeder Wähler in Deutschland muss abwägen, ob sein Protest mit dem Stimmzettel die gewünschte Änderung bringt.  Im Blick haben sollten wir  immer die Regierbarkeit des Landes. Die war bisher immer gegeben, auch wenn die letzte Bundesregierung vorzeitig aufgegeben hat.  In der Bundesrepublik sind wir in den letzten siebzig Jahren mit den „etablierten Parteien“ ganz gut gefahren. Aber was bringt es dem Wähler, wenn es diese verlässliche Ordnung nicht mehr gibt?  Die Erfahrung zeigt, dass stabile Verhältnisse mit politischen Randgruppen schwer zu erreichen sind, vor allem, wenn sie eine Größe erreichen, die den politischen Konsens unmöglich machen.

Nach der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar, also in ein paar Tagen,  wissen wir mehr. Ich wünsche unserem neuen Bundestag – uns somit unserem ganzen Land –  eine stabile politische Basis, die es ermöglicht, eine Regierung zu bilden, die den Erfordernissen der Zeit Rechnung trägt. Wir haben in den letzten drei Jahren erkennen müssen, dass in den Grundzügen ganz unterschiedliche Partner nicht beständig und gut regieren können. Das sollte uns ein weiteres Mal erspart bleiben.

WERNER FALK

Gail war ein Rundfunkpionier

79. Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ ist erschienen

Vorsitzender Werner Falk (Mitte) und Schriftleiter Werner Mühlhäußer (rechts) präsentierten Bürgermeister KH Fitz die neue Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“. Foto: M. Grosser/StGun

Nun ist der Verein für Heimatkunde Gunzenhausen wieder in der Spur: Nachdem der Jubiläumsband 78 von „Alt-Gunzenhausen“ erst nach einer sechsmonatigen Verzögerung im Mai 2024 erscheinen konnte, gibt es das Jahrbuch 79 wieder zum gewohnten Zeitpunkt. Es hat wieder den seit Jahren gewohnten Umfang und enthält zehn Beiträge von neun Autoren. Ihnen gilt der Dank, denn sie sind nicht nur ehrenamtlich, sondern auch unentgeldlich für den Verein tätig. Ohne die finanzielle Unterstützung durch die Sponsoren wäre die Herausgabe nicht möglich. Deshalb dankt der Verein für Heimatkunde der Stadt Gunzenhausen, der Hirschmann-Stiftung,  dem Bezirk Mittelfranken, dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, der VR-Bank Mittelfranken-Mitte, der VR-Bank im südlichen Franken und der Vereinigten Sparkasse Gunzenhausen. Erhältlich ist der Jahrbuch für 18 Euro in den Gunzenhäuser Buchhandlungen.

Otto Willi Gail (Titelfoto) ist der Hauptbeitrag in der Publikation gewidmet.

 Zu den Beiträgen im einzelnen:

Stadtarchivar Werner Mühlhäußer blendet zurück auf die 1100-Jahrfeier der Stadt Gunzenhausen, die vom 12. bis 16. Juli 1924, also ein Jahr nach dem Inflationsjahr, begangen wurde. Aufgrund der Ersterwähnungsurkunde aus dem Jahr 823 wäre das Jubiläum eigentlich 1923 zu feiern gewesen. Doch durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit Hyperinflation und enormer Geldentwertung entschied der Stadtrat, die Feier 1924 abzuhalten. Sie wurde ein grandioser Erfolg mit geschätzten 18000 Besuchern.

Ebenfalls Werner Mühlhäußer bringt einen der prominentesten Söhne unserer Stadt, den Astronomen Simon Marius, in Erinnerung. Zugleich mit Galileo Galilei entdeckte Marius 1610 die vier größten Jupitermonde und publizierte dies in seinem Hauptwerk „Mundus Iovialis“ (1614). Schon zu Lebzeiten wurden Simon Marius, bedingt durch seine astronomischen Beobachtungen bzw. wissenschaftlichen Veröffentlichungen, mehrmals von seiner Geburtsstadt Gunzenhausen geehrt. Zeitgenössische wie auch spätere Ehrungen stellt Werner Mühlhäußer anlässlich des 400. Todesjahres von Simon Marius in den Fokus seines Beitrags.

Den Anfängen der Straßenbeleuchtung in Gunzenhausen nimmt sich Werner Neumann an. Er erinnert an die Jahre 1829-1865, als zunächst die Öllampen die wichtigsten Straßen einigermaßen ausleuchteten. Ein Fortschritt war 1864 die Errichtung des privaten Gaswerks („Errichtung einer Gasbereitungs-Anlage“) durch den Ingenieur Eduard Kaußler. Ausgehend von zunächst nur 18 Standorten erweiterte sich das Netz in den folgenden Jahren. Die Gaslaternen brannten jede Nacht . Einzige Ausnahme: bei Mondlicht wurde darauf verzichtet.

Eine umfangreiche Abhandlung mit dem langen Titel „Die Familie Rieter von Kornburg und Kalbensteinberg in Franken, Schwaben und Altbayern unter besonderer Berücksichtigung des Rautenwappens für die Linie Kalbensteinberg“ liefert Dr. Daniel Schönwald. Der stellvertretende Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Nürnberg ist in seiner Kalbensteinberger Heimat stark kirchlich engagiert. Er betrachtet die Verbindungen der Familie Rieter zum altbayerisch-schwäbischen Raum geht auf religiös-konfessionelle Gesichtspunkte ein. Seine Forschung hat ergeben, dass das weiß-blaue Wappen im Schild der Rieter keinen Bezug zu den Wittelsbachern herstellt und nicht dem Ruhm des Geschlechts dient, sondern reiner Zufall ist. Schönwalds Argumentation  wird von dem Nürnberger Historiker Peter Fleischmann gestützt, der von dem Ergebnis einer „erfundenen Traditionsbildung“ spricht, mit der die Rieter eine standesgemäße Herkunft inszenieren wollten, waren sie doch als Patrizier nicht so hochstehend wie die Nürnberger Familien Tucher, Imhof, Welser oder Stromer.

Unter den Kirchen in Altmühlfranken nimmt die St. Jakobuskirche in Neuenmuhr ein. Wie Pfarrer i.R. Günter L. Niekel dokumentiert, war sie sie ein evangelisches Gotteshaus von Anfang an. Sie wurde 1618 bis 1622 erbaut. Die drei runden Fassadentürme und der quadratische Hauptbau sind eine Besonderheit. Die Kirche ist seit 1831 in ihrem Bestand gleich geblieben.

Siglinde Buchner stellt die Familie von Buttendorf in Muhr vor, vornehmlich Hans von Butttendorf und seinen Sohn Georg, „gesessen zu Altenmuhr von 1405 bis 1430“. Der Eichstätter Bischof hatte 1417 die Veste Altenmuhr zum Lehen gegeben. Der Sohn musste den Ansitz 1430 an Konrad von Lentersheim verkaufen, denn er hatte sich hoch verschuldet.

Der umfangreichste Beitrag stammt aus der Feder von Manuel Grosser, dem Pressereferenten der Stadt Gunzenhausen. Er stellt Otto Willi Gail vor, der in der Fachwelt weithin in Vergessenheit geraten ist und von dem wohl die meisten Gunzenhäuser noch nichts gehört haben.  Der „fränkische Jules Verne  galt in seiner Zeit (1896-1956) als vielseitiger Schriftsteller, mutiger Prophet und interessierter „Raketennerd“.  Seine Eltern waren Georg und Susette Gail, die in der Bühringer-Straße 2 lebten, seine Großmutter war mit dem Gunzenhäuser Drechslermeister Johann Meder verheiratet.  1928 war er „Erster Reporter“ beim Rundfunk und beeindruckte mit seiner Fähigkeit, technisch komplizierte Zusammenhänge verständlich zu erklären. Der Sachbuchautor war Autor von mehreren utopischen Romanen („Der Schuss ins All“ ist der bekannteste Titel) die in 28 Sprachen und einer Auflage von 2,4 Millionen Exemplaren erschienen sind. Gunzenhausen hatte  er schon in jungen Jahren verlassen und danach weitgehend in München gelebt, wo er zweimal verheiratet war.

Auf das Schicksal der Jüdin Lina Levi aus Markt Berolzheim geht Daniel Burmann ein. Sie ist 1938 vertrieben und vier Jahre später im KZ Izbica (Polen) von den Nazis ermordet  worden. Sie war das achte Kind einer Handelsfamilie. Die Eltern starben früh und so musste sie mit drei Geschwistern in ein jüdisches Waisenhaus in Fürth. Daniel Burmann, der bereits zwei umfangreiche Bücher zur jüdischen Geschichte des Ortes veröffentlicht hat, empfindet es als ein „kleines Wunder“, dass ihm 80 Jahre später ein Foto von Lina Levi  zugänglich gemacht wurde und er damit seine Sammlung erweitern kann.

