Julia Ebner erläutert, was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen
Julia Ebner, die Autorin des Buches „WUT“ (Theiss-Verlag), ist wissenschaftlich der Extremismus- und Terrorismusforschung verschrieben. Für die Österreicherin steht fest: Islamisten und Rechtsextremisten sind zwei Seiten der gleichen Medaille!
Die Autorin, die am Institute for Strategic Dialogue (ISD) London lehrt, führt den Extremismus vorrangig auf die Perspektivlosigkeit und Hoffnungslosigkeit zurück, die dann gegeben ist, wenn Menschen nichts mehr zu verlieren haben und denen jegliches Zugehörigkeitsgefühl fehlt. Sie sind für politische Verführer anfällig, lassen sich im äußersten Fall als „Rekruten des Terrors“ animieren und ihre Wut mündet im „heiligen Krieg“. Sie glauben der Dschihad sei cool. Tausende von vorwiegend jungen Leuten aus Europa sind schon diesen Weg gegangen.
Der Hass auf die Muslime erscheint der Wissenschaftlerin als eine Folge von „9/11“, also des Terroranschlags auf das World-Trade-Center in New York im Jahr 2011. Daraus sei eine antimuslimische und einwandererfeindliche Stimmung entstanden, folglich auch die Überfremdungsängste in den europäischen Gesellschaften. Globalisierung, Migrationskrise und islamistischer Terror seien in Kombination die Grundlage für die Radikalisierung der politischen Rechten, die gegen die „Erosion der westlichen Kultur“ wettert.
Eigentlich sieht Julia Ebner die extreme Rechte in Europa als führerlos und gespalten an – trotz der Wahlerfolge in verschiedenen Ländern. Dennoch sei sie stark. Sie wundert sich nicht über das Paradoxum, das darin besteht, dass die Rechtsextremen die Globalisierung als Wurzel allen Übels der nationalen Gesellschaften ansehen, aber dennoch ihren Gewinn aus der Globalisierung ziehen, indem sie ihre Ansichten global verbreiten können.
Einer, der mit seiner nazistischen Website „The Daily Stormer“ (also nach dem Vorbild des NS-Hetzblatts „Der Stürmer“) von der „Unausweichlichkeit eines Rassenkriegs“ spricht und meint, der „Endkampf um die Seele Europas“ habe begonnen, ist der Amerikaner Andrew Anglin. Er ist Ausdruck der amerikanischen Alt-Right-Bewegung, die sich zu einer starken jugendlichen Subkultur entwickelt hat. Die wiederum färbt auf die europäische Rechte ab.
Fest steht für die Wissenschaftlerin, dass die unkontrollierte Migration unter den Menschen die Ängste hervorruft. Sie nennt die materielle Unsicherheit (Parole: „Sie nehmen uns die Arbeit und Wohnungen weg“), die Sorge, dass die westliche Gesellschaft islamistisch werden könnte und die Besorgnis wegen der Terroranschläge. Ihre These: Wo Menschen sich als Opfer fühlen, da werden sie anfällig für rechtsextreme Parolen.
In den europäischen Gesellschaften konstatiert sie eine „Spielwende“. Und die sieht so aus: Wenn selbst jene Spieler mit den besten Karten nicht nach den vorgegebenen Regeln spielen, dann hören ihre Mitspieler mit den schlechteren Karten auf, an das Spiel zu glauben. Ihr Handeln äußert sich im Zulauf für autoritäre Typen wie Donald Trump, im Verständnis für den Brexit oder dem Anschluss an den IS. Islamismus und Rechtsradikalismus verstärken sich und schüren in verblüffend ähnlicher hetzerischer Rhetorik Hass und treiben einen Keil in die Gesellschaft nach der „Spielordnung“: Die eigene Gruppe wird zum Opfer, die andere zum Feind.
„Wut“ (Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen) von Julia Ebner; 336 Seiten, ISBN 978-3-8062-3701-6, Theiss-Verlag, 19,95 Euro.
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