79. Ausgabe von „Alt-Gunzenhausen“ ist erschienen
Nun ist der Verein für Heimatkunde Gunzenhausen wieder in der Spur: Nachdem der Jubiläumsband 78 von „Alt-Gunzenhausen“ erst nach einer sechsmonatigen Verzögerung im Mai 2024 erscheinen konnte, gibt es das Jahrbuch 79 wieder zum gewohnten Zeitpunkt. Es hat wieder den seit Jahren gewohnten Umfang und enthält zehn Beiträge von neun Autoren. Ihnen gilt der Dank, denn sie sind nicht nur ehrenamtlich, sondern auch unentgeldlich für den Verein tätig. Ohne die finanzielle Unterstützung durch die Sponsoren wäre die Herausgabe nicht möglich. Deshalb dankt der Verein für Heimatkunde der Stadt Gunzenhausen, der Hirschmann-Stiftung, dem Bezirk Mittelfranken, dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, der VR-Bank Mittelfranken-Mitte, der VR-Bank im südlichen Franken und der Vereinigten Sparkasse Gunzenhausen. Erhältlich ist der Jahrbuch für 18 Euro in den Gunzenhäuser Buchhandlungen.
Zu den Beiträgen im einzelnen:
Stadtarchivar Werner Mühlhäußer blendet zurück auf die 1100-Jahrfeier der Stadt Gunzenhausen, die vom 12. bis 16. Juli 1924, also ein Jahr nach dem Inflationsjahr, begangen wurde. Aufgrund der Ersterwähnungsurkunde aus dem Jahr 823 wäre das Jubiläum eigentlich 1923 zu feiern gewesen. Doch durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit Hyperinflation und enormer Geldentwertung entschied der Stadtrat, die Feier 1924 abzuhalten. Sie wurde ein grandioser Erfolg mit geschätzten 18000 Besuchern.
Ebenfalls Werner Mühlhäußer bringt einen der prominentesten Söhne unserer Stadt, den Astronomen Simon Marius, in Erinnerung. Zugleich mit Galileo Galilei entdeckte Marius 1610 die vier größten Jupitermonde und publizierte dies in seinem Hauptwerk „Mundus Iovialis“ (1614). Schon zu Lebzeiten wurden Simon Marius, bedingt durch seine astronomischen Beobachtungen bzw. wissenschaftlichen Veröffentlichungen, mehrmals von seiner Geburtsstadt Gunzenhausen geehrt. Zeitgenössische wie auch spätere Ehrungen stellt Werner Mühlhäußer anlässlich des 400. Todesjahres von Simon Marius in den Fokus seines Beitrags.
Den Anfängen der Straßenbeleuchtung in Gunzenhausen nimmt sich Werner Neumann an. Er erinnert an die Jahre 1829-1865, als zunächst die Öllampen die wichtigsten Straßen einigermaßen ausleuchteten. Ein Fortschritt war 1864 die Errichtung des privaten Gaswerks („Errichtung einer Gasbereitungs-Anlage“) durch den Ingenieur Eduard Kaußler. Ausgehend von zunächst nur 18 Standorten erweiterte sich das Netz in den folgenden Jahren. Die Gaslaternen brannten jede Nacht . Einzige Ausnahme: bei Mondlicht wurde darauf verzichtet.
Eine umfangreiche Abhandlung mit dem langen Titel „Die Familie Rieter von Kornburg und Kalbensteinberg in Franken, Schwaben und Altbayern unter besonderer Berücksichtigung des Rautenwappens für die Linie Kalbensteinberg“ liefert Dr. Daniel Schönwald. Der stellvertretende Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Nürnberg ist in seiner Kalbensteinberger Heimat stark kirchlich engagiert. Er betrachtet die Verbindungen der Familie Rieter zum altbayerisch-schwäbischen Raum geht auf religiös-konfessionelle Gesichtspunkte ein. Seine Forschung hat ergeben, dass das weiß-blaue Wappen im Schild der Rieter keinen Bezug zu den Wittelsbachern herstellt und nicht dem Ruhm des Geschlechts dient, sondern reiner Zufall ist. Schönwalds Argumentation wird von dem Nürnberger Historiker Peter Fleischmann gestützt, der von dem Ergebnis einer „erfundenen Traditionsbildung“ spricht, mit der die Rieter eine standesgemäße Herkunft inszenieren wollten, waren sie doch als Patrizier nicht so hochstehend wie die Nürnberger Familien Tucher, Imhof, Welser oder Stromer.
Unter den Kirchen in Altmühlfranken nimmt die St. Jakobuskirche in Neuenmuhr ein. Wie Pfarrer i.R. Günter L. Niekel dokumentiert, war sie sie ein evangelisches Gotteshaus von Anfang an. Sie wurde 1618 bis 1622 erbaut. Die drei runden Fassadentürme und der quadratische Hauptbau sind eine Besonderheit. Die Kirche ist seit 1831 in ihrem Bestand gleich geblieben.
Siglinde Buchner stellt die Familie von Buttendorf in Muhr vor, vornehmlich Hans von Butttendorf und seinen Sohn Georg, „gesessen zu Altenmuhr von 1405 bis 1430“. Der Eichstätter Bischof hatte 1417 die Veste Altenmuhr zum Lehen gegeben. Der Sohn musste den Ansitz 1430 an Konrad von Lentersheim verkaufen, denn er hatte sich hoch verschuldet.
Der umfangreichste Beitrag stammt aus der Feder von Manuel Grosser, dem Pressereferenten der Stadt Gunzenhausen. Er stellt Otto Willi Gail vor, der in der Fachwelt weithin in Vergessenheit geraten ist und von dem wohl die meisten Gunzenhäuser noch nichts gehört haben. Der „fränkische Jules Verne galt in seiner Zeit (1896-1956) als vielseitiger Schriftsteller, mutiger Prophet und interessierter „Raketennerd“. Seine Eltern waren Georg und Susette Gail, die in der Bühringer-Straße 2 lebten, seine Großmutter war mit dem Gunzenhäuser Drechslermeister Johann Meder verheiratet. 1928 war er „Erster Reporter“ beim Rundfunk und beeindruckte mit seiner Fähigkeit, technisch komplizierte Zusammenhänge verständlich zu erklären. Der Sachbuchautor war Autor von mehreren utopischen Romanen („Der Schuss ins All“ ist der bekannteste Titel) die in 28 Sprachen und einer Auflage von 2,4 Millionen Exemplaren erschienen sind. Gunzenhausen hatte er schon in jungen Jahren verlassen und danach weitgehend in München gelebt, wo er zweimal verheiratet war.
Auf das Schicksal der Jüdin Lina Levi aus Markt Berolzheim geht Daniel Burmann ein. Sie ist 1938 vertrieben und vier Jahre später im KZ Izbica (Polen) von den Nazis ermordet worden. Sie war das achte Kind einer Handelsfamilie. Die Eltern starben früh und so musste sie mit drei Geschwistern in ein jüdisches Waisenhaus in Fürth. Daniel Burmann, der bereits zwei umfangreiche Bücher zur jüdischen Geschichte des Ortes veröffentlicht hat, empfindet es als ein „kleines Wunder“, dass ihm 80 Jahre später ein Foto von Lina Levi zugänglich gemacht wurde und er damit seine Sammlung erweitern kann.
Werner Somplatzki, der ehrenamtliche Kreisheimatpfleger für Archäologie, versucht das Rätsel um eine Scheibe, die an einen König erinnert, zu lüften. Das vier mal acht Zentimeter große Teil einer Ofenkachel ist in der Falbenthaler Flur gefunden worden. Es dürfte kaum aus einem örtlichen Bauernhaus stammen, sondern eher aus dem Schloss Falbenthal, das 1642 von Johann von Leubelfing erbaut wurde. Figur, Wappen, Krone und Jahreszahl (1637) deuten darauf hin, dass es sich bei der Abbildung um den habsburgischen Kaiser Ferdinand III. handelt, der zugleich ungarischer König war.
Den Reigen der Beiträge schließt Werner Falk mit den „Gunzenhäuser Lebensbildern“ ab, indem er den Musikmeister Sepp Klier, den Pferdezüchter Fritz Schachner, den Sparkassenmann Karl Fischer, den Philathelisten Hans Gundel, den Metzgermeister Erwin Gempel und den Bauamts-„Kapo“ Willi Federschmidt porträtiert.
WERNER FALK
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