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Zuviele Dramen

Vom Zustand einer verunsicherten deutschen Gesellschaft

Werner Falk äußert sich zur gesellschaftlichen Situation in Deutschland angesichts der aktuellen Entwicklung im Zeichen von Corona, der Energiekrise und dem Ukrainekrieg..

Das Leibniz-Institut für Medienforschung hat etwas ermittelt, das Sorge machen muss: Die Hälfte der jungen Erwachsenen hält es nicht für wichtig, sich über aktuelle Ereignisse zu informieren. Für sie sind die verschiedenen Internetformate ausreichend, um sich ihr Weltbild zu formen. Nicht ganz so tragisch verhält es sich bei den älteren Jahrgängen, für die es noch zum Alltag gehört, ihre Nachrichten täglich aus der Zeitung, dem Rundfunk oder dem Fernsehen zu beziehen.

Im politischen Magazin „Liberal“ (4/2022) geht Autor Michael Hirz der Frage nach, was die Krisen-Schlagzeilen der letzten Jahre und Monate mit den Menschen machen. Der Atomreaktorunfall von Fukushima, die Energiewende, der Klimawandel, Corona, der Ukrainekrieg und die höchste Inflationsrate von fast zehn Prozent in Deutschland nach dem Krieg stürmen in täglichen Schlagzeilen auf Leser, Hörer und Seher ein. Die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts registrieren, dass sich vor allem die Jüngeren abwenden, nicht mehr zur Wahl gehen oder – auch das gibt es – rechtsradikale Formate bevorzugen. Die Medien spiegeln das Geschehen ab, aber sie stehen auch in der Kritik, zuviel Alarmismus zu betreiben.

Michael Hirz beschreibt die Situation so, wie ich sie auch sehe: „Klar ist, dass ständiger Alarmismus nervt. Der gelegentlich entfesselte Überbietungswettbewerb mancher Medien in Sachen Dramatik entwertet Journalismus, verunsichert und hinterlässt ein überreiztes Publikum, das sich irgendwann erschöpft abwendet. Am Beispiel der Corona-Berichterstattung lässt sich das geradezu  idealtypisch zeigen. Es gab kaum eine Außenseiterposition, die nicht als schrilles Angebot auf den Markt der Meinungen gebracht wurde. Das diente nicht der Aufklärung, sondern der Quote oder der Auflage – der Kollateralschaden war Verunsicherung. Auch der mediale Umgang mit Putins Angriffskrieg ermüdet, wenn statt Hintergründen und Fakten serielle Tankshows mit immergleichen Gästen und immergleiche Debatten kaum Ernkenntnisgewinn produzieren. Stattdessen stellt sich Über- druss ein, wenn sich der x-te zu Recht unbekannte Stratege zum weiteren Verlauf des Kriegs äußert.“

Es muss nicht allein die mediale Präsenz der großen Politik sein, auch in den regionalen und lokalen Medien setzt sich der Trend fort, das Geschehen am Beispiel von einzelnen Menschen darzustellen.  Der Human Dutch in den Berichten und Reportagen kann dazu führen, dass die großen Zusammenhänge verloren gehen und Einzelschicksale und Einzelmeinungen das Stimmungsbild ergeben.  Beispiel: die Lokalzeitung, die ihre Leser gebeten hatte, zu einem konkreten Thema ihre Vorschläge zu nennen, muss  enttäuscht registrieren, dass kaum solche Beiträge eingingen. Als Ersatz werden dann Einzelstimmen mit sonderbaren Vorschlägen veröffentlicht, die nur auf subjektiven Empfindungen beruhen. Sie haben aber keinerlei repräsentativen Charakter. Das verzerrt aber die objektive Wahrnehmung.

Wir erleben seit dem Frühjahr 2020 die Pandemie mit all ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft.  Corona ist überraschend auf die Menschheit eingeströmt und so ist es verständlich, dass die wirksame Bekämpfung der Krankheit ihre Zeit benötigt hat, um Gegenmaßnahmen zu entwickeln (u.a. Impfstoff). Aber medial ist doch der Eindruck verbreitet worden, die staatlichen Einrichtungen hätten alle versagt.  In jeder Fernsehsendung trat ein selbst ernannter Besserwisser auf – mit wissenschaftlichem Hintergrund oder auch nicht. Ich gehöre zu denen, die jetzt einen Übergang zum normalen Leben für richtig halten. Jeder soll sich schützen, wie er es für geboten hält (Mundschutz). Es gehört zur Lebenswirklichkeit, dass sich im Herbst und Winter die Krankheiten häufen. Wenn sich bei Menschen extreme gesundheitliche Auswirkungen zeigen, dann sind unsere Krankenhäuser gefordert- das war immer so.  Vielfach aber nimmt Corona heute (nach mehreren Impfungen und durchgestandenen Infektionen) einen der Grippe ähnlichen Verlauf.  Immerhin hat die Pandemie dazu geführt, dass die Löhne der Pflegeberufe endlich angehoben wurden und es weitere Bestrebungen gibt, sie attraktiv zu machen. Das war längst überfällig. Angesichts der heutigen Diskussion um staatliche Ausgaben für die Bundeswehr-Vitalisierung (100 Milliarden Euro) und die soziale Abfederung der Auswirkungen der Energiekrise infolge des Ukrainekriegs (200 Milliarden Euro) erscheinen die Ausgaben für die Pflegerinnen und Pfleger an unseren Krankenhäusern geradezu als Peanuts.

„Liberal“ ist das Magazin für die Freiheit. So der vollständige Titel der vierteljährlichen Publikation, die von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin herausgegeben wird.  Sie enthält eine große Themenvielfalt, die in kurzen Beiträgen von zum Teil renommierten Autoren behandelt werden. Beiträge aus Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Internationalem wechseln sich ab.

