Lothar Hiemeyer beschreibt das renommierte Gunzenhäuser Handelshaus Faulstich
Die alten Gunzenhäuser reden vom „Faulstichs-Haus“, wenn sie das prächtige Geschäftshaus am Marktplatz 17 meinen, in dem später die Familie Zuber ihr Großhandelsunternemen betrieben hat. Deshalb ist auch vom „Zubers-Haus“ die Rede. Heute hat das Gebäude eine Mehrfachnutzung durch das Schuhhaus Hofmann, des Notariat von Dr. Christian Vedder/Dr. Heike Stiebitz, das Kompetenzzentrum für Körper und Bewusstsein von Imke Götz, der Firma „Welt der Tracht“ und der Psychologiepraxis von Claudia Birzer. Die Familie Faulstich war sehr vermögend und das ihr über mehrere Generationen geleitete Großhandelsunternehmen hatte internationale wirtschaftliche Beziehungen. Der Lokalhistoriker Lothar Hiemeyer kennt dessen Aufstieg und Niedergang. In der aktuellen Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ skizziert er detailreich die Geschichte des Hauses.
Mit dem Lebküchner Johann Georg Faulstich tritt 1721 der erste Träger dieses Namens mit Bürgerrecht in Gunzenhausen auf. Dessen Sohn Johann Nikolaus wollte eigentlich eine Färberei aufbauen, bekam dafür aber keine Zulassung, so dass er sich für eine „Krämershandlung“ in der Sonnenstraße 2 entschied. Wie Hiemeyer nach aufwändigen Recherchen feststellt, war das die eigentliche Basis für den Erfolg des Handelshauses Faulstich. Wiederum dessen Sohn Johann Joachim führte ab 1775 eine „Spezerei“ (mit Salzhandel). Von nun an wird die Familiengeschichte kompliziert, denn es treten gleich vier Faulstichs in Erscheinung (I, II, III und IV genannt).
Besagter Ludwig I heiratete die Merkendorfer Pfarrerstochter Regina Zellfelder, die aber bald starb, so dass er die Nördlingerin Rosina Caroline Erhard ehelichte, die ihm vier Kinder schenkte. 1841 erwarb er das großräumige Haus am Marktplatz 17, das heute die oben erwähnten Firmen beherbergt. Der Kolonialwarenhandel wurde ergänzt durch Gewürze, Saatgut, Zucker, Kakao, Tabak und Reis. Der Siegeszug des Kaffees traf somit auch in Gunzenhausen ein. Die Rösterei Faulstich war neben „Kathreiner“ die größte in Bayern. Nebenher vermittelte der Chef auch Schiffspassagen für auswanderungswillige Deutsche nach Amerika. Die Söhne Ludwig II und Friedrich setzten das Werk des Vaters fort. Beide waren gesellschaftlich engagiert und gehörten zu den Gründern der Feuerwehr, des Turnvereins und des Vereins von Altertumsfreunden (heute: für Heimatkunde). Die Faulstichs gehörten zur elitären Casino-Gesellschaft, ihre Hausdame war omnipräsent.
Ludwig III studierte an der Handelshochschule Leipzig und unternahm eine Schiffsreise nach Amerika, um neue geschäftliche Kontakte anzubahnen. Der junge Mann trat in die Fußstapfen der Vorgänger, die alle den „ehrbaren Kaufmann“ verkörperten, eine ehrliche, sittliche und moralische Einstellung gegenüber Mitarbeitern und Kunden hatten. Ludwig III nahm Frieda Bestelmeyer, die erst 19 Jahre alte und somit minderjährige Bahnhofrestaurateurstochter. Sie brachte eine „Aussteuer“ von 25000 Mark in bar in die Ehe ein. Ihr Schwiegervater erhielt vom bayerischen König den Ehrentitel „Kommerzienrat“. Der ließ sich nicht lumpen und spendete fleißig, damit Wilhelm II. seinen Krieg finanzieren konnte.
Wie Lothar Hiemeyer eruierte, hat das Unternehmen den Ersten Weltkrieg gut überstanden. Ludwig III übernahm nach seines Vaters Tod die alleinige Verantwortung, aber er war nach dem Urteil der restlichen Familie nicht der geborene Unternehmer. Er holte sich einen „Compagnon“ in die Geschäftsführung und näherte sich mehr oder minder offensichtlich Elsa Seller, der Jugendfreundin seiner Frau. Das Verhältnis führte nicht nur zu einer Ehekrise, auch die Öffentlichkeit bekam die Liason mit der Dame mit. Dass sie eine Jüdin war, das gefiel natürlich den herrschenden Nazis in der Stadt gar nicht. Sie sprachen von „rasseschänderischem Verkehr“. Der Druck auf die junge Frau war so stark, dass sie sich 1937 im Amtsgerichtsgefängnis erhängte. Ludwig III war nur kurze Zeit in Haft, aber er roch sozusagen den Braten und verkaufte eine Immobilie nach der anderen. Es kam 1937 zum Verkauf an die Kaufmannseheleute Zuber. Die Faulstichs mussten mit ihren beiden Töchtern in das kleine Häuschen neben dem Blasturm (heute: Vorgeschichtsmuseum) um, das ihre Hausdame von ihren Ersparnissen erworben hatte. Ludwig III verlor den Lebensmut und erhängte sich 63-jährig am 16. Mai 1941, seine Ehefrau Frieda, die von manchem Nachkriegs-Gunzenhäuser als „schrullige Alte“ empfunden wurde, fand 1968 im Familiengrab ihre letzte Ruhe.
Von seinem einzigen Sohn Ludwig IV (1920 geboren) konnte sich der Vater nichts erwarten, denn der schwärmte von einer Offizierslaufbahn, bekam im Zweiten Weltkrieg höchste Auszeichnungen und fiel 1944 auf dem östlichen Kriegsschauplatz.
Tochter Elisabeth war lange Zeit die Chefsekretärin von Nürnbergs Waffenproduzenten Karl Diehl, die zweite Tochter Friedel heiratete den Zahnarzt Reinhard Carben, deren Sohn Rainer ist 83-jährig heute der letzte Nachkomme des Geschlechts. Geblieben sind noch die Initialen L. F. am Haupteingang des Hauses am Marktplatz 17. Das Familiengrab befindet sich am alten Friedhof.
Ende und Anfang: Der wirtschaftliche Niedergang bedingte den Verkauf des Großhandelsgeschäfts an Ferdinand und Auguste Zuber (1937). Damit endete die Ära Faulstich. Die neuen Eigentümer setzten das Werk fort. 1958 übernahmen Fritz und Inge Zuber die Geschäftsführung. Nach dem Tod von Fritz Zuber, der dem Schützenwesen eng verbunden war, führte die Witwe das Unternehmen 1976 mit ihrem Sohn Wolfgang weiter. Neben dem Altstadtmarkt entstand das „Altmühlcenter“ in Frickenfelden (1974, Vermietung an Edeka 1989) und daneben gab es noch vier kleinere Filialen in der Stadt und ihrer Umgebung. Das Geschäftshaus am Marktplatz 17 befindet sich nach wie vor im Besitz der Familie Zuber.
WERNER FALK
Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ ist im Buchhandel für 25 Euro erhältlich. Es enthält 21 Beiträge von 18 Autoren zur Geschichte der Stadt und ihres Umlandes.
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