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Im Glanz der Geschichte

Gunzenhäuser Stadtführungen in diesem Jahr

Zu den interessantesten Plätzen führen die Stadtführungen in Gunzenhausen. Foto: Dietmar Denger

Die Stadt Gunzenhausen blickt auf eine reichhaltige Geschichte zurück. Schon die alten Römer warfen einen Blick auf die Altmühlfurt, erkannten sie doch eine ausgezeichnete, strategische Lage. Daneben hat sich niemand in der Altmühlstadt so wohl gefühlt, wie der „Wilde Margraf“ Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach. Seine Hofbaumeister setzten städtebauliche Akzente, welche den Ort bis heute prägen. Im Altstadtbereich flanieren die Menschen zwischen mittelalterlichem Fachwerk und Bürgerhäusern aus dem Barock. All das und noch viel mehr, lässt sich im Rahmen der zahlreichen Gunzenhäuser Stadtführungen erleben. Auch 2025 lädt die Stadt wieder zu geführten Touren in die Vergangenheit und Gegenwart ein.

Oldie but goldie ist die klassische Stadtführung, ein Evergreen für Neuentdecker und Wissensaufbesserer. Die Reise führt ins Herz der Altmühlstadt. Besichtigt werden verschiedenste historische Gebäude, u.a. der markgräfliche Hofgarten und die Spitalkirche. Die fachlich geschulten Stadtführerinnen und –führer erzählen Geschichten und Geschichte, die ein oder andere Anekdote aus der Vergangenheit macht jeden Rundgang zum besonderen Erlebnis. Gut zu wissen: Der Rundgang durch die Altstadt wird auch in einfacher Sprache angeboten und ist zudem (auf Wunsch) barrierefrei. 

Im Verlauf der sog. Türmerführung widmen wir uns ganz Färberturm, Storchenturm und Co., also den Fotomotiv-Wahrzeichen der Stadt. Ein als historischer Türmer verkleideter Guide führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die kleinen und großen Gassen von Bauwerk zu Bauwerk. Spannend ist, welche Erlebnisse und Aufgaben der Türmer hatte, was das alles mit Musik zu tun hat und wie der damalige Stadtangestellte in der Türmerwohnung residierte. Genießen Sie die herrliche Aussicht über die Dächer Gunzenhausens.

Der sog. Blasturm entstand Anfang des 17. Jahrhunderts, die Geschichte des auch als „Neues Tor“ bezeichneten Gebäudes geht allerdings noch weiter zurück. Der Unterbau ist quadratisch, daran anschließend finden sich Reste der Stadtmauer. Dies und noch viel mehr erfahren Sie bei der sog. Blasturmführung, die Sie auch in die vollständig eingerichtete Türmerwohnung mit Zunftstube führt. Vom Blasturm aus ist ein wunderbarer Blick ins Umland möglich.

Sehr beliebt sind weiterhin die stimmungsvollen Abstecher in das Gunzenhäuser Hilfskrankenhaus, diesem beeindruckenden Überbleibsel aus dem Kalten Krieg. Der morbide Charme der Anlage lässt noch heute die Nackenhaare zu Berge stehen. Zu besichtigen sind nahezu vollständig eingerichtete Krankenzimmer, OP-Räume oder die Heizungsanlage.

Die Nachtwächterführung ist ein Evergreen und bei Jung und Alt sehr beliebt. Sie können am Abend mit der Nachtwächterin den historischen Alt-Stadtkern erkunden. Hier erfahren Sie vieles über die Sitten und Regeln der damaligen Zeit. Manchmal ging es rau zu, ein anderes Mal musste die Nachtruhe kontrolliert werden.

Unsere Römerführungen thematisieren die Ausgrabungen am Grenzwall. Nicht alle wissen, dass Gunzenhausen als einzige Stadt auf dem Raetischen Limes lag. Sie bildete damit das geographische Ende des römischen Reiches in Europa. Zu erkunden gibt es aber auch die Überreste der vier Wachtürme, einen Flechtzaun und die Rekonstruktion eines Nymphäums. Im Archäologischen Museum werden zudem zahlreiche Funde aus der römischen Zeit ausgestellt.