WERNER FALK

Wechselspiel der Gefühle

Wünsche an die Zukunft – Hoffnungen für 2022

Vor einem Jahr habe ich mit Gedanken über das neu anbrechende Jahr die Vermutung geäußert, dass uns diese Pandemie über das gesamte Jahr begleiten wird. Leider hat sich diese Befürchtung bestätigt. Und vor einem Jahr hatte ich zu den Feiertagen die Hoffnung gehabt, dass die Solidarität in unserer Gesellschaft auch stärkere Einschnitte – als die damals nur halbherzig gewagten – aktiv mitträgt. Auch in diesem Jahr hat eine neue Bundesregierung diesen Mut wieder nicht aufgebracht, obwohl leider erneut deutlich war, wie bedrohlich uns immer noch diese Pandemie die Lebensqualität nimmt. Wissenschaftler von Hendrik Streeck bis Chirstian Drosten – sonst selten einer Meinung – zeigten sich einhellig alarmiert. Das Robert-Koch-Institut hat klare Worte gefunden und dennoch sind die über die Feiertage in unser aller Interesse gebotenen und notwendigen Maßnahmen weit hinter den damit verbundenen Erwartungen einer eindeutigen Mehrheit in unserer Bevölkerung zurückge-blieben. Ein Karl Lauterbach in der Rolle des Talkshow-Gastes vertritt nun mal eine andere Auffassung als der jetzt in eine Kabinetts- und Koalitionsdisziplin eingebundene Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Wir werden aber diese Krise nur überwinden und unsere Freiheit sowie die ersehnte Lebensqualität wieder gewinnen können, wenn wir in umfassender Solidarität einmal auf die – sicher nicht für alle gleichermaßen spürbaren – Vorzüge unserer Freizeitgesellschaft zeitlich befristet verzichten könnten. Es ist wirklich schwer zu verstehen, dass solche unpopulären Entscheidungen nicht im – von Wissenschaft geforderten und einer Gesellschaftsmehrheit ja ersehnten – Maße konsequent getroffen werden. Will uns das politische Berlin tatsächlich noch einmal in dieses Wechselspiel der Gefühle entlassen und ein weiteres Jahr mit nur teilweise wirksamen Schritten gegen diese sich breit etablierende Pandemie verstreichen lassen?

Angesichts der uns noch sehr viel stärker als diese Pandemie und ebenfalls global bedrohenden Gefahren des Klimawandels, wird ebenfalls eine umfassende Solidarität von uns erwartet. Das wir diese aufbringen können, haben die Sturzflutereignisse dieses Jahres eindrucksvoll bewiesen. Freilich hatten die mit dem Klimawandel nur teilweise zu tun, die Gründe für das Ausmaß dieses Flutereignisses lagen wohl eher in der Missachtung von ausgewiesenen Überflutungsbereichen im Zuge der Bebauungsplanung früherer Jahrzehnte. Gleichwohl konnten wir hier diese großartige und bis heute anhaltende Solidarität erleben. Eine Solidarität, die uns bis jetzt auch gut durch die Pandemie getragen hat. Denn es entspricht nicht der gängigen Wahrnehmung, dass unsere Gesellschaft gespalten sei. Ein überwältigender Teil der Bevölkerung zeigt auch in der Pandemie eine umfassende Solidarität gegenüber jenen, die sich nicht oder noch nicht schützen können. All diejenigen, die sich aus diesen Gründen für eine Impfung entschlossen haben und damit auch ihre Solidarität unter Beweis stellten, stehen für die gemeinschaftliche Verantwortung unseres Gemeinwesens. Und sie sichern uns damit auch die Freiheit, in absehbarer Zeit wieder die Annehmlichkeiten des Lebens umfassend wahrnehmen zu können. Wer Freiheit mit „Freiheit zur Unsolidarität“ verwechselt, kann nicht den Anspruch haben, den gesellschaftlichen Dialog konstruktiv bereichern zu wollen. Auch wenn uns die Medien täglich Bilder von demonstrierenden Menschen liefern und sich manche beängstigt fragen, warum so viele hinter diesen hohlen Phrasen mitlaufen oder gar vorgetragenes populistisches Gedankengut unkommentiert hinnehmen, dürfen wir die Dimensionen nicht aus den Augen verlieren. Das ist eine Minderheit!
Uns muss nur endlich bewusst werden, dass es in dieser freiheitlichen Gesellschaft – und das ist nicht nur in Deutschland der Fall – einen Teil der Bevölkerung gibt, die einem solchen Gemeinwesen kritisch bis teilweise auch militant gegenüberstehen. Das ist aber nicht neu, Corona hat dieses Missverhältnis nur sehr transparent gemacht.

Mit dem Klimawandel und den zu seiner Bewältigung zu ergreifenden Maßnahmen werden wir nämlich in sehr naher Zukunft vor sehr viel größeren Aufgaben und Herausforderungen stehen. Und auch hier wird es wieder eine – in den letzten Jahren immerhin stark geschwundene – Minderheit geben, die zum einen den Klimawandel leugnet und zum anderen dann natürlich auch alle Strategien dagegen ablehnt. Aber auch das wird weder unsere Gesellschaft in Deutschland, noch in Europa spalten. Wir dürfen uns – wie bei der Pandemie – der immer stärkeren Unterstützung aller wissenschaftlichen Disziplinen sicher sein und davon ausgehen, dass auch hier einschneidende Schritte von der Solidarität der Vernunft getragen werden. Deswegen wird auch hier wieder unsere Solidarität gefragt sein, aber nicht nur. Sicher aber nicht nur im Inneren wie bei der pandemischen Lage und den Sturzflut-Ereignissen. Denn gerade hier liegen die umfassenden Lösungen auf der globalen Ebene, wie – um nur zwei Beispiele in Anspruch zu nehmen – das kontinuierliche Abschmelzen der Pole, das Auftauen der Permafrostböden oder die bis in die entferntesten Ozeane der Welt reichende Plastikflut unserer Industriegesellschaft offenbaren.

