Eine Welt globaler Krisen

Dr. Ingo Friedrich: Deutschland und Europa in der Bewährung


Ich sehe derzeit vor allem vier akute Krisen deren Bewältigung durch Politik und Bürger ansteht:

  1. Die zerbrochene europäische Friedensgarantie und die neue multipolare Weltordnung
    70 Jahre lang war klar, in Europa gibt es keinen Krieg mehr. Diese wunderbare Sicherheit wurde durch den Angriffskrieg Putins brutal zerstört. Und viele Menschen befürchten nun, dass alles ins Rutschen kommt. Ich hoffe und glaube, dass keine der Großmächte daran interessiert ist, diesen Konflikt auszuweiten. Im worst case würde das bedeuten, dass der Konflikt in den nächsten Monaten eingefroren wird und so wie andere Konflikte zwar nicht wirklich gelöst aber in einem „kalten Zustand“ erstarrt. Ähnliches gilt für den Zypernkonflikt und die Zustand Nord/Südkorea. Das wäre zwar keine ideale Lösung aber die Welt könnte damit irgendwie leben und in unser Europäisches Leben und Arbeiten könnte wieder eine gewisse Normalität eintreten. Und: in der zukünftigen nicht mehr bipolaren, sondern multipolaren Weltordnung werden die weltweit agierende Grossmächte wie China, USA oder (noch) Russland nicht mehr eine so herausragende Rolle spielen. Vielmehr werden Bündnisse von Staatengruppen wie G 7, BRICS, Europäische Union, NATO, ASEAN eine ganz neue und größere Bedeutung bekommen. Die europäische Zusammenarbeit in der EU liegt insofern voll im Trend der Geschichte. Wo früher große Staaten kleinere Nachbarn aufsogen um selbst größer zu werden, müssen sie heute Nachbarn umwerben um deren freiwillige Mitarbeit zu erreichen.
  2. Das neue Selbstbewusstsein von Minderheiten
    Vielen Bürgern bereitet es Angst und Sorge, dass heute viele Minderheiten mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein auftreten und damit in den Medien nahezu dominant erscheinen. Man denke nur an den Christopher Street Day, an die Klimakleber, türkische Erdoğan Anhänger, people of Color und so weiter. Wo früher die schnelle Anpassung und die Integration in die Mehrheitsmeinung und – Gesellschaft im Mittelpunkt stand da, wollen heute viele Minderheiten in ihrem „anders sein“ sozusagen offiziell anerkannt und gewürdigt werden. Sie treten manchmal mit auch einem gewissen Sendungsbewusstsein auf, das von vielen Bürgern als unpassend verstanden wird. Hier wird von uns allen, gerade auch angesichts des Tempos der Entwicklung, ein ziemlich gigantischer Lernprozess erwartet. Auch in diesem Fall hoffe und erwarte ich, dass nicht nur die Zeit Wunden heilt, sondern dass eine gewisse Gelassenheit, ja eine gewisse Souveränität um sich greift, damit alle Beteiligten lernen, taktvoll tolerant und mit etwas Verständnis gegenüber dem anders Denkenden aufzutreten. Diese neue Toleranz sollte nicht nur die Mehrheit gegenüber den Minderheiten üben, sondern eben auch die Minderheiten gegenüber der Mehrheit. Solche tektonischen sozialen Veränderungen brauchen ihre Zeit und können der Mehrheit – siehe das unausgereifte Gendern – nicht einfach übergestülpt werden.
  3. Der neue Rechtstrend in Europa und seine Konsequenzen für die Politik
    Auch wenn es vielen Leuten nicht passt und auch wenn es eine furchtbare rechtsradikale
    Vergangenheit in vielen Staaten gibt, müssen wir Wege finden mit dieser politischen Rechts-
    Entwicklung in der täglichen Praxis zurecht zu kommen. Konkret heißt dies: Es muss eine klare
    Trennung gezogen werden zwischen einer bürgerlich-rechten und einer rechts-radikalen Haltung. Die
    inhaltliche Trennung zwischen beiden verläuft etwa entlang der Linie: für oder gegen Euro und
    Europa, für oder gegen die NATO, für oder gegen die demokratisch-freiheitliche Grundordnung, für
    oder gegen Gleichberechtigung aller Menschen gegenüber einer völkischen Bevorzugung innerhalb
    der Bürger.
    Mit der ersteren politischen Haltung muss eine Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien
    möglich bleiben, auch wenn es manchen schwerfällt, während die berühmte Brandmauer gegenüber
    einer so definierten rechtsradikalen Haltung eingehalten werden muss. In Bayern sind die Prototypen
    dieser Gliederung klar auszumachen: die Freien Wähler sind innerhalb des demokratischen Bogens,
    die AfD ist draußen. Auf europäischer Ebene ist manches schwieriger aber auch da kann man hoffen,
    dass sich etwa die italienische Ministerpräsidentin Meloni – trotz faschistischer Vergangenheit –
    zunehmend innerhalb des demokratischen Bogens bewegt, während etwa ein Victor Orban oder eine Marie Le Pen deutlich außerhalb stehen.
  4. Die neue Nr. 1 auf der Welt: China oder Amerika?
    Nach dem zweiten Weltkrieg war die globale Welt Ordnung leicht überschaubar: die Siegermacht
    USA setzte die globalen Maßstäbe in Wirtschaft, Politik und Kultur. Das Land der „unbegrenzten
    Möglichkeiten“ war die unbestrittene Nr. 1 auf der Welt und seine demokratisch-freiheitlichen Ideale
    beeinflussten die ganze Welt.
    Ganz anders heute: das autokratische China rüttelt kräftig an der bisherigen Welt Ordnung und will
    ganz offensichtlich die neue globale Nr. 1 werden. Beide Großmächte versammeln auch die neuen
    Blöcke um sich: China die BRICS-Staaten, USA NATO und G 7. Solche grundlegenden Neuordnungen
    der Mächtestruktur haben in der Geschichte bisher immer dramatische Auswirkungen auf alle
    Beteiligten gehabt.
    Eine solche Dramatik muss heute unbedingt vermieden werden, aber wie: eine Chance sehe ich in
    der Tatsache, dass im Unterschied zu früher heute Wirtschaft, Technik, Innovationen und
    Informationen global so miteinander verflochten und vernetzt sind, dass ein globaler militärischer
    Machtkampf keinen Sieger, sondern nur schlimme Verlierer hervorbringen würde. Wenn diese
    Erkenntnis bei allen Beteiligten angekommen ist, besteht die Chance, die zu erwartenden
    Rollenkämpfe zwar mit allen möglichen Mitteln aber eben nicht militärisch ausgefochten werden.
    Schön wird das trotzdem nicht aber auch hier gilt die Devise: damit könnten wir Europäer leben.
    Übrigens: ein völliges Abkoppeln der deutschen und europäischen Wirtschaft von China ist gar nicht
    möglich! Bestenfalls können wir die Risiken reduzieren aber eine völlige Trennung von chinesischen
    Zulieferungen ist faktisch nicht mehr durchsetzbar
    Die Bewältigung des Klimawandels wird hier bewusst nicht in die globale Krisenbewältigung
    einbezogen, weil für ihn andere Kriterien und Zusammenhänge gelten.