Die geführten, ganztägigen E-Bike-Touren führen Radfahrbegeisterte zu den schönsten Ecken im Fränkischen Seenland. So geht es auf der sog. „Seenlandrunde“ zu den Seen und zu den Standorten der versunkenen Mühlen. Die Tour „12 Apostel“ erkundet die vielseitige Gegend um Solnhofen. Weitere Touren warten nur darauf, von Ihnen erlebt zu werden.

Ein weiteres Highlight ist die Stadtführung „Hopfen und Malz“. Wir laden Sie zu einer kleinen Rundreise durch Gunzenhausen auf den Spuren der hiesigen Brauereien ein. Es war einmal in der Altmühlstadt, da gab es zwölf Brauereien gleichzeitig, dazu Mälzereien und mehr als 70 Gasthäuser, Herbergen und Schankwirtschaften. Im Anschluss an die spannende Führung besteht die Möglichkeit zur Einkehr in eine ehemalige Brauerei.

Schaurig-informativ wird es mit der Führung „Gruft, Grab, Garten“, die zu zahlreichen Gunzenhäuser Gottesäckern, Gedenkstätten und anderen Orten der letzten Ruhe führt. Das Ergebnis verblüfft: So wurden zahlreiche Gräberfelder ausgewiesen, viele davon später wieder aufgelöst. Sie besuchen die Orte und erfahren etwas über die Geschichte.

Gruselig wird es auch bei den „Hexen, Henkern und Hinrichtungen“. Von der Antike bis in die Neuzeit treffen wir in Gunzenhausen auf schaurigste Figuren und deren Geschichten. Von Folterknechten in der Fronveste, dem Ritter zu Füßen eines Heiligen und der Hebamme am Pranger – die Nackenhaare werden Ihnen zu Berge stehen.

Für die Führung mit Ausstellungsbesuch „Ewige Erinnerung – Beth Olam“ wurde auf dem Fußboden des Taharahauses am israelitischen Friedhof in Gunzenhausen eine begehbare Luftaufnahme der Stadt befestigt. Ansprechend gestaltete Informationstafeln informieren über die jeweilige Geschichte hinter einer Ziffer, beispielsweise über Biographien von jüdischen Familien oder über die Historie längst vergangener Gebäude mit Bezug zur jüdischen Kultusgemeinde.

Dagegen beleuchtet die Veranstaltung „Bücher aus Stein bewahren Biografien“ am jüdischen Friedhof mit viel Fingerspitzengefühl die jüdische Vergangenheit der Altmühlstadt. Auf ähnlichen Spuren bewegt sich die Führung „Verachtet, verjagt, vermisst, vergeben“. Diese beginnt am Hafnermarkt und führt von der jüdischen Schule zur ehemaligen Synagoge. Dazu werden erschütternde Biografien ehemaliger Gunzenhäuser erzählt und vom Wilden Margraf berichtet, der Juden im Dienstverhältnis nahelegte, zu konvertieren.

Das Gunzenhäuser Stadtführungsjahr 2025 hat viel zu bieten: Sind Sie neugierig geworden? Dann klicken Sie doch mal rein, auf die Internetseite der Tourist Information unter www.gunzenhausen.info. Hier finden Sie alle Stadtführungen mit Terminen, Themen und Preisen.

Das Haus und seine Geschichte

Szenische Darstellung des einstigen markgräflichen Hofgartens

Die Akteure präsentierten die Geschichte desehemaligen markgräflichen Hofgartens. Foto: StGun