Solidarität heißt hier, auch dann zu beginnen und Fakten zu setzen, wenn noch nicht alle in der Lage oder bereit sind, diesen Weg jetzt schon zu bestreiten. Die Welt ist aber überall über die Folgen des Klimawandels alarmiert. Dort, wo Meinungsfreiheit herrscht, wird dies unüberhörbar deutlich. „Fridays for Future“ war dazu beileibe nicht der Anfang, aber der Beginn eines weltweit wahr-genommen Weckrufs der jungen Generation. Diese – die all diese Folgen vor allem noch ausbaden müssen – erwarten hier nun unsere Solidarität. So wie sie sich in der ersten Phase der Pandemie überzeugend solidarisch mit den Ängsten und Erwartungen älterer Generationen gezeigt haben. Auch hier geht niemand davon aus, dass unsere Gesellschaft gespalten ist. Natürlich gibt es jene, die es als ihre Freiheit ansehen, die nicht mehr zu leugnenden Argumente der Wissenschaft weiter hartnäckig zu ignorieren. Diesen Widerspruch muss eine freiheitlich orientierte Gesellschaft aber aushalten. Sie muss mit Argumenten dagegen konstruktiv vorgehen. Das gilt gerade jetzt auch für den Weg, der nun aus dieser Klimakrise gesucht werden muss. Auch da gibt es noch etliche Optionen, aber der wissenschaftliche Mainstream ist eindeutig. Die Gesellschaft ist nicht gespalten, dass wir an einem kritischen Punkt stehen und noch Entscheidungen notwendig werden, die weit – sehr weit – über politische Legislaturperioden hinausreichen. Es wird und es muss darum weiter gerungen werden, welche Schritte uns möglichst schnell und effizient zu den global notwendigen Zielen führen werden.
Hier aber wird unsere Solidarität auch global gefordert sein. Und dies darf keine Einbahnstraße bleiben. Denn wir können bei diesem Thema nur solidarisch Erfolg haben, wenn vor allem afrikanische, südamerikanische und etliche südasiatische Völker nicht alleine von Europa, Kanada und Japan, sondern auch von den USA, Russland, China, Indien und Brasilien massiv und effizient unterstützt werden. Hier vor allem gilt es noch einen politischen Konsens zu finden, wie auch diese – in der Tat gespaltenen – Länder in eine globale Solidaritäts-Strategie für die Zukunft unseres Planeten eingebunden werden können.

Die Herausforderungen des Klimawandels sind zu schaffen – auch jetzt noch – aber nur mit dem Willen, diese Aufgabe in globaler Solidarität anzugehen. National wird diese Aufgabe nicht zu stemmen sein – auch nicht von jenen, die das momentan noch als Perspektive sehen.

In diesem Sinne, auf 2022 liegen viele Hoffnungen……

Dieter Popp (Haundorf), Regionalberatung

Mentale Überforderung

Dr. Ingo Friedrich: Grund sind die globalen Probleme

Von der heutigen Gesellschaft und damit vom heutigen Bürger und auch von der Politik werden derzeit auf vielen Gebieten gigantische Lernprozesse erwartet, ja eingefordert. Während man beim Schulkind zurecht versucht, neue Lerninhalte in einem sinnvollen und verständlichen Nacheinander darzustellen, werden dem Zeitgenossen alle neuen Themen gleichzeitig und mit der Erwartung präsentiert, sie auch sofort zu verstehen, zu akzeptieren und alsbald anzuwenden. Bei einem großen Anteil der Bürger kommen diese Forderungen in Kombination mit den anderen akuten Veränderungszwängen als eine Art Explosion von Komplexität an, der sich viele nicht mehr gewachsen fühlen. Beispiele:

Hat der Bürger gerade erst gelernt, nationale Interessen um die Belange der europäischen Ebene zu ergänzen, so soll er jetzt schon zügig auch die Probleme der globalen Ebene in seinem Denken berücksichtigen (Stichwort: Gerechtigkeit für alle Länder).  Hat er gerade erst genderkonform die Sprech- und Schreibweise Bürger*innen kapiert, so soll er jetzt schon professionell mit den Begriffen „nichtbinär“, „queer“ und „trans“ jonglieren. Hat er gerade verinnerlicht, dass die Begriffe „Mohrenkopf“, „Farbige“ und „Zigeunerschnitzel“ nicht mehr korrekt sind, so muss er schon wieder lernen, dass eine Afrolookfrisur bei weißhäutigen Menschen wegen „Cancel Cancel“ nicht akzeptiert werden kann, während eine Blondfärbung der Haare bei Menschen anderer Hautfarbe korrekt ist.

Anhand des beeindruckenden Vortrags der amerikanischen Literatin Amanda Gorman bei der Vereidigung von Präsident Biden wird die Frage gestellt, ob weißhäutige Übersetzer überhaupt noch Literatur von „dunkelhäutigen“ Autoren übersetzen dürfen. Deutsche Kinderbücher und Kinderlieder müssen umgeschrieben ebenso wie Firmenlogos, Stadtwappen und Apothekennamen.

Das kann ja alles diskussionswürdig und berechtigt sein, nur müssen – wie bei allen großen Veränderungen – die Bürger verständnisvoll, mit guten Begründungen und gewissen Lernzeiten “mitgenommen“ werden und unnötige Übertreibungen sollten tunlichst vermieden werden.

Nur so kann verhindert werden, dass sich (gerade im Internet) ganze Bevölkerungsgruppen „ausklinken“ und nicht mehr „mitspielen“, zumal von den Bürgern auch auf vielen anderen Gebieten (Pandemie, Klima, Globalisierung, Landwirtschaft) eine immense Veränderungs- und Lernbereitschaft verlangt wird. Auf jeden Fall muss verhindert werden, dass bei uns in Deutschland und Europa auf Grund mangelnder Erklärung und rigoroser Umsetzung „amerikanische“ Verhältnisse a la Trump entstehen. Gewissenlose Agitatoren, die all die Neuerungen summa summarum ablehnen und auf das „Altbewährte“ setzen und obendrein noch raffiniert Verlustängste schüren, sind leider schnell gefunden. „Eile mit Weile“ ist ein alter und bewährter deutscher Grundsatz, der auch auf diesen sensiblen Gebieten Anwendung finden sollte.

DR. INGO FRIEDRICH, Gunzenhausen, langjähriger Vizepräsident des Europäischen Parlaments

Solidarischer werden!

Wünsche für das neue Jahr 2021

Vor einem Jahr habe ich Wünsche für das neue Jahrzehnt formuliert, davon ist nun ein Jahr verstrichen. Nur wenige dieser Wünsche haben sich in den ersten 10 % dieser Zeitspanne erfüllen lassen. Das lag natürlich auch daran, dass niemand vorhersehen konnte, mit welcher Wucht uns ein Ereignis treffen würde. Aufmerksame Nachrichtenhörer hatten zwar schon ab November 2019 diese Meldung aus dem fernen Wuhan wahrgenommen. Mir war sie aber in meiner Perspektive für das kommende Jahrzehnt eben auch keine Erwähnung wert gewesen. Welch ein fataler Irrtum! Aber immerhin hat es dieser Virus bewirkt, dass einige – zunächst als unmöglich erreichbare –  Ziele umgesetzt werden konnten!

