Gedanken zur Debatte um Vorgänge vor 35 Jahren
Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) steht wegen Aktivitäten an der Wand, die vor 35 Jahren geschehen sind. Der Inhalt des Flugblatts, das in seinem Schulranzen damals gefunden wurde, ist verwerflich – aus heutiger Sicht, aber auch 1968 war er nicht akzeptabel. Auch ein 17-jähriger Gymnasiast hätte wissen (oder ahnen) können, dass solche Redensarten unentschuldbar sind.
Auch wenn es viele nicht hören wollen, ich sage: Es war eine Jugendsünde und der junge Aiwanger war beileibe nicht der einzige Schüler in Bayern, der diesen „Jugendstreich“ damals als „witzig“ oder „originell“ empfand.
Was soll die Schnüffelei in den Schulaufsätzen und anderen Vorgängen vor vielen Jahrzehnten? Auch Aiwanger muss zugute gehalten werden, dass er seine Erfahrungen in einem 52-jährigen Leben gemacht hat und sich heute als wahrer Demokrat erklären kann.
Es mag sich jeder 52-Jährige, jeder 62-Jährige, jeder 72-Jährige oder 82-Jährige fragen, was er vor 35, 45, 55 oder 65 Jahren gesagt und getan hat. Nicht nur die Politiker sollten sich ehrlicherweise dieser Selbstüberprüfung stellen und die Vorgänge richtig einordnen.
Heute sagen alle Auguren, dass der Niederbayer der Angelegenheit anders hätte begegnen sollen – mit mehr Offenheit und dem Willen zu einer sofortigen öffentlichen Entschuldigung. Aber: Ist es richtig, ihm nach 35 Jahren einen Strick zu drehen? Das sehen viele Menschen als offensichtliche und leicht erkennbare „Abrechnung“ mit einem ehemaligen Mitschüler an, der es zu einem führenden Politiker gebracht hat, der sich in wenigen Wochen zur Wahl stellen muss.
Es ist zu erwarten, dass die Resonanz des „Skandals“ (Aigwanger leugnet bis heute die Urheberschaft des Pamphlets) unterschiedlich ausfällt und ein Teil der Wähler ihm die Stange hält. Die Landtagswahl am 8. Oktober wird es zeigen, ob die Kritiker dann zufrieden sein können. Vorstellbar ist immerhin, dass Protestwähler, die eigentlich AfD wählen wollen, für Aiwanger und seine Freien Wähler stimmen, weil sie in ihm einen „Helden“ sehen, der sich dem linken Mainstream entgegenstellt.
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