Das heute als Haus des Gastes bekannte Gebäude war in seiner reichhaltigen Geschichte vieles, aber nie ein markgräfliches Jagdschlösschen. Mit dieser jahrzehntelang in und um Gunzenhausen gepflegten Falschinformation räumte Stadtarchivar Werner Mühlhäußer entschieden auf. „Das heißt natürlich nicht, dass die Räumlichkeiten nichts mit Carl Wilhelm Friedrich zu Brandenburg-Ansbach zu tun hatten“, betonte der Historiker. „In erster Linie diente das Anwesen wohl als Gartenhaus, daneben befand sich ein Springbrunnen und ein Wasserbad für seine geliebten Falken auf dem Gelände. Richtigerweise sollten wir vom markgräflichen Hofgarten sprechen. Ein Jagdschlösschen in Gunzenhausen gab´s zwar tatsächlich, es stand jedoch auf Höhe des heutigen Oettinger Parkplatz unweit des Bärenwirtweihers. Von diesem prunkvollen Gebäude ist nur noch eine Drauf- und Vordersicht erhalten geblieben. Nach dem Tode des Wilden Markgrafen wurde es schon bald abgerissen.“

Das und noch viel mehr über das Haus des Gastes erfuhren die Besucherinnen und Besucher im Rahmen der Veranstaltung „Ein Haus erzählt seine Geschichte“. Stadtarchivar Werner Mühlhäußer hatte Geschichte in spannende Geschichten gepackt, welche von Stadtführerin Cornelia Röhl in kurzweiligen Theaterszenen umgeschrieben wurden. Schauspielerinnen und Schauspieler, vorwiegend von der Weißenburger Bühne, haben die Worte dann in Taten umgesetzt und dem Publikum Historie szenisch erleben lassen. Musikalisch stilvoll umrahmt wurde das Event von Ruth Tuffentsamer an der Flöte und Sigrid Popp am Keyboard.

Erste Hinweise auf eine Nutzung des Areals am heutigen Martin-Luther-Platz 4 sind bereits für Anfang des 16. Jahrhundert überliefert. Damals hatten die Adelsfamilien Leonrod und Rechenberg ihre Privatgärten dort angelegt, das Grundstück war da noch um einiges größer. Zu diesem Zeitpunkt stand wohl noch kein Gebäude darauf, erst rund 200 Jahre später wurde ein „Häußlein“ mit Brunnen gebaut. 1746 erwarb der Wilde Markgraf die Liegenschaft. Dem Fürsten, der sich bekanntermaßen häufig und lange in seiner Wahlheimat Gunzenhausen aufhielt, diente das Objekt von nun an als „herrschaftlicher Hofgarten zum ausschließlichem Amusement“, wie Werner Mühlhäußer herausgefunden hat. Errichtet wurden u.a. eine Reitbahn und ein Mäusehäuslein für die Falkenzucht.

Bei einer auflockernden Spielszene diktierte der umtriebige Wilde Markgraf einem Schreiber zahlreiche Verbesserungen für eine erfolgreichere Falkenjagd in die Feder. Gestört wurde er dabei von seiner eifersüchtigen Geliebten Elisabeth Wünsch.

Nach dem Tode des Wilden Markgrafen erwarb die Sattlerstochter Maria Sophia Engelhardt das Grundstück. Heute ist bekannt, dass sie trotz emsiger Bemühungen die Unterhaltskosten nicht aufbringen konnte. Das Areal wurde daher 1810 zwangsversteigert und die sog. Casinogesellschaft Gunzenhausen griff dankbar zu. Die Bezeichnung „Casino“ hat hier übrigens nichts mit Glücksspiel zu tun, der Begriff stammt aus dem Italienischen und bezeichnet ein „kleines Haus“. Bei der Gemeinschaft handelte es sich um einen gesellschaftlichen Männerverein, deren Mitgliedern sich aus ausgewählten Persönlichkeiten der Gunzenhäuser Oberschicht zusammensetzten.

Die Casinogesellschaft renovierte Haus und Garten umfangreich, auf dem Grundstück entstanden nach und nach u.a. ein Kegelplatz und ein hölzernes Sommerhäuschen. Der barocke Markgrafengarten gehörte damit endgültig der Vergangenheit an, installiert wurde ein der damaligen Mode entsprechender Landschaftsgarten nach englischem Vorbild. Trotz elitärem Klientel wurde schlecht gewirtschaftet und Teile des Grundstücks mussten verkauft werden. Heute stehen entlang der Hensolt- bzw. Burgstallstraße zahlreiche Häuser auf den damals abgegebenen Flächen.