Regionalberater Dieter Popp


Aber in diesen Tagen verwünschen nun viele zu Silvester einfach nur dieses abgelaufene Jahr. Leider ist auch dies ein fataler Irrtum. Denn damit verdrängen wir die selbst verschuldeten Hintergründe, die zu diesem Corona-Jahr geführt haben. Wir sollten als dauerhaft wirkende Erfahrung aus diesem Jahr eben auch mitnehmen, dass man nun nicht weiter ungestraft immer tiefer in sensible Naturräume vordringen darf, dass grenzenloser Konsum, Hypermobilität und eine ausschließlich quantitative Wachstumsfixierung eindeutige Fehlorientierungen bedeuten, dass die global verwobenen Lieferketten eine enorme Krisenanfälligkeit bedeuten und dass vor allem unser Gemeinwesen  funktionierende öffentliche Infrastrukturen auch über das bisherige Maß hinaus braucht, die uns dieses Jahr immerhin noch besser als viele andere auf der Welt noch relativ gut haben überstehen lassen!

Dieses Jahr hat uns aber auch bewusst gemacht, mit welcher unvorstellbaren Überheb-und Selbstverständlichkeit einige von uns einen Alltagsrassismus an den Tag legen, der sich zudem sehr schnell in sein Gegenteil verkehren kann. Noch im Frühjahr mussten sich viele asiatisch aussehende Gäste in unserem Lande reflexhafte Vorwürfe anhören bzw. wurde mit peinlich anmutenden Gesten bedeutet, dass sie in „ihr Corona-Land“ zurückkehren gehen sollten! Es darf daher nicht verwundern, dass angesichts der mittlerweile eingetretenen Infektionszahlen ähnliches nun Europäern im asiatisch-pazifischen Raum widerfährt. Taiwan, Südkorea oder Neuseeland feiern den Jahreswechsel in einem Zustand großer Gelassenheit und einer wieder erlangten persönlichen Freiheit. Gerade Neuseeland gilt als Musterbeispiel im zukunftsfähigen Umgang mit dieser Krise. Eine uns offenkundig ungewohnte Disziplin als DNA eines funktionierenden Gemeinwesens prägt erfolgreich die Gesellschaften dieses Raums. Sie wissen und beherzigen, dass es ohne diese Disziplin keine Freiheit geben kann. Die Menschen dort fühlen sich von ihrem Staat – trotz verordneter sehr konsequenter Einschränkungen – gut beschützt und sind vor allem stolz, mit Disziplin und Vernunft auch einen eigenverantwortlichen Beitrag zur Normalität ihres Alltags leisten zu können. Maskenverweigerung oder Proteste wie hier bei uns mit einer sog. „Querdenker-Bewegung“ sind in diesen Ländern mit einer anderen Qualität des gesellschaftlichen Zusammenhalts schlicht undenkbar. Bei der hierzulande immer noch offenen Suche nach dem Weg aus dieser Krise und vor allem nach erfolgreichen Langzeitrategien, könnte uns ein offener Blick in diesen asiatisch-pazifischen Raum außerordentlich hilfreich sein.

Wenn wir uns einen schnellen Weg aus dieser Krise wünschen, dann müssen wir im neuen Jahr eine andere Form der Solidarität finden. Wer noch im Zuge des ersten Lockdowns über eine vorher nie wahrgenommene Form gegenseitiger Solidarität freudig überrascht war und völlig neue Charakterzüge im Wesen unserer Gesellschaft wahrzunehmen glaubte, musste im Verlauf des weiteren Jahres sehr enttäuscht werden. Es gibt sie zwar, diese evtl. vorher noch nicht so sichtbare Solidarität in unserer Gesellschaft. Aber es sind eben wiederum nur die grob geschätzt zwei Drittel, die auch bis jetzt von den beschlossenen Maßnahmen überzeugt waren, sich an die Empfehlungen gehalten oder auch stärkere Einengungen von Freiheitsrechten im Interesse des Gemeinwohl hingenommen haben. Das Denken, auch aus Sicht der Anderen  ist aber offenkundig noch nicht so vielen ein Bedürfnis!
So nimmt es nicht Wunder, dass diese zart aufblühende neue Solidaritäts-Welle in unserer Gesellschaft bereits wieder erkennbar verebbt!

Wir werden einen Weg aus dieser uns einengenden Krise mit Sicherheit frühestens gegen Ende dieses jetzt anbrechenden Jahres gewinnen können. Aber es bedarf dazu gerade des Willens zu dieser umfassenden gesellschaftlichen Solidarität. Viele Alltagserlebnisse dieser Tage lassen bei immer mehr Menschen Zweifel aufkommen, ob wir dazu wirklich bereit sind. Und wer vermeintlich seine verbürgten Freiheitsrechte dadurch eingeschränkt sieht und deswegen vor allem lautstark und auffällig demonstriert, verspielt dieses Recht auch gleichzeitig mit dem bewussten Verzicht auf eigene Schutzmaßnahmen, um vor allem ja andere vor irreparablem Schaden zu bewahren. Es sind gerade diese sich aktive gebärenden Solidaritätsverweigerer und die von ihnen ausgehende politische Gefahr, die auch zu dem nach wie vor fehlenden Mut der Politik zu tief einschneidenden, aber dafür dann auch wirksamen Maßnahmen führen könnten. Gerade in einer Pandemie – nicht in der Spaß-Gesellschaft  – zeigt es sich, wie weit Menschen bereit sind, sich einem gesamtgesellschaftlichem Ziel und einer am Gemeinwohl orientierten Solidarität unterzuordnen.

Auch wenn die Pandemie und deren Überwindung dieses Jahr 2021 weiter prägen werden, es sind aber auch noch andere Aufgaben da, die uns absehbar herausfordern werden.
Es muss uns weiter bewusst sein, dass wir seit etwa drei Dekaden sehr exakt wissen, was das Überleben auf dieser Erde bedeutet. Wir haben in dieser Zeit aber dennoch nicht alles dazu Notwendige unternommen. Wenn wir jetzt nicht endlich konsequent handeln, wird uns in sehr naher Zukunft – wir haben wohlweisliche noch Zeit bis zum Ende dieses Jahrzehnts – nur noch die Möglichkeit bleiben, schmerzhafte Sachzwänge zu exekutieren. Die jetzt bitter notwendigen klimapolitischen Entscheidungen werden und müssen – wenn sie erfolgreich sein sollen – uns allen wehtun! Wir brauchen dazu zum einen Politiker, die zu diesem „Harakiri“ den Mut haben und wir brauchen zum anderen Wähler, die dies eindeutig verstehen und auch aktiv mittragen. Die Akzeptanz solch tief einschneidender politischer Schritte steht und fällt mit der Frage, ob sie umfassend gut begründet sowie vermittelt wurde und als gerecht empfunden wird. Die Einsichtsfähigkeit einer verantwortungs-bewussten Mehr ist größer, als es viele der in der politischen Verantwortung stehenden Personen glauben!

