Fürstliche Jagd im barocken Franken

Rezension von Prof. Dr. Wolfgang Wüst, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Landesgeschichte

Die lange Zeit verblasste, fürstliche Jagdleidenschaft ist in der gegenwärtigen kulturhistorischen Debatte um Symbole, (barocke) Repräsentation und um den politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Wirkungsgrad absolutistischer Herrschaft wieder salon- und anschlussfähig geworden.
Wer sich mit der Jagd – selbst mit der aus längst vergangenen Epochen – beschäftigt wird das Jagen, insbesondere wenn es sich um fürstliche Ambitionen handelt, als Bestandteil einer europäischen Zivilisations- und Kulturgeschichte betrachten müssen. Die Geschichte der Jagd war, wie Arno Störkel in seinem erstklassig bebilderten Grundlagenwerk zeigte, kein isolierter Zeitvertreib barbarischer, blutrünstiger und irregeleiteter Menschen, wie die amerikanische Autorin Joy Williams 1990 in „The Killing Game“ vorgab. Die an Ethnologie und SozialwissenschaftenStörkeljagd interessierte Publizistin sieht Jäger einseitig als perverse Spieler: „They kill for play, for entertainment. They kill for the thrill of it, to make an animal ‚theirs’“ . Jäger seien Natur- und Schöpfungsschänder, die man ganz grundsätzlich bestrafen sollte. Und Jäger sind Joy Williams charakterlich suspekt, ja sie sind „überaus gerüstet, unersättlich, bösartig und aufgeblasen. Sie verkrüppeln und verstümmeln und plündern. […] Jäger drehen durch. Sie verlieren die Nerven und wollen ballern! Sie wollen ihre Sturmgewehre benutzen und schaumiges Blut auf dem Farnkraut sehen.“ Auch wenn die Kritik an der Jagd in unserer, von den Produktionsquellen weitgehend entfremdeten Konsumgesellschaft, wie Jan E. Dizard jüngst in der Taschenbuchausgabe von „Hunters and Hunting“ aufzeigte, politisch korrekt geworden ist, so waren Jäger in historischer Perspektive doch Teil des territorialen, höfischen, kommunikativen und ökonomischen Systems.
Nicht alle waren im 17. und 18. Jahrhundert freilich mit den Leidenschaften jagdbesessener Regenten einverstanden. Anlässlich des Antrittsbesuchs des Bayreuther Markgrafen Friedrich (reg. 1735-1763) mit Wilhelmine beim Bamberger Bischof Friedrich Karl von Schönborn notierte die Fürstin im Winter 1735/36 in Pommersfelden in ihr Tagebuch: „Ich speiste an diesem und den folgenden Tagen allein mit meiner Schwester, unseren Hofmeisterinnen und zwei Geheimrätinnen aus Ansbach. Der Bischof und die Markgrafen“ – offenbar war auch Markgraf Carl Wilhelm Friedrich mit von der Partie – „gingen jeden Tag auf die Jagd und kehrten erst um fünf Uhr abends zurück. Ich langweilte mich sehr, da ich den ganzen Tag mit meiner Schwester, die mit mir schmollte, eingesperrt saß. Waren die Fürsten zurück, so versammelte man sich in einem Saale, um einer sogenannten Serenade beizuwohnen. […] Die Musik war miserabel; sechs Katzen und ebenso viel deutsche Kater zerrissen uns die Ohren mit ihrem Gesang. Vier Stunden musste man dies bei der größten Kälte aushalten.“ Lust auf Jagd macht dagegen Arno Störkels flüssig geschriebenes und zugleich mit 565 Endnoten wissenschaftlich gut belegtes Werk. Grundlage des von der Oberfrankenstiftung und der Bayreuther Sparkassen-Stiftung finanziell geförderten Buchprojekteses war ein großformatiger Jagdgemäldezyklus (19 Gemälde), der auf verschlungenen Wegen über Schloss Frankenberg bei Uffenheim in die Burg Zwernitz kam. Dort sind die Bilder, die im zweiten Teil des Buches vom Verfasser gut kommentiert und nach Vorbildern untersucht in Text und Bild vorgestellt wurden, seit 2011 als Dauerausstellung der Öffentlichkeit zugänglich. An dieser Stelle hätte sich der geneigte Leser eine konkretere Einordnung und Datierung der Maler dieser für die europäische Jagdgeschichte so wichtigen Darstellungen gewünscht, die im Übrigen auch authentische Blicke auf gezeigte Jagdschlösser und andere topographisch-regionale Besonderheiten gewähren. Der Würzburger Jagdexperte Dr. Arno Stöckel ist aber kein Kunsthistoriker!

Dazu aus der Zwernitzer Gemäldegalerie: Parforcejagd mit dem württembergischen Herzog Carl Eugen, gemalt von Johann Jakob Kleemann (1739-1790) oder einem seiner beiden Brüder Johann Wolfgang (1731-1782) und Christian Friedrich Carl (1735-1789), nach Kupferstich-Vorlagen von Johann Elias Ridinger (1698-1767).

Absolut lesenswert sind auch die im ersten Teil des Buches vorgestellten Jagdformen und die höfische Divertissements zur Sauhatz,  zur Falkenjagd, zu Kampfjagden und zum Fuchsprellen, zur Fuchsjagd  und Parforcejagd. Im Anschluss wurden die Jäger, ihre Hunde und Pferde vorgestellt. Die Falken und historischen Jagdhäuser und Hütten – soweit heute noch vorhanden – vermisst man an dieser Stelle.

Mein Fazit: Die fürstliche Jagd im barocken Franken aus der Feder von Arno Störkel wird für lange Zeit, gerade auch wegen ihres komparatistischen Bemühens unverzichtbarer Teil unserer bayerischen Kultur- und Landesgeschichte bleiben.

Arno Störkel: “ Fürstliche Jagd im barocken Franken“, Bayreuth 2012, 116 Seiten, zahlreiche Bilder, Verlag C. u. C. Rabenstein (Bayreuth), 24,80 Euro, ISBN 978-3-928683-47-0.

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