Zuviele Dramen

Vom Zustand einer verunsicherten deutschen Gesellschaft

Werner Falk äußert sich zur gesellschaftlichen Situation in Deutschland angesichts der aktuellen Entwicklung im Zeichen von Corona, der Energiekrise und dem Ukrainekrieg..

Das Leibniz-Institut für Medienforschung hat etwas ermittelt, das Sorge machen muss: Die Hälfte der jungen Erwachsenen hält es nicht für wichtig, sich über aktuelle Ereignisse zu informieren. Für sie sind die verschiedenen Internetformate ausreichend, um sich ihr Weltbild zu formen. Nicht ganz so tragisch verhält es sich bei den älteren Jahrgängen, für die es noch zum Alltag gehört, ihre Nachrichten täglich aus der Zeitung, dem Rundfunk oder dem Fernsehen zu beziehen.

Im politischen Magazin „Liberal“ (4/2022) geht Autor Michael Hirz der Frage nach, was die Krisen-Schlagzeilen der letzten Jahre und Monate mit den Menschen machen. Der Atomreaktorunfall von Fukushima, die Energiewende, der Klimawandel, Corona, der Ukrainekrieg und die höchste Inflationsrate von fast zehn Prozent in Deutschland nach dem Krieg stürmen in täglichen Schlagzeilen auf Leser, Hörer und Seher ein. Die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts registrieren, dass sich vor allem die Jüngeren abwenden, nicht mehr zur Wahl gehen oder – auch das gibt es – rechtsradikale Formate bevorzugen. Die Medien spiegeln das Geschehen ab, aber sie stehen auch in der Kritik, zuviel Alarmismus zu betreiben.

Michael Hirz beschreibt die Situation so, wie ich sie auch sehe: „Klar ist, dass ständiger Alarmismus nervt. Der gelegentlich entfesselte Überbietungswettbewerb mancher Medien in Sachen Dramatik entwertet Journalismus, verunsichert und hinterlässt ein überreiztes Publikum, das sich irgendwann erschöpft abwendet. Am Beispiel der Corona-Berichterstattung lässt sich das geradezu  idealtypisch zeigen. Es gab kaum eine Außenseiterposition, die nicht als schrilles Angebot auf den Markt der Meinungen gebracht wurde. Das diente nicht der Aufklärung, sondern der Quote oder der Auflage – der Kollateralschaden war Verunsicherung. Auch der mediale Umgang mit Putins Angriffskrieg ermüdet, wenn statt Hintergründen und Fakten serielle Tankshows mit immergleichen Gästen und immergleiche Debatten kaum Ernkenntnisgewinn produzieren. Stattdessen stellt sich Über- druss ein, wenn sich der x-te zu Recht unbekannte Stratege zum weiteren Verlauf des Kriegs äußert.“

Es muss nicht allein die mediale Präsenz der großen Politik sein, auch in den regionalen und lokalen Medien setzt sich der Trend fort, das Geschehen am Beispiel von einzelnen Menschen darzustellen.  Der Human Dutch in den Berichten und Reportagen kann dazu führen, dass die großen Zusammenhänge verloren gehen und Einzelschicksale und Einzelmeinungen das Stimmungsbild ergeben.  Beispiel: die Lokalzeitung, die ihre Leser gebeten hatte, zu einem konkreten Thema ihre Vorschläge zu nennen, muss  enttäuscht registrieren, dass kaum solche Beiträge eingingen. Als Ersatz werden dann Einzelstimmen mit sonderbaren Vorschlägen veröffentlicht, die nur auf subjektiven Empfindungen beruhen. Sie haben aber keinerlei repräsentativen Charakter. Das verzerrt aber die objektive Wahrnehmung.