Wir werden dann aber wirklich auch liebgewonnene Freiheiten verlieren! Dagegen war Corona wohl allenfalls ein blasser Vorgeschmack.  Und es wird dann auch dagegen von sog. „Querdenker“ und deren Gefolge einen vor allem lautstarken Protest geben.
Aber beides muss eine Gesellschaft aushalten, die – wie Corona gezeigt hat – an ihre Zukunft glaubt und dafür auch ernsthaft eintritt. Corona war eine Blaupause, die uns transparent macht, was da auf uns – in weit größerer Dimension – unabwendbar noch zukommen wird.

Wenn das Jahr 2021 zur Neige geht und wir dann die Gewissheit wieder erlangt haben, dass wir mit Viren wie Corona – es gibt rund 2.000 davon – leben können, werden wir wieder frei sein um uns dann endlich der Zukunft unserer Erde gemeinsam zu widmen.  Denn von ihr haben wir nur diese eine!

DIETER POPP, Regionalberater

Revolution der Mittelschicht?

Dr. Buschmann schrieb für den „Spiegel“ den folgenden Gastbeitrag

Der Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft ist angesichts der Corona-Krise beeindruckend. Doch niemand sollte sich täuschen: Lange werden sich das die Leute nicht mehr gefallen lassen. Zugespitzt formuliert: Bald könnte Revolution in der Luft liegen, wenn das so weiter geht. Stellt die deutsche Mittelschicht irgendwann fest, dass ihr Betrieb pleite, ihr Arbeitsplatz verloren oder ihr Aktiensparplan wertlos ist, dann wird sie sich radikalisieren.

Das ist keine Panikmache, sondern eine Lehre aus der Geschichte. Schon der französische Historiker Alexis de Tocqueville lehrte, dass die Bürger eines Staates in Phasen langen Wohlstands immer empfindlicher gegenüber Zumutungen werden, die sie als ungerecht empfinden. Daraus folgt: Revolutionen finden nicht dann statt, wenn es den Menschen am schlechtesten geht. Sie neigen dazu, wenn auf eine lange Periode großen Wohlstands ein plötzlicher Einbruch stattfindet.

Der deutsche Soziologe Theodor Geiger erkannte in der politischen Radikalisierung im Deutschland der 1930er-Jahre eine Reaktion der Mittelschicht auf ihren gesellschaftlichen Absturz in der Weltwirtschaftskrise. Der US-Politologe Samuel Huntington war der Ansicht, dass die Mittelschichten zur Radikalisierung tendieren, wenn sie die Sorge umtreibt, im Vergleich zu anderen Gruppen ihren gesellschaftlichen Status zu verlieren. Und der US-Politologe Francis Fukuyama erinnerte jüngst daran, dass der gesellschaftliche Abstieg von Mittelschichten ein Treiber aggressiver Polarisierung sei.

Die Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 25. März 2020 haben den Zweck, den Bürgern und Betrieben ein wenig Zeit zu verschaffen, um auf den externen Schock der Corona-Krise reagieren zu können. Aber das bisschen Zeit, dass der Staat der Gesellschaft und der Wirtschaft trotz gewaltiger Summen, die mobilisiert worden sind, erkaufen kann, läuft bald ab. Bis dahin müssen medizinische Szenarien und politische Abwägungen her. Sie müssen die Frage beantworten, ab wann es verantwortbar ist und ab wann es sogar geboten ist, die jetzige Ausnahmesituation der sozialen Distanzierung zurückzufahren und schließlich zu beenden.

Für diese Abwägungen wird entscheidend sein, ob bereits zugelassene und ausreichend skalierbar produzierbare Medikamente den Krankheitsverlauf einer Covid-19-Infektion mildern, unterbrechen, der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Betreuung vorbeugen und die Sterblichkeitsrate signifikant senken können. Solche Medikamente könnten dann schnell und breitflächig zum Einsatz kommen. Die gesundheitliche Gefahrenlage könnte sich dadurch erheblich entspannen. Sämtliche klinische Studien, die diesem Zweck dienen, müssen finanziell und administrativ volle Unterstützung erhalten.

Für diese Abwägungen wird entscheidend sein, ob schnellere und zuverlässige Verfahren für Massentests verfügbar werden. Denn dann wäre es möglich, Menschen, die den Virus verbreiten, schneller zu identifizieren und zu isolieren. Dann wäre es auch denkbar, “sichere Häfen” zu schaffen, in denen sich Menschen aufhalten und dort frei interagieren können, die negativ getestet sind und sich weiterhin engmaschig Tests unterziehen. In diese Abwägung muss der verlässliche Wissensstand zu Hochrisikogruppen einfließen. Wenn sie gezielt so geschützt werden könnten, dass Gesundheitsgefahren für die restliche Bevölkerung auf das Niveau einer schweren Grippewelle sinken würden, wie es der Virologe Alexander Kekulé jüngst formulierte, dann wäre eine Aufhebung des allgemeinen Lock Downs nicht nur verantwortbar möglich, sondern grundrechtlich sogar geboten. Und in diese Abwägung muss auch eine mögliche Radikalisierung der Mittelschicht mit einfließen.

Wiege des Grundgesetzes

Zur Bedeutung des Herrenchiemseer Verfassungskonvents

Ein Ort der demokratischen Erinnerungskultur in Bayern ist Herrenchiemsee. Das Königsschloss auf der Insel war 1948 für zwei Wochen die Tagungsstätte von Verfassungsexperten aus den damals elf westdeutschen Bundesländern. Sie berieten die Grundlagen des Grundgesetzes, vor allem Dingen legten sie den Grundstein für die förderalen Strukturen in der Bundesrepublik. In der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte (Band 81, Heft 2) ordnet Manfred Treml, Professor an der Uni Eichstätt und Vorsitzender des Verbands bayerischer Geschichtsvereine , Herrenchiemsee als „Ort der Demokratie in Bayern“ ein.