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3 Thoughts on “Eine Welt globaler Krisen

  1. Heinz Rahm on 17. Juli 2023 at 16:52 said:

    Herr Friedrich: Das sagt sich leicht, dass die AfD „draußen“ ist. Und Orban. Und Le Pen. Parias sozusagen! Unberührbare. „Ist deine Meinung unbequem, dann bist du plötzlich rechtsextrem.“ Außerhalb des „demokratischen Bogens“, eine schöne Worthülse, was immer das auch ist. Eine Frau Merkel, die aus Afrika anruft, um eine völlig legal abgelaufene Wahl in Thüringen rückgängig zu machen, während sie sich darüber aufregt, dass ein Donald Trump eine Wahl nicht anerkennen will – die befindet sich offensichtlich in diesem „demokratischen Bogen“. Vorher war sie bei „demokratischen“ Autokraten in Afrika zu Gast. Geht alles. Ich war mal Mitglied in dieser unsäglichen „CSU“, dafür schäme ich mich noch heute. In den 16 Jahren Merkel war offenbar niemand dabei und keiner hat was gewusst. Hatten wir das nicht schon einmal?

  2. Heinz Rahm on 17. Juli 2023 at 17:13 said:

    Zusatz: Nicht nur die „Ampel“, auch CDU und CSU sind im Moment die besten Wahlhelfer der AfD. Völlig unglaubwürdig. Merz wollte die Zustimmung zur AfD „halbieren“. Zum Lachen. Mit Sonntagsreden und leeren Versprechungen lassen sich halt immer weniger Bürger abspeisen. Seehofer war ja der Prototyp des Ankündigens, der „Bundesankündigungsminister“. Nichts, aber auch gar nichts davon hat er umgesetzt. Ein Satz aus unbekannter Quelle fällt mir da ein: „Jetzt machen wir schon so lange Politik gegen die Bürger, und plötzlich wählen sie uns nicht mehr! Was ist da los?“

  3. Heinz Rahm on 21. Juli 2023 at 18:29 said:

    Und noch etwas liegt mir auf der Seele, der ich in die CSU eingetreten bin, weil ich glaubte, da könnte man auf „christliche Werte und Wertvorstellungen“ treffen. Es ist aber genau das Gleiche wie in den anderen Parteien. Besonders Herr Söder tut sich da hervor. Johannes Vogel, stellvertretender Parteivorsitzender der FDP, hat treffend gesagt, er wechselt seine Positionen wie Unterhosen. Und er beruft sich immer auf sein „Christsein“, ganz öffentlich. Aber Christus hat nicht ganz seine Devise vertreten: „Euere Rede sei HEUTE ja, ja und MORGEN nein, nein“. Auch in Bayern scheint man endlich zu merken, wo der Hase läuft. Der CSU-Hase.

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