Werner Somplatzki, der ehrenamtliche Kreisheimatpfleger für Archäologie, versucht das Rätsel um eine Scheibe, die an einen König erinnert, zu lüften. Das vier mal acht Zentimeter große Teil einer Ofenkachel ist in der Falbenthaler Flur gefunden worden. Es dürfte kaum aus einem örtlichen Bauernhaus stammen, sondern eher aus dem Schloss Falbenthal, das 1642 von Johann von Leubelfing erbaut wurde. Figur, Wappen, Krone und Jahreszahl (1637) deuten darauf hin, dass es sich bei der Abbildung um den habsburgischen Kaiser Ferdinand III. handelt, der zugleich ungarischer König war.

Den Reigen der Beiträge schließt Werner Falk mit den „Gunzenhäuser Lebensbildern“ ab, indem er den Musikmeister Sepp Klier, den Pferdezüchter Fritz Schachner, den Sparkassenmann Karl  Fischer, den Philathelisten Hans Gundel, den Metzgermeister Erwin Gempel und den Bauamts-„Kapo“ Willi Federschmidt porträtiert.

WERNER FALK

Bibellektüre war gefordert

Dr. Joachim Schnürle porträtiert Pfarrer Christian Titius

Im Stadtarchiv Gunzenhausen befindet sich dieser Kupferstich von Christoph Titius.

Es war sein Anspruch: In jedem Haushalt soll regelmäßig die Bibel gelesen werden, am besten einmal im Jahr vollständig. Wie gut, dass Pfarrer Christian Titus im 17. Jahrhundert lebte, denn heutzutage würde er mit seinem Wunsch nur mehr unverständliches Kopfschütteln ernten. Er war von 1666 bis 1671 evangelischer Pfarrer in Laubenzedel.

Selbst den kirchengeschichtlich interessierten Menschen ist Titius nicht bekannt. Wer aber das neue Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ liest, der weiß mehr.  Autor Dr. Joachim Schnürle, Oberarzt am Sanatorium der Stiftung Hensoltshöhe, stellt ihn vor. Der Pfarrer hatte höchste pädagogische Ideale, schließlich war er – wie in jenen Zeiten üblich – nicht nur Geistlicher, sondern auch Lehrer.  Eine Gedenktafel an der Kirche in Laubenzedel erinnert an ihn.

Zwei Jahre hatte er auf eine Pfarrstelle warten müssen, weshalb er sich zunächst als Hauslehrer betätigte. Er stammte aus Wilckau bei Breslau (Schlesien), wo er 1641 in einem evangelischen Pfarrerhaushalt auf die Welt kam. Seine Mutter war Jüdin, die väterliche Linie aus dem Augsburger Bürgertum. Er besuchte das Magdalenen-Gymnasium, das bis zu seinem Ende 1945 zu den traditionsreichsten deutschen Gymnasien zählte.  Später wechselte er an das Egidiengymnasium nach Nürnberg. Im benachbarten Altdorf war damals die Universität, wo er Theologie studierte.

1666 war für ihn in zweifacher Hinsicht ein bemerkenswertes Jahr, denn er bekam die Pfarrstelle in Laubenzedel und er vereheliche sich mit Margaretha Hörauf, der Tochter eines Leipziger Ordinariatsbotens. Sie brachte zwölf Kinder auf die Welt. Nach seinem fünfjährigen Wirken in Laubenzedel kam er an die Pfarrei Henfenfeld im Nürnberger Land, 1685 als „Oberpfarrer“ nach Hersbruck. Er erreichte ein Lebensalter von 62 Jahren.

Wie die geistlichen Herren  vergangener Jahrhunderte war Titius ein begeisterter Freund der Pflanzen, aber noch mehr Zeit verwendete er auf sein poetisches Talent. Er dichtete Lieder, am Ende waren es sogar 54, von denen etliche in den kirchlichen Gesangbüchern jener Zeit abgedruckt waren.  Wichtig war es ihm, biblische Inhalte in einem Kalender zu vermitteln, der täglich gelesen werden konnte. Bibelkunde in Reimform – das war seine Vorstellung von der Vermittlung christlicher Inhalte. Auf diese Art sollten die Menschen die Bibel in einem Jahr komplett durchlesen können. Er wusste: Texte in Reimform bleiben besser im Gedächtnis. Zudem war das Bibelwissen grundlegend für die Bildung der Menschen im 17. Und 18. Jahrhundert.

WERNER FALK

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ ist für 25 Euro im Buchhandel erhältlich. 18 Autoren sind in dem 480 Seiten starken Werk mit 21 Beiträgen vertreten.

„Es war mir eine Ehre!“

Stadtrat verabschiedete Peter Schnell aus dem Amt des 2. Bürgermeisters

Bürgermeister KH Fitz verabschiedete Stadtrat Peter Schnell.

Peter Schnell hat 28 Jahre dem Stadtrat Gunzenhausen angehört. Er ist ein Urgestein der Grünen in der Altmühlstadt. Jetzt hat er aus gesundheitlichen Gründen den politischen Rückzug angetreten. Er hat sein Stadtratsmandat zurück gegeben und ist als 2. Bürgermeister ausgeschieden.

In der letzten Sitzung des Stadtrats würdigte Bürgermeister Karl-Heinz Fitz seinen Stellvertreter (seit 2020) als einen „sehr engagierten Grünen Realpolitiker“. Seit 1996 begleitete er viele politischen Initiativen in der Stadt. Zudem gehörte er zwei Jahre (1990 bis 1992) dem Kreistag Weißenburg-Gunzenhausen an. In Gunzenhausen gründete er die „Kulturmacherei“, einen Verein, der sich vor allem um die Kleinkunst bemüht.  Der jüdischen Dialoggruppe bleibt er weiterhin verbunden. „Ich bedaure sein Ausscheiden sehr“, sagte der Rathauschef.

Ein durchaus kritisches Fazit der Stadtratsarbeit zog Peter Schnell in seiner Abschiedsrede. „Dass der Respekt vor dem Amt des Stadtrats gelitten hat, finde ich nicht gut“, erklärte er. Seine Kollegen ermunterte er, trotz knappen Geldes die anstehenden Probleme gemeinsam durchzustehen.  Der ausscheidende 2. Bürgermeister fand abschließend auch ein Lob für die Verwaltung: „Wir können stolz sein auf die Mitarbeiter, sie gehören gelobt!“ Er sei stets zuvorkommend behandelt worden. Seinen Kollegen gab er mit auf den Weg: „Bitte zeigt keine Krämerseelen-Mentalität!“

Wer wird neuer 2. Bürgermeister?

Für den Ausgeschiedenen rückt auf der Grünen-Liste Hermann Meier aus Pflaumfeld nach. Er wurde von Rathauschef KH Fitz vereidigt. Erster Nachrücker wäre eigentlich Robert Karl, der frühere Leiter des Umweltreferats bei der Regierung von Mittelfranken, gewesen, aber er verzichtete auf das Amt.

Das Vorhaben des Bürgermeisters, am gleichen Abend auch die Neuwahl des Zweiten Bürgermeisters durchführen zu können, scheiterte indes. Mit 14:11 Stimmen votierte eine Mehrheit aus Grünen, SPD, Freien Wähler sowie Werner Falk (FDP) und Peter Reitmaier (Piraten) dagegen. Grünen-Fraktionsvorsitzender Herbert Gutmann begründete dies mit dem Wunsch, mehr Zeit für fraktionsübergreifende Gespräche zu haben.

Am 7. März ist nunmehr eine Stadtratssitzung mit einem einzigen Tagesordnungspunkt. Und der hat es in sich: „Feststellung einer Inkompatibilität des Stadtratsmitglieds und städtischen Mitarbeiters Herbert Gutmann“. Läge diese nach juristischer Prüfung vor, dann könnte der Grünen-Stadtrat nicht kandidieren, es stünde sogar sein Stadtratsmandat auf der Kippe. Gutmann ist nämlich als Kapitän der „MS Altmühlsee“ formal Mitarbeiter der Stadt mit einem entsprechenden Status im Sinne der Rechtstellung, wonach Vertreter der Exekutive (Beschäftigte) nicht zugleich Vertreter der Legislative (gesetzgebende Gewalt/Stadtrat) sein dürfen. Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang die juristische Interpretation durch die Rechtsaufsicht.