Die Casinogesellschaft bereicherte das kulturelle Leben Gunzenhausens. Teil der Gemeinschaft konnten Männer werden, die laut Satzung „selbstständig, gebildet und unbescholten“ waren. Das Mitgliederverzeichnis liest sich dementsprechend wie ein Oberschichts-who is who. Dekan und Schulreformer Heinrich Stephani war darunter, außerdem der spätere Ministerialrat Wilhelm Christoph Gustav Kahr sowie Stadtschreiber Johann Heinrich Frauenknecht. Nicht zu vergessen, der Arzt und Heimatforscher Dr. Heinrich Eidam, der für lange Zeit auch Vorstand des Vereins war. Die dazu gehörige Spielszene drehte sich daher auch um den berühmten Limes-Experten. Er berichtete einer Putzfrau aus der Jetztzeit stolz von seinen Wohltaten und Errungenschaften für die Stadt Gunzenhausen. 

Am 24. April 1939 verkaufte die sich in der Auflösung befindliche Casinogesellschaft Grundstück plus Gebäude an den Heilpraktiker Johann Reichardt. Dieser kam damit der NS-Ortsgruppe zuvor, die an dieser Stelle ein „braunes Haus“ errichten wollten. Sein Privatzoo ist bis heute legendär, hielt er sich doch Affen, Flamingos oder Papageien. Selbst einen ausgewachsenen Bären soll er besessen haben, doch sein Liebling war offenbar ein Löwe. Dieser wurde sogar mit zum Männerstammtisch in die Gastwirtschaft „Altes Rathaus“ genommen und saß dort am Tisch.

In erster Linie fasziniert bei der Person Johann Reichardt der Mythos ums Goldmachen. Zur Erinnerung: Aus einem mittelalterlichen Stadtmauerstück wurde ein Glasgefäß geborgen, das eine geheimnisvolle Anleitung zum Goldmachen enthielt. Reichhardt übersetzte die Hinweise und stellte in einem Felsenkeller tatsächlich das Edelmetall her, bestätigt von mehreren Zeugen. Ob das wirklich stimmt, kann heute niemand mehr sagen, doch Reichardt liebte die Selbstinszenierung: In die Wände des Kellers waren mystische Symbole geritzt, schwach beleuchtet von wenigen Kerzen. Nur ausgewählte Gäste durften einen Blick ins schaurige Labor werfen. Fotos davon existieren und zeigen einen geheimnisumwitterten Raum, von dem etwas Verbotenes ausgeht. Bei der Spielszene wurde der Wunderheiler von einer frisch nach Gunzenhausen gezogenen Reporterin interviewt. Neben bekannten Reichardt-Redewendungen wie „Vorbeugen ist besser als Heilen! Und kostet auch weniger!“ erfuhr das Publikum vieles weitere aus seinem Leben im Haus des Gastes.

„Ein Haus erzählt seine Geschichte“ begeisterte das Publikum mit vielen interessanten und erzählenswerten Details zur Historie des heutigen Haus des Gastes. Das Areal gehört zu den bedeutendsten Orten in der Region Gunzenhausen, heute ist es eine „Stätte der Begegnung, des Verweilens, der Unterhaltung und Erholung“. 

Haus erzählt seine Geschichte

Historie live miterleben in Gunzenhausen

Alles über die Geschichte dieses Hauses liefern Historiker am 17. Januar.

Wenn alte Mauern Geschichten erzählen könnten, dann wären die meisten Stories wohl eher langweilig. Anders verhält es sich beim Gunzenhäuser Haus des Gastes, das in trauter Nachbarschaft zum Blasturm liegt. In diesem Anwesen träumte bereits vor fast 300 Jahren der Wilde Markgraf von seiner ruinösen Falkenjagd. Mehr als 250 Jahre später brütete an gleicher Stelle der mutmaßliche Goldmacher von Gunzenhausen über seinen alchemistischen Formeln. Außerdem wäre da noch die aufregende Zeit der elitären Casino-Gesellschaft, welche 1810 im Markgräflichen Hofgarten mit Gartenhaus eine Heimat fand und 1832 das schmiedeeiserne Tor anbringen ließ. Dieses lässt sich noch heute besichtigen, spannend ist diese Phase aber vor allem deswegen, da Casino-Gesellschafts-Mitglied und Limes-Forscherlegende Dr. Heinrich Eidam ein und aus ging.

