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Bewegte Kultur Altmühlfranken

Kulturnetzwerke öffnen mit „Aller.Land“ neue Blickwinkel


Das Kulturangebot und die Leistungen der Vereine und Kulturschaffenden im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen sind – auch im Vergleich zu anderen Regionen – beachtlich und auf einem hohen Niveau. Jedoch ist dieses kulturelle Potenzial bei den Menschen der Region nicht umfassend bekannt. Die bisherigen kulturellen Verbindungen orientierten sich hauptsächlich aus dem Landkreis heraus, basierend auf historischen Gründen. Dies führte unbewusst dazu, dass Kulturleistungen, Angebote und Kulturschaffende innerhalb des Landkreises nicht ausreichend vernetzt waren. Es bestanden jedoch Verbindungen zur Kultur außerhalb des Landkreises. Die mangelnde Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, besonders in kulturaffinen Zeiträumen, stellt für viele Kulturinteressierte ein Hindernis für die Teilnahme am vielfältigen Kulturleben dar.

Dies waren die drei wesentlichen Erkenntnisse aus den Workshops und anderen Beteiligungsformaten, mit denen die erste Wettbewerbsphase um das Bundesförderprogramm „Aller.Land“ gestartet war. Darauf aufbauend wurde der Wettbewerbsbeitrag entwickelt und am 10. Februar 2025 einer bundesweiten Jury in der Mogetissa-Therme vorgestellt. Etwa 100 Kulturschaffende aus dem Landkreis beteiligten sich an den vorbereitenden Workshops und der Präsentation.

Altmühlfranken entdeckt seinen Kulturreichtum durch Blickwechsel neu

Ziel des Wettbewerbsbeitrags ist die Etablierung einer Kulturplattform. Diese soll die Kultur der Region erschließen, Menschen und ihre Initiativen zusammenführen und eine gemeinsame Identität fördern. Damit verbunden ist ein Wechsel in der Blickrichtung, der neu ist und hilft diese kulturelle Herausforderung erfolgreich zu bewältigen.

Es wird ein Kultur-Netzwerk aufgebaut, um Information austauschen, Know-how transferieren und Kulturschaffende partnerschaftlich unterstützen zu können. Die erste Konzeptphase von „Aller.Land“ zeigte durch Kulturreisen, Werkstätten und Kulturgipfel, dass die regionale Kultur besser gewürdigt werden muss. Viele Kulturschaffende haben bisher wenