Kleiner, großer Sohn Fünfbronns

Porträt des Kleinwüchsigen und Schwerbehinderten Matthias Buchinger

Das Selbstbildnis von Matthias Buchinger entstand 1724. Obwohl er fast nie seine Fünfbronner Herkunft erwähnte, nannte er das Oberamt Gunzenhausen als seinen Geburtsort.

Schon mal gehört? Der kleinste und zugleich größte Sohn des Dorfes Fünfbronn war Matthias Buchinger, ein schwerbehinderter und kleinwüchsiger Künstler.  Gelebt hat er von 1674 bis 1739. Das ist schon eine Weile her, aber für den Historiker Dr. Daniel Schönwald erst recht ein Grund, sich der Persönlichkeit Buchingers genauer anzunehmen.

In der neuen Ausgabe der „Heimatkundlichen Streifzüge“, einer kulturhistorischen Schriftenreihe des Landkreises Roth, stellt der Kalbensteinberger Wissenschaftler, der als stellvertretender Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Nürnberg amtiert, den weithin bisher unbekannten Fünfbronner vor. Die Spur hat für Dr. Schönwald  ein Kollege der schottischen Nationalgalerie in Edinburgh gelegt, der zunächst davon ausgegangen war, Buchinger sei in Ansbach geboren worden. Aber in den Kirchenbüchern der Residenzstadt fand sich kein Hinweis darauf.  Dr. Schönwald hatte aber Jahre zuvor schon wissenschaftliche Bekanntschaft mit der Kalbensteinberger Wirtsfamilie Buchinger gemacht. Er fand heraus, dass Matthias Buchinger der Sohn des Fünfbronner Wirts Wolff Buchinger ist, getauft am 3. Juni 1674 im kleinen Dorf, das heute zur Stadt Spalt gehört.  Der Historiker schwärmt selbst von seinem Fund: „Buchinger ist der größte Sohn, den Fünfbronn je hervorgebracht hat!“

Im Taufeintrag ist zu lesen, dass er „weder händ, arme u. Füse“ gehabt hat, was heißt, dass er schwerbehindert zur Welt gekommen ist. Für die damaligen Verhältnisse gab es keine hohe Lebenserwartung für ihn, aber erstaunlicherweise wurde er dennoch 65 Jahre alt. Wörtlich steht im Kirchenbuch: „Die Stümpf an den ärmelein dieses kinds sehen gleich 2 blutwürsten, und gleicht das Undere dicke fleisch einem Saysack“.  Entgegen aller ärztlicher Annahmen wuchs der nur 74 Zentimeter  Mann gut heran. Er fand offenbar Menschen außerhalb der Familie, die an ihn glaubten und die ihm eine Lebensperspektive verschafften. Sein Vater war als Glaubensflüchtling aus dem Ländlein ob der Enns nach Franken gekommen und heiratete 1658 in Altenmuhr die aus Stadeln stammende Christina Benzinger. Das Paar wechselte nach Fünfbronn und ließ dort acht Kinder taufen. Magdalena Wiehebeck war seine zweite Frau, die Untererlbacher Witwe Margarethe Gundacker seine dritte. Dort starb er 1704 mit 76 Jahren als „Wirt von Untererlbach“, wie in den alten Akten steht.  Die Familie war auch in Kalbensteinberg ansässig, wo noch heute der Hausname „beim Balthers“  (Balthasar B.) gängig ist.

Die Nürnberger Kunsthistorikerin Dr. Ursula Timann schildert Matthias Buchinger als hervorragenden Kalligraphen, der auch schnitzte und zeichnete. Sogar verschiedene Musikinstrumente soll er beherrscht haben. So offen wie die Menschen in Frankreich, England und Irland  gaben sich die Nürnberger nicht. Sie verwehrten ihm den öffentlichen Auftritt auf dem Hauptmarkt,  „um die Schwangeren mit seinem Aussehen  nicht zu erschrecken“.  Auf der irischen Insel Cork starb er 1739 im Alter von 65 Jahren.

Der Schwerbehinderte (Tetraamelie) war viermal verheiratet und zeugte immerhin 14 Kinder. Heute würde man sagen, er verkaufte seine künstlerischen Talente so gut es ging. Es gab Kupferstiche mit seinem Porträt. Werke von ihm sind nach Informationen des Historikers Dr. Daniel Schönwald u.a. im Besitz des Metropolitan Museums  in New York und der Staatsbibliothek Bamberg .

In den „Streifzügen“ stellt Hans Pühn die frühere Papier- und Bleistiftfabrik Oberfichtenmühle vor, Thomas Zehn widmet sich den „Pimpernüssen“, Marco Eckerlein beschreibt die früheren Distriktgemeinden und Isabelle Brenner porträtiert die Familie Geiershoefer (Gilardi-Fabrik) während der NS-Zeit. Dass ein Nürnberger Henker auch Menschen aus Roth richtete, weiß Robert Unterburger zu berichten.  Auf die „Drahtzieher“ gehen Kerstin Bienert, Bernhard Böckeler, Hans Peuschel und Anne Roßius ein. Weitere Autoren sind Annett Haberlah-Pohl,  Isabelle Brenner, Marcus Hohmann, Philipp Schinkel und Paula Waffler. -fa-

Die Publikation erscheint jährlich einmal und ist für 4,60 Euro im Landratsamt Roth, aber auch über den Buchhandel (ISSN 0724-1100) erhältlich.

Falk Report jeden Monat per E-Mail bekommen

Der "Falk Report" berichtet  monatlich aus dem Leben im Fränkischen Seenland (Altmühlfranken).

Die Beiträge kommen vom Herausgeber und von Gastautoren. Im Mittelpunkt stehen kommunalpolitische und gesellschaftspolitische Themen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist es mir wichtig, historische Beiträge zu veröffentlichen.

Es würde mich freuen, wenn wir auf diese Weise im Kontakt bleiben könnten.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teile diesen Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Post Navigation