Am 17. Januar 2025 um 19 Uhr werden solche spannenden Geschichten zusammengefasst und als ein Geschichts-Event der Extraklasse präsentiert. Stadtführerin Cornelia Röhl hat die längst vergangenen Zeiten zu kleinen Theaterszenen umgeschrieben und Stadtarchivar Werner Mühlhäußer erzählt Wissenswertes über die Geschichte des Hauses. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung von den beiden Künstlerinnen Ruth Tuffentsamer und Sigrid Popp.

Der Ursprung des Haus des Gastes lässt sich bis ins Jahr 1600 zurück verfolgen. Damals befanden sich an selbiger Stelle Gartenanlagen. Unter Bürgermeister Willi Hilpert wurde Mitte der 1980er-Jahre die bis heute gebräuchliche Bezeichnung Haus des Gastes geprägt. Warum? Das Stadtoberhaupt dachte dabei an eine „Stätte der Begegnung, des Verweilens, der Unterhaltung und Erholung für alle Mitbürger, Gäste und Freunde“.
Die Veranstaltung am 17. Januar 2025 ist eine Reise durch die Geschichte des heutigen Haus des Gastes. Von den Ursprüngen, über die Markgrafenzeit, dann das Wirken der Gunzenhäuser Casino-Gesellschaft bis hin zur Phase, als der schillernde Heilpraktiker und vermeintliche Goldmacher Johann Reichardt im Gebäude wirkte – spannender kann Historie nicht sein.
Wer das Haus des Gastes an diesem Tag näher kennenlernen möchte, der kann sich schon jetzt Karten für die Veranstaltung bei der Tourist Information in der Rathausstraße sichern (Tel.: 09831/508 300). Die Plätze sind begrenzt . Die Eintrittskarte kostet 15 Euro pro Person.
Achtung Programmhinweis: Am Sonntag, 5. Januar 2025, wird der Bayerische Rundfunk in der Frankenschau eine gekürzte Fassung des 2022 in Gunzenhausen und München gedrehten Fernsehbeitrags über den Goldmacher von Gunzenhausen senden. Wer sich für den berühmt-berüchtigten Alchemisten interessiert, der sollte dies keines falls verpassen. Nähere Informationen unter www.br.de

Kirchenbücher erzählen Geschichte

Alt-Gunzenhausen: Skurriles zu den Bestattungen im Mittelalter

Es sind nicht wenige Leser des Altmühl-Botens, die sich vornehmlich für die letzte Seite interessieren, wo die stark umrahmten Inserate stehen, sprich: die Todesanzeigen. Im 17. Jahrhundert hat es noch keine Zeitung gegeben, nur die Einträge im Bestattungsregister der Pfarrei. Dort sind neben den Taufen und Trauungen auch die Bestattungen aufgezeichnet, und zwar schon ab dem Jahr 1585. „Sie geben einen Einblick in die damaligen sozialen Verhältnisse“, sagt der Historiker Wolfgang Pfahler (Vreden), der hier die Grundschule besuchte und später für das Lehramt studierte. Er gehört zum Autorenstamm von „Alt-Gunzenhausen“, dem Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde. In der aktuellen Ausgabe widmet er sich den Besonderheiten der Bestattungen, wobei mancherlei Skurriles zu lesen ist.