Herrenchiemsee mit seiner tausendjährigen Geschichte  ist wohl als repräsentatives Werk des Märchenkönigs Ludwig II. allen bekannt, aber der Name steht auch für die „Wiege des Grundgesetzes“. Im einstigen Speisezimmer des legendären Königs trafen sich die Verfassungsexperten, um das Grundgesetz vorzubereiten.  Eine gesamtdeutsche Konferenz war es freilich nicht, denn nur die drei westlichen Siegermächte standen hinter dem demokratischen Projekt. Jedes Land war mit einem Bevollmächtigten, meist Staatsminister, und einer Gruppe von Rechtsexperten präsent. Gastgeber war Anton Pfeiffer, der Chef der bayerischen Staatskanzlei. Von ihm schwärmte der Hesse Hermann Brill als „Mischung von naturwüchsiger, bajuwarischer Vitalität und  politischem Barock,  aber etwas trockener bürokratischer Manier.“ Wortführer der SPD der württembergische Justizminister Prof. Carlo Schmid. Die neue Verfassung sollte die Konstruktionsfehler der Weimarer Verfassung vermeiden und sich an der bayerischen Verfassung orientieren. Als Artikel 1 formulierten die Gründungsväter das Gebot: „Der Staat ist nicht um des Menschen willen da, nicht der Mensch um das Staates willen.“ 

Auf 92 Seiten leiteten die „Herrienchiemseer“ ihren Entwurf an den Parlamentarischen Rat weiter, der schlussendlich über die neue Verfassung, das Grundgesetz, zu entscheiden hatte.  Das Ergebnis der Konferenz wurde aber nicht einhellig positiv bewertet. Skeptiker erkannten nur einen akademischen Wert. Die SPD stand kritisch-ablehnend gegenüber, Dr. Thomas Dehler von der FDP tat das Werk als „lebensfremde Theaterattrappe“ ab und Kanzler Konrad Adenauer von der CDU  distanzierte sich von der „unmöglichen Konstruktion“ und widmete in seinen 601 Seiten starken „Erinnerungen“  der Konferenz nur sechs Zeilen. Die Bayern hatten damals schon ein zwiespältiges Verhältnis zur bundesdeutschen Verfassung. Es war  taktisch motiviert. Sechs von acht ihrer Vertreter im Parlamentarischen Rat lehnten das Grundgesetz ab und im Landtag blitzte es mit 101:63 Stimmen ab, aber zuvor hatte die Regierung doppeldeutig zu erkennen gegeben, das Grundgesetz anzuerkennen, wenn Zweidrittel der deutschen Länderparlamente zustimmen.  Das taten sie.

In der Rückschau freilich fällt das Urteil über den Herrenchiemseer Konvent anerkennend aus. Für Staatskanzleichef Kurt Faltlhauser, der 1998 eine große Ausstellung initiierte, war Herrenchiemsee eine „demokratische Weihestätte“ und der seinerzeitige Bundespräsident Roman Herzog bekannte pathetisch: „Wir brauchen ein zweites Herrenchiemsee n in Deutschland.“ Prof. Manfred Treml spricht von einem „vergessenen, aber bedeutenden Ort“  der demokratischen Erinnerungskultur in Bayern. Aber auch er hat erkannt, dass sich „demokratische Werte nur eingeschränkt monumental ausstellen lassen“.

WERNER FALK

Gesellschaftsdialog fehlt

Ohne Bauern keine attraktive Kulturlandschaft

Der massive Protest vieler sich falsch verstandener Landwirte in diesen Tagen macht ein gesamtgesellschaftliches Dilemma deutlich, dessen zukunftsorientierte Lösung nur in einem umfassenden Gesellschaftsdialog möglich sein wird. Dieter Popp als Sprecher von Slow Food Altmühlfranken ist davon überzeugt, dass dieser Weg unter aktiver Einbindung der Verbraucher der einzige sein wird, der für die Bauern, für den gesellschaftlichen Frieden, dem Ausgleich zwischen Stadt und Land, einer Weiterentwicklung unserer Kulturlandschaft mit ihrer Biodiversität und unserer Lebensqualität jetzt unumgänglich geworden ist, wenn wir – denn darum geht es im Kern – unser Klima ernsthaft retten wollen. Es führt nun kein Weg mehr daran vorbei, die Bauern und natürlich auch die Waldbesitzer endlich in einen konkreten Dialog auf Augenhöhe mit der Gesellschaft zu führen.

Regionalberater Dieter Popp von “FUTOUR” – hier mit Frau Gerda – verlangt einen Dialog auf Augenhöhe, um die Kulturlandschaft zu erhalten.

So ehrenwert und nachvollziehbar die Proteste dieser Tage sein mögen, sie erzeugen bei großen Teilen der Gesellschaft nach wie vor nur Unverständnis und trotzen der Politik – wie wieder zu sehen war – lediglich hilflose Beschwichtigungsfloskeln ab. Auch die Ankündigung eines weiteren „Gipfels“, nach dem Wald jetzt zur Landwirtschaft, zeigt allenfalls dass hier wiederum nur mit Lobbyisten, nicht aber mit den Verursachern dieser katastrophalen Misere gesprochen werden soll.

Die Probleme liegen auf der Hand und täglich sind es weitere – politisch unverdächtige – Einrichtungen,  die uns mit an Deutlichkeit nicht zu übertreffenden Aussagen diese Situation transparent machen. Die UN, der Weltklimarat, die EU und jetzt die Bundesregierung sowie die Bundesländer weisen übereinstimmend auf eine, die gesamte Menschheit bedrohende Umweltsituation hin. Verursacher sind aber wir alle mit unserem völlig überzogenen Konsumdenken. Es ist jedoch fatal, wenn sich nun die Landwirte als einzige an den Pranger gestellt fühlen und sich deswegen so vehement wehren. Aber auch sie kommen nicht umhin anzuerkennen, dass zunehmende Hitzeperioden, vertrocknete Ernten, versiegende Bewässerungsanlagen, verunreinigtes Grundwasser und das dramatische Wegbrechen der für die Bestäubung notwendigen Insekten dramatische Zukunftsperspektiven eröffnen.