Wir erleben seit dem Frühjahr 2020 die Pandemie mit all ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft.  Corona ist überraschend auf die Menschheit eingeströmt und so ist es verständlich, dass die wirksame Bekämpfung der Krankheit ihre Zeit benötigt hat, um Gegenmaßnahmen zu entwickeln (u.a. Impfstoff). Aber medial ist doch der Eindruck verbreitet worden, die staatlichen Einrichtungen hätten alle versagt.  In jeder Fernsehsendung trat ein selbst ernannter Besserwisser auf – mit wissenschaftlichem Hintergrund oder auch nicht. Ich gehöre zu denen, die jetzt einen Übergang zum normalen Leben für richtig halten. Jeder soll sich schützen, wie er es für geboten hält (Mundschutz). Es gehört zur Lebenswirklichkeit, dass sich im Herbst und Winter die Krankheiten häufen. Wenn sich bei Menschen extreme gesundheitliche Auswirkungen zeigen, dann sind unsere Krankenhäuser gefordert- das war immer so.  Vielfach aber nimmt Corona heute (nach mehreren Impfungen und durchgestandenen Infektionen) einen der Grippe ähnlichen Verlauf.  Immerhin hat die Pandemie dazu geführt, dass die Löhne der Pflegeberufe endlich angehoben wurden und es weitere Bestrebungen gibt, sie attraktiv zu machen. Das war längst überfällig. Angesichts der heutigen Diskussion um staatliche Ausgaben für die Bundeswehr-Vitalisierung (100 Milliarden Euro) und die soziale Abfederung der Auswirkungen der Energiekrise infolge des Ukrainekriegs (200 Milliarden Euro) erscheinen die Ausgaben für die Pflegerinnen und Pfleger an unseren Krankenhäusern geradezu als Peanuts.

„Liberal“ ist das Magazin für die Freiheit. So der vollständige Titel der vierteljährlichen Publikation, die von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin herausgegeben wird.  Sie enthält eine große Themenvielfalt, die in kurzen Beiträgen von zum Teil renommierten Autoren behandelt werden. Beiträge aus Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Internationalem wechseln sich ab.

WERNER FALK

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Der "Falk Report" berichtet  monatlich aus dem Leben im Fränkischen Seenland (Altmühlfranken).

Die Beiträge kommen vom Herausgeber und von Gastautoren. Im Mittelpunkt stehen kommunalpolitische und gesellschaftspolitische Themen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist es mir wichtig, historische Beiträge zu veröffentlichen.

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One Thought on “Zuviele Dramen

  1. Heinz Rahm on 25. Oktober 2022 at 8:21 said:

    Verunsichert – jawohl! Zutiefst! Durch die Politik und den sogenannten „Mainstream“. Die „Mainstream-Medien“ tragen diesen Namen zu Recht. Ich selbst verzichte seit Jahren darauf, aus ihnen irgendwelche Informationen zu entnehmen. Zu nennen wären da ARD und ZDF, aber nicht nur diese. Von Ausgewogenheit oder gar Neutralität kann da keine Rede mehr sein. Das ist eigene, sehr persönliche Erfahrung, wirklich. Ebenso ist es bei den Parteien. Irgendwie doch ein Einheitsbrei nach dem System „die da oben, wir da unten“. Das merken in erster Linie die Leute aus der ehemaligen DDR, die erschreckende Parallelen erkennen, aber auch nur die Älteren, die das mitgemacht haben. Die Jüngeren merken nichts mehr, sie sind schon „eingelullt“. Die Verharmlosung, um nicht zu sagen die Verherrlichung des Krieges zur Zeit ist auch erschreckend. Ständig wird ein „Endsieg“ der Ukraine prophezeit und herbeigeredet, man verzeihe mir diesen unseligen Ausdruck aus unseligen Zeiten. Hier nur das Gute, dort nur das Böse, das ist doch zu primitiv. Soeben lese ich, dass die Demos im Osten für Friedensverhandlungen und Energiesicherheit in die „rechte Ecke“ im Zusammenhang mit Anschlägen gegen Flüchtlinge gestellt werden. Völlig absurd, geht aber alles bei uns, und fast keiner merkt es und fast jeder glaubt es auch noch. Hirnverbrannte Zeiten nenne ich das.

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