Die Eintragungen von 1618 bis 1717 sind eine wahre Fundgrube für den Historiker und es sind vergnügliche Bemerkungen darunter, die heutzutage im Zeichen der Datenschutzgrundordnung unvorstellbar sind. Wolfgang Pfahler (77) hat von 1947 bis 1955 in Gunzenhausen gelebt (Marktplatz 25/ der Schuhmacher Pfahler war sein Großvater, Dr. Hans Kirsch sein Patenonkel). In Würzburg hat er das Abitur abgelegt, danach war er in Vreden (Westmünsterland) im Lehramt tätig. Er ist  in den Kirchenbüchern auf viele Begebenheiten gestoßen.  Zu lesen ist deshalb in seinem Beitrag von misslungenen Kuren beim Bader, Bigamie, Missbildungen, vom Umgang mit den Katholiken, von Familienstreit und Intrigen, Hurerei und Zwangskopulationen – und dem Tod eines 75-Jährigen kurz nach seiner dritten Hochzeit.

Der Cronheimer Weber Caspar Denner ist beispielsweise 1619 „aus Schwachheit und Blödigkeit“ in ein „unverdecktes Brünnlein“ gefallen und darin ertrunken. In den Fischgruben seines Vaters hat der fünfjährige Johannes Messerer aus Laubenzedel auf die gleiche Weise den Tod gefunden.  Hans Frank, ein Krämer aus Wachstein, ist 1620 „enthauptet und auf das Rad gelegt worden“ nachdem er bei „Wömmersheim“ (Weimersheim) einen Juden erschlagen hatte. 1648 ist die Hausfrau Barbara Deuter „bey schwermüthiger Verzweiflung 43 Jahr alt verrecket“. Sie ist zur Abschreckung für andere mit „ungewöhnlichem Gesang“ neben den armen Sündern begraben worden. „Ein alt Weib zu Oberasbach, so 108 Jahr erreichet und 80 Jahr mit zwei Männern im Ehestand gelebet“ wird im Kirchenbuch von 1652 erwähnt.

Kriminelles Handeln hat es auch damals schon gegeben. Margaretha Kölerin von Kehl „unterhalb der Weltzburg“ (Wülzburg) hat 1668 im Wittibstand  (Witwe) ein Kind gezeugt mit einem Zimmerergesellen, es aber gleich nach der Geburt selbst ermordet und in einer Schachtel unter ihrem Bett versteckt. Als sie dem Scharfrichter die Tat gestanden hatte, wurde sie „mit dem schwerd getodet“. Von einem ähnlichen Fall wird 1696 berichtet:  In Unzucht gezeugtes Söhnlein der Weimersheimer Näherin Magdalene Maria Offengruber ist nach der Geburt umgebracht und in den Brotschrank gestopft worden.  Die Mutter ist „geköpfett“ worden. „An der hitzigen Krankheit darnieder gelegen“ war 1704 des Gunzenhäuser Hutmachers Heinrich Kenzers Weib, das sich „in ihren Haus Brunnen gestürzet“ hat.  Weiter notierte der Pfarrer im Kirchenbuch: „Der Cörper blieb im Brunnen liegen selben Tages, und guthen Teil der Nacht, weil sich niemand zum Heraus ziehen wollte gebrauchen lassen“.

Übermäßiger Alkoholgenuss war natürlich damals schon im Spiel, wenn die Menschen verunglückten. Die 43-jährige Maria Steinwitzen aus Muhr ist 1693 „voll von Brandtenwein am graben hockend erstarret u. tod gefunden“. Johann Lindel, ein „Beker und Brandweinbrenner zu Labezedel“ wurde 1709 in der Früh tot in seinem Bett gefunden. Er hatte „bei seines Nachbarn Kindschenk so viel Branntweyn getrunken, dass man ihn nach Hauß hat müssen führen“. Der Pfarrer erhielt vom hochfürstlichen Hofrat den Auftrag, „die gewöhnl. Leich Ceremonien“ abzukürzen und weniger mit den Glocken zu läutten und wider die Völlerey eine ernstl. Predigt thun“.

Tragisch war der Unfalltod der Unterwurmbacherin Anna Eißen (1711), die beim Grummetholen vom Wagen fiel und sich den Hals brach, „so dass sie kein Anzeig mehr geben können“. Sie war „schwangeren Leibs gewesen“.

WERNER FALK

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ ist für 25 Euro im  Buchhandel erhältlich. Es enthält 21 Beiträge von 18 Autoren zur Historie von Gunzenhausen und der Umgebung.