Natürlich gehen all diese von uns allen als Konsumenten ausgelösten Bedrohungen der Existenzgrundlage der Menschheit, weit über diese auch die Landwirte betreffenden Rahmenbedingungen hinaus. Die unvorstellbar großem Mengen an Plastik, welche die Weltmeere bis hin zu den Polen, die Binnengewässer und selbst schon unsere heimischen Bäche und Seen massiv belasten, die dramatische Luftverschmutzung in etlichen Teilen dieser Erde, der anschwellende Flüchtlingsstrom aus jenen Ländern, die bereits die Schwelle der ökologischen Belastbarkeit – oftmals mit Unterstützung entwicklungspolitischer Ansätze durch uns – überschritten haben, die abschmelzenden Pole, die nicht versiegende Nachfrage nach klimapolitisch bedenklichen SUV oder die industrielle Gier nach dem Erwerb der Patente auf Saatgut bzw. der Raubzug nach einem immer größeren Landbesitz durch internationale Kapitalgesellschaften zeigen eigentlich unmissverständlich auf, dass der Appell der Landwirte an die Politik, doch bitte mit ihnen zu reden, an die falschen Adressaten gerichtet wird.

Es sind wir Verbraucher – und da die Industriestaaten – die sich über alle Warnungen hinweggesetzt haben, um einen bequemen Lebensstil ohne Rücksichtnahme auf nachfolgende Generationen oder benachbarte, von der Natur weniger begünstigte Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Ohne diesen völlig aus dem Ruder gelaufenen Lebensstil des immer Mehr, immer Weiter, immer Bequemer und vor allem immer Billiger wäre diese dramatische Zuspitzung der Situation auf unserer Erde niemals zu beklagen!
Vor diesem Hintergrund wäre es auch Aufgabe der Bauernverbände gewesen, ihre Mitglieder an die Spitze einer Bewegung zu führen, die nach nicht mehr und nicht weniger trachtet, als mehr Sensibilität sowie Respekt gegenüber unserer Zukunft einzufordern:
gegenüber der uns alle tragenden Natur, beim Respekt im Umgang mit natürlichen – sowohl erneuerbaren, wie auch nicht erneuerbaren – Ressourcen und vor allem auch gegenüber Menschen, welche diese Grundlagen des täglichen Lebens durch nachhaltiges Wirtschaften mühevoll gewährleisten.

Wir müssen im Interesse aller z.B. unser Grundwasser schützen und dieser Forderung können sich auch die Landwirte nicht entziehen. Es nützt daher aber wenig, jetzt nur die Bauern mit dem zu recht verschärften Düngerecht zu belangen. Jetzt müssen endlich alle Verbraucher als Adressaten einer Umweltvorsorgepolitik eingebunden werden. Nur eine massive Veränderung unseres Konsum-verhaltens wird kurzfristig und vor allem umfassend eine Veränderung herbeiführen. Dies wird unweigerlich bedeuten, dass unsere Lebenshaltungskosten – vor allem bei den Lebensmitteln – deutlich steigen müssen, wenn wir alternativ unseren Lebensstil nicht gravierend verändern können oder wollen. Die Politik muss nun den Mut aufbringen, dies als politische Maxime zu verstehen und danach auch zu handeln! Zaghafte Lösungen wie jüngst bei der Festlegung der CO2-Abagbe werden uns leider nicht weiterhelfen können.

Ich stehe zu Schwarz-Rot-Gold

Deutschlandfahne nicht den Rechtsradikalen überlassen

Ich lebe als bewusster Franke, als patriotischer Deutscher und als überzeugter Europäer. Die Deutschlandflagge zu hissen – damit habe ich überhaupt kein Problem. Wenn vornehmlich politisch links stehende Politiker glauben, es sei schon „reaktionär“, öffentlich zu den deutschen Farben zu stehen, dann habe ich dafür keinerlei Verständnis.  Wir dürfen den Rechtsradikalen nicht erlauben, sich als die „besseren Deutschen“ zu produzieren. Das tun wir aber, wenn wir nicht eindeutig Flagge zeigen – und das im wörtlichen Sinne.

Ich halte es mit dem sozialdemokratischen Bundespräsidenten Walter Steinmeier, der uns auffordert, Schwarz-Rot-Gold nicht den rechten Schwadronierern zu überlassen, sondern die Farben selbstbewusst zu tragen. Wir müssen Deutschland im Herzen, aber Europa im Kopf haben, denn als Nationalstaaten haben wir in einer globalisierten Welt keine Zukunft. Nur als europäische Einheit können wir gegenüber den anderen Machtgiganten China, USA und Russland bestehen. Das müsste doch allen klar sein. Der Brexit führt uns vor Augen, wo es hinführt, wenn nationale Egoismen überhand nehmen.

Überzeugen kann auch nicht der „ungarische Weg“, der darauf beruht, einerseits die europäischen Einheitsbemühungen zu verdammen, andererseits aber doch von den Fördertöpfen der EU gut zu leben. Im gleichen Maße verwerflich ist das Theater der italienischen Polit-Schauspieler, die offen Stimmung gegen Europa machen, um ihre politische Existenz  zu rechtfertigen.

WERNER FALK, Vorsitzender der FDP und Stadtrat in Gunzenhausen

Das Kreuz mit dem Kreuz

Zur Anordnung, die Landesbehörden mit Kreuz zu schmücken

Markus Söder ist sich in seinem „Dekret“ treu geblieben: Er polarisiert lieber als dass er eint. Wobei schon allein der Begriff „Dekret“ eher an die absolutistische Regierungsweise von Putin und Erdogan erinnert als eine demokratisch motivierte Entscheidung.

Ich bin mir sicher, das Bundesverfassungsgericht „kassiert“ den Erlass aus München wieder, allerdings wird dies erst nach der Landtagswahl im Bayern sein. Der Zweck ist bis dahin schon erfüllt, denn es geht nur um ein Spektakel vor der Wahl und um das Rückholen der CSU-Wähler, die bei der AfD gelandet sind. Es ist kein anderer Grund erkennbar, denn wirklich einen Sinn macht die Aktion nicht.  Die bayerischen Christen fragen sich: Steht die ganze CSU dahinter? Mitnichten. Schon haben sich prominente Mitglieder wie der frühere Kultusminister Hans Meier ablehnend zur Anordnung von Söder geäußert, wonach im Eingangsbereich aller staatlichen Behörden in Bayern ab 1. Juni ein Kreuz hängen soll. Der wertkonservative Professor steht ganz gewiss nicht im Verdacht, ein Atheist zu sein.

Die Position der beiden großen Kirchen ist ebenfalls klar: Der Münchner Kardinal Dr. Marx („Eine medienwirksame Symbolik“) beklagt, Söder habe „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“ bewirkt. Zu erklären, was das Kreuz für einen Christen bedeute, das stehe dem Staat nicht zu. Der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof stößt in die gleiche Richtung: „Das Kreuz ist kein Symbol für Bayern und erst recht kein Wahlkampflogo“. Für „keine besonders kluge Idee“ hält Söders neue Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Marion Kiechle, das Vorgehen ihres Kabinettchefs.

Der evangelische Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm erklärt: „Die Reduzierung auf ein Kultursymbol, die geht natürlich nicht, denn das sogenannte christliche Abendland ist ein Raum, in dem viel Unrecht passiert ist. Wer das Christentum vereinnahmt, um nur die eigenen Ziele zu legitimieren, der hat das Kreuz nicht verstanden.“ Und Pfarrer Heiko Kuschel stellt die Frage: „Ist das Kreuz ein Bekenntnis zur bayerischen Identität?“ Wer im Zeichen des Kreuzes andere bekämpfe statt ihnen helfen, der habe den christlichen Glauben nicht verstanden.

Was also soll das Ganze?  Es ist nicht mehr als der Versuch, die CSU als rechtspopulistisch zu präsentieren, verbunden mit der Hoffnung, dass das Manöver seine Wirkung nicht verfehlt und die enttäuschten Wähler zurückfinden.

Ich bin evangelisch getauft, konfirmiert und auch getraut worden. Und ich versuche nach den 10 Geboten zu leben. Das ist für mich das Wichtigste für einen Christenmenschen. Wie uns Martin Luther gelehrt hat, darf der Gläubige aufsässig sein, jedenfalls muss er nicht alles abwinken, was von oben kommt.

Die von Söder veranlasste Kreuz-Aktion widerspricht dem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung, denn beide  garantieren die absolute Religionsfreiheit. Das bedeutet auch, dass sich der Staat aus den religiösen Empfinden seiner Bürger herauszuhalten hat. Und die können Christen, Mohammedaner oder Buddhisten sein.  Das ist auch mein Verständnis von unserem Rechtsstaat. Deshalb freut es mich, dass nicht nur bekannte Liberale das Wort gegen die Söder-Politik erheben, sondern auch viele prominente Persönlichkeiten aus dem konservativen Lager, denen die Freiheitlichkeit unserer Gesellschaft wichtiger ist als ein symbolisch fragwürdiger Akt der Tagespolitik.

Der FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen appellierte an Söder: „Lassen Sie uns im Eingangsbereich jeder Behörde den ersten Satz von Artikel 1 unseres Grundgesetzes anbringen! „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – treffender lassen sich die Grundwerte unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung doch nicht auf den Punkt bringen.“

Ich baue auf die Urteilskraft unserer bayerischen Wähler und auf das Selbstbewusstsein unserer katholischen und evangelischen Mitbürger.

WERNER FALK, Stadtrat der FDP in Gunzenhausen

Neue Ausgabe von „Edition Bayern“

Untertitel: “Bayern in der Bundesrepublik”

Wie wurde Bayern zum Freistaat und was macht ihn so besonders aus? Diese Frage beantwortet die neue Ausgabe der „Edition Bayern“, herausgegeben vom Haus der Bayerischen Geschichte.  Der Untertitel „Bayern in der Bundesrepublik“ verrät, dass es in den Beiträgen um die weiß-blauen Eigenarten geht.

Kurt Eisner, ein sozialistischer Revolutionär, war nach dem Novemberaufstand von 1918 bayerischer Ministerpräsident. Das wird vielfach von denen vergessen, die die  Landesgeschichte nur oberflächlich kennen. Und dass das deutsche Grundgesetz im Freistaat seine Wurzeln hat, geht ebenfalls unter. Auf der Insel Herrenchiemsee hat 1948 der Verfassungskonvent zwei Wochen lang getagt. Vertreter der elf Bundesländer waren sozusagen in Klausur und machten sich Gedanken, wie eine demokratische Verfassung im Nachkriegs-Deutschland aussehen könnte. Das Protokoll von Herrenchiemsee war nicht unumstritten (Konrad Adenauer: „Privater Beitrag von Ländervertretern“), hat aber Eingang gefunden in die Beratungen des Parlamentarischen Rats.

Im Parlamentarischen Rat, also dem Gremium, das dem Deutschen Bundestag voranging, schlug 1949 übrigens die Geburtsstunden der „Doppelstrategie“, derer sich die CSU seither bedient. Damals schon lehnten sechs Abgeordnete das Grundgesetz ab und der Bayerische Landtag votierte ebenfalls mit 101:63 Stimmen gegen die neue Verfassung für alle Deutschen. Rechtsverbindlich war das Votum der Bayern allerdings nicht, denn die anderen Länder stellten zusammen die notwendige Zweidrittelmehrheit. Dieses Paradoxon entpuppte sich als taktischer Schachzug der CSU, der damals die Bayernpartei mächtig Konkurrenz machte.  Und so lautete das Paradoxon: „Bayern wird wie ein Löwe für seine eigenen Interessen kämpfen, sich aber in seiner Bundestreue von keinem anderen Land übertreffen lassen“.  Derlei  Zwiespältigkeit hatte über lange Zeit Erfolg, allerdings ist fraglich, ob die Strategie auch im Licht der aktuellen politischen Entwicklung (Duo Seehofer-Söder) noch wirksam sein kann ohne vom Wähler durchschaut zu werden.

Die „Edition Bayern“ beleuchtet aber nicht nur die Rolle des Freistaats in der Gemeinschaft der Länder und die besondere Beziehung zum Bund, sondern enthält ferner Interessantes und Unterhaltsames, beispielsweise zum „Politischen Aschermittwoch“, zur „Marke Bayern“ oder zu den Repräsentationen in Bonn, Berlin, Brüssel und Prag.

Zu beziehen ist die Publikation (132 Seiten, 10 Euro) über das Haus der Bayerischen Geschichte, Postfach 101751, 86007 Augsburg (oder per E-Mail: poststelle@hdbg.bayern.de).

Werner Falk