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Zu Fragen der Zeit

Politik in Deutschland muss Antworten auf drängende Fragen liefern

Müssen wir uns Sorgen machen um Deutschland?  Ja, ich glaube schon, denn zu viele Dinge laufen auseinander, führen zu Desorientierung der Menschen und folglich zu schlechten bis miserablen Bewertungen der Bundesregierung, der sie tragenden Parteien. Und auch die Opposition macht nicht die beste Figur, d.h. sie hebt sich sachlich und personell nicht ab.

Die Stimmung im Land ist so schlecht wie selten. Die Wirtschaft wächst nicht (im Gegensatz zu den anderen westlichen Industrieländern), die Menschen haben Abstiegsängste, die Ausgaben für Steuern, Sozialfürsorge und die Bürokratie sind nicht mehr zu bezahlen, auch die Straßen und Schienen sind in einem schlechten Zustand, Energie ist teuer und dann kommt auch noch das Gespött über die Bahn dazu.  Dabei wollen die Menschen stolz sein auf ihr Land, das in wirtschaftlicher Hinsicht über Jahrzehnte ein Vorbild war.

Die ungesteuerte Zuwanderung ist derzeit die höchste seit 2016. Viele Menschen sehen die Grenzen der Belastbarkeit Deutschlands erreicht. Die Gemeinden stöhnen, dass sie keinen Raum mehr haben für die Asylanten. Karl-Heinz Paque, der Vorsitzende der  FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, nennt in der neuesten Ausgabe von „liberal“ den „grünen Zeitgeist“, der das Land in Beschlag genommen hat.  Dahinter steckt der Anspruch, alles moralisch besser und ökologischer machen zu wollen, aber auch die Verteufelung des motorisierten Individualverkehrs und des Fleischkonsum – und jüngst die Vorschriften für die Bürger, wie sie heizen sollen. Die Menschen reagieren auf solche pädagogischen Appelle  inzwischen allergisch. Sie fühlen sich bedrängt und ständig gemaßregelt. Dazu kommt die Genderisierung und die mediale Aufwertung für die LGBT-Gruppen, die den meisten Menschen am Arsch vorbeigeht, denn nur 0,002 Prozent der Bevölkerung sind betroffen.

Das Flüchtlingsproblem ist ein Kern der kontroversen öffentlichen Diskussion. Viele zu lange haben die Berliner Regierungsparteien zugewartet. Jetzt hat auch der oftmals zögerliche Bundeskanzler erkannt, dass es so nicht mehr weitergehen kann.  2023 sind bisher an die 250000 Asylbewerber ungehindert ins Land gekommen. Sie können sich auf das deutsche Grundgesetz stützen, das in Artikel 16a besagt, dass jeder politisch Verfolgte Recht auf Asyl hat.  In der Praxis  sieht das so aus, dass jeder Zuwanderer sich darauf beruft.  Die politische Verfolgung im Heimatland nennen alle als Begründung für ihre Flucht. Die deutschen Behörden können ihnen das Gegenteil nicht beweisen. In dieser Situation darf es nicht verwundern, dass der Aufnahmeprozess oft Monate oder gar Jahre dauert bis alle Fragen rechtlich hundertprozentig geklärt sind.

Was also kann getan werden?

Natürlich wäre es am wirkungsvollsten, die aus Afrika über das Mittelmeer nach Europa flüchtenden Menschen an den Außengrenzen Europas zu erfassen und in Massenlagern so lange zu halten bis deren Verhältnisse geklärt sind – und die Frage, ob die Aufnahme in einem Wunschland möglich ist. Einen Verteilervorschlag gibt es ja in Europa und auch in Deutschland (Königsberger Schlüssel). Aber die Sache funktioniert nicht gut, weil die europäischen Länder unterschiedlich agieren und die deutschen Bundesländer jetzt an der Grenze ihrer Belastbarkeit (die Aufnahmekapazitäten sind weithin erschöpft) angelangt sind.  Rückführungen sind kaum möglich, weil die Herkunftsländer sich weigern oder nur zustimmen, wenn sie genügend Geld bekommen. Das Problem können sie somit nicht lösen.


Wenn noch mehr Asylanten von Schleppern nach Deutschland gebracht werden, dann bricht allmählich das soziale Sicherungssystem zusammen. Es nützt niemandem, wenn die innere Stabilität Deutschlands verloren geht. Und genau das befürchten AfD und wohl auch die neue BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht), die nicht allein stehen mit ihrer Sorge. Immer mehr Menschen in Deutschland fürchten die Überfremdung und die deutschen Empfänger von Bürgergeld (früher Sozialhilfe, später Hartz IV) beklagen Nachteile.  Politische Beobachter sprechen daher  von einem Pulverfass, das sich auflädt und alsbald zur Explosion kommen kann. Wem ist dann geholfen? Am allerwenigsten denen, die jetzt schon staatliche Unterstützungsleistungen  bekommen.

Es sieht so aus, dass Deutschland als „Einwandererland“ immer noch am attraktivsten ist. Welches Land hat schon so weitgehende und großzügige Hilfen? Es liegt doch auf der Hand, dass die Flüchtlinge Deutschland als Zielland angeben. Vielleicht würde ja die Zahl der Zuwanderer abnehmen, wenn die Hilfen geringer ausfielen.  Ärger gibt es schließlich  auch, weil Flüchtlinge (nicht alle)  ihre finanziellen Zuwendungen aus deutscher Hand sammeln und sie dann an die große Verwandtschaft in den Heimatländern weiterleiten.

Immer mehr Menschen in Deutschland empfinden, dass das Land überfordert ist, wenn es darum geht, den Ländern in Not zu helfen. Am deutschen Wesen kann die Welt nicht genesen. Es stellt sich folglich auch die Frage, ob wir bei jedem Militäreinsatz der UN dabei sein müssen.

Wie wird sich die Flüchtlingspolitik auf die deutschen Wähler auswirken?

Einen Hinweis hat bereits die Landtagswahl in Bayern geliefert und die aktuellen bundesweiten Umfrageergebnisse bestätigen den Trend, dass die AfD zunimmt (21,5 Prozent), während die Parteien absacken (SPD auf 15,2, Grüne auf 14, FDP auf 5,1, Linke auf 4,2).  Interessant wird die Prognose, wenn die BSW dazukommt, die ebenfalls rechts von der Mitte Stimmen sammeln will.  In Bayern sind die Sozialdemokraten inzwischen zur Randgruppe verkommen (8,4 Prozent), ebenso die FDP (3,0 Prozent). „Die Menschen erwarten Entscheidungen und Handlungsfähigkeit“, sagt der Dresdner  Migrationsforscher Hans Vorländer, und argumentiert in der „liberal“-Zeitschrift: „Wer unzufrieden ist, sucht eher nach einem Sündenbock, da sind fremd wirkende Personen oder Randgruppen willkommen, egal ob Asylsuchende, Muslime oder die queere Community“. Er fürchtet, dass sich längst nicht mehr alle AfD-Wähler umstimmen lassen. Sein Credo: Die Politik muss nachvollziehbar sein und sie darf nicht überfordern, außerdem braucht es glaubwürdige und überzeugende Politiker.

WERNER FALK