Gunzenhäuser Theaterspielzeit 2023/2024
Dass Lottogewinner mitunter die ärmsten Schweine sind, das wusste geneigtes Theaterpublikum möglicherweise bereits vor der rabenschwarzen Komödie „Nein zum Geld!“. Vorzeigeweltverbesserer Richard setzt dem Ganzen jedoch noch ein Krönchen mit Schleife auf, tritt er seinen 162 Millionen Euro-Gewinn doch gar nicht erst an. Seine Familie und den besten Freund informiert er praktischerweise erst nach Ablauf der Meldefrist davon. Die sind allesamt entsprechend fassungslos und „not amused“ – das neue Feindbild Richard bekommt den vollen Ärger der Unseligen ab. Es entwickelt sich ein rasant-lustiger Plot mit Überraschungen und Wendungen, die Jagd nach dem Geld oder Nicht-Geld nimmt im Laufe der Handlung immer groteskere Züge an. „Nein zum Geld!“ ist so typisch französisch wie der Eiffelturm und war damit ein gelungener Einstieg in die Gunzenhäuser Theaterspielzeit 2023/2024.
An dem jungen Familienvater Richard Carré scheiden sich die Geister. Auf den Spuren Mutter Teresas versucht er die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Ein erstrebenswertes Ziel, doch Familie und Freunde leiden darunter. Sein bester Kumpel Etienne, gleichzeitig sein Arbeitgeber, kratzt längst am finanziellen Ruin. Richards Architektenentwürfe sind zwar außergewöhnlich und visionär, werden jedoch ständig abgelehnt und Geld gibt´s dafür nicht.
Auch Ehefrau Claire hat zurückgesteckt. Sie sitzt zu Hause in der Sozialwohnung beim zwei Monate alten Baby, damit der Ehemann sich beruflich verwirklichen kann. Frust ist da vorprogrammiert, besonders, weil die Familie Carré am Hungertuch nagt. Dann gibt es noch die verwitwete Mutter Rose – die hält Sohnemann an der kurzen Leine und jagt jedem Mann nach. Geschichten davon bekommen Richard und Claire ungefiltert in ausgefüllten Bildern vorgesetzt.
Als Richard nun 162 Millionen Euro gewinnt, ist die Freude groß. Es lockt ein Leben ohne finanzielle Probleme, der eigentlich Glückliche sieht jedoch das Gesamtgefüge in Gefahr. An einem gemeinsamen Abend überbringt er die Botschaft. Geld macht bekanntlich nicht glücklich, er hat Angst vor der Macht und den Reaktionen der Mitmenschen. Seine Liebsten sehen das freilich anders, am Ende schrecken sie nicht einmal vor einem Mord zurück, um an die Kohle zu kommen. Plötzlich stellt sich nämlich heraus, dass der Lottoschein noch wenige Stunden einlösbar ist…
„Nein zum Geld!“ ist eines dieser Stücke, deren Inhalt sich eigentlich in fünf Minuten erzählen lässt, die Handlung jedoch mit Absurditäten gestreckt wird. Der Plot kommt schwer in Schwung, doch dann wird es furchtbar lustig. Selbstredend waren die post-pubertären Witze vor Jahrzehnten eventuell noch witziger. Die philosophischen Ausführungen Richards sind allerdings Gold wert und gefüllt mit Alltagsweisheiten. Mutter Rose (Kathrin Ackermann), Ehefrau Claire (Dorkas Kiefer) und Freund Etienne (Sebstian Goder) bei ihrem aussichtslosen Kampf gegen Richards (Pascal Breuer) Sturkopf zu beobachten, ist einfach herzzerreißend komisch. In der Ausnahmesituation zeigen sich die wahren Gesichter, alle drehen durch und normal ist bald die Ausnahme.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler agieren klasse, gerade Mama Rose zündet in ihrem kurzen Leopardenkleidchen ein Feuerwerk der guten Laune. Groß in Erinnerung bleiben, wird „Nein zum Geld!“ jedoch nicht, auch weil Tiefgang ein Fremdwort bleibt. Aber muss das überhaupt? Modernes Theater darf auch flüchtig sein, der Akzent liegt bei Werken wie diesem auf der Zelebrierung des Moments. Autorin Flavia Coste war sich dieser logischen Unlogik bewusst, verwebt sie doch Bausteine des klassischen Sujets. So bricht beispielsweise plötzlich der verloren geglaubte Lottoschein in die Handlung hinein, zwangsläufig denken wir an einen Deus ex Machina-Effekt. Auch die Auflösung am Ende, neudeutsch „der Twist“, passt letztlich zur traditionellen Komponente. Das Publikum soll was lernen und schließlich Erlösung finden.
Denn natürlich: Richard hat das Geld vor dem Abend bereits abgeholt, er wollte nur eine Reaktion seiner Liebsten herausfordern. Glücklicher wird er mit seiner Entscheidung wohl nicht sein, immerhin haben Claire, Rose und Etienne ihr wahres Gesicht gezeigt.
Am 4. November 2023 wird die Gunzenhäuser Theaterspielzeit um 19.30 Uhr mit „Der Graf von Monte Christo“ in der Stadthalle fortgesetzt. Nähere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.gunzenhausen.info.
Neueste Kommentare