Der ewige Johann Reichardt

Gunzenhausens Goldmacher in der Retroperspektive


Ohne Zweifel, Dr. Georg Fischer ist Reichardt-Fan. Der Goldmacher von Gunzenhausen hat es ihm angetan und aktuell gibt es wahrscheinlich niemanden, der mehr über die schillernde Persönlichkeit weiß, als er. Sein Wissen gibt er gerne weiter, u.a. im Rahmen von Forschungsarbeiten, eine davon ist in der 2010er-Aufsatzsammlung „Alt-Gunzenhausen“ unter dem Titel „Heilen oder herrschen – Johann Reichardt und Johann Appler“ nachzulesen. Im Rahmen des Erzählfests hatte die Kulturmacherei Dr. Georg Fischer in Zusammenarbeit mit der Stadt nun nach Gunzenhausen eingeladen. Im ehemaligen Reichardt´schen Anwesen „Haus des Gastes“ wagte er mit seinem musikalischen Partner Norbert Feil eine kleine Retroperspektive.
Rund 40 Besucherinnen und Besucher wollten in der gut gefüllten Jagdklause natürlich wissen, ob der Reichardt nun wirklich Gold herstellen konnte. Freilich blieb Dr. Georg Fischer eine finale Antwort schuldig, gesichert ist bis heute nur, dass Johann Reichardts alchemistische Versuche nicht nur in Gunzenhausens Geschichte eingingen. Bekanntlich wurde 1925 in einem Abschnitt der Gunzenhäuser Stadtmauer ein Rezept zur Goldherstellung gefunden, außerdem die Zutaten dazu und eine geheimnisvolle Phiole. Diverse Versuche später hatte
Reichardt tatsächlich Goldsplitter in der Hand, die Echtheit derer wurde von der Technischen Universität in München bestätigt. 1926 folgte dann jedoch die Ernüchterung – die Untersuchung im Berliner Reichsfinanzministerium fiel negativ aus. Dabei hatten viele Deutsche große Stücke auf den Goldmacher gesetzt, immerhin war das Reich in den 1920er-Jahren immer noch mit hohen Reparationszahlungen beschäftigt. Der Reichardt´sche Goldesel hätte alle finanziellen Probleme lösen können.
Als später die Nazis an die Macht kamen, praktizierte der ehemalige Metzgerlehrling längst als Heilpraktiker und hielt nicht viel von Antisemitismus, Gewalt oder gar Krieg. In seiner Praxis im Haus des Gastes hat er Deutsche und Juden ohne Unterschied behandelt, dazu war er schwul und der Obrigkeit somit aus vielen Gründen ein Dorn im Auge. Bürgermeister Johann Appler denunzierte ihn 1941, doch mehr als eine Woche Arrest hatte er nicht zu erleiden. So soll sich Julius Streicher persönlich für die Freisetzung Johann Reichardts eingesetzt haben. Dr. Georg Fischer vermutet, der Nürnberger Hetzer spekulierte auf das Rezept zur Goldherstellung um die Kriegsindustrie zu finanzieren.
Fischer hat viele Anekdoten und Wissenswertes über Johann Reichardt zu erzählen. Er berichtete über dessen Jugendzeit, über seine Wanderschaft und seine ersten Schritte in Gunzenhausen. Auch soll es Reichardt zu verdanken sein, dass der Vater Fischers, ein ehemaliger Schulfreund des Goldmachers, nach Deportation wieder aus dem KZ Dachau entlassen wurde. Ein „Gutes Wort“ Reichardts hatte wohl genügt, sein Einfluss auf Nazigrößen schien gewaltig. Georg Fischer kannte Reichardt auch. Als 10-jähriger Bub hatte er Wachstumsstörungen und wurde von der Mutter in die Praxis geschickt. Reichardt verschrieb Honig, ein Lebenselixier, von dem Fischer noch heute schwärmt.
So verging ein kurzweiliger Abend, den Norbert Feil immer wieder musikalisch auflockerte. Mit Akkordeon oder Gitarre ließ er Reichardts Wandervogelzeit aufleben, sang Heimatlieder und Hymnen an die Natur. Der Goldmacher blieb allerdings auch danach ein Geheimnis. Ob Scharlatan oder doch Wunderknabe, vielleicht wird Gunzenhausen es nie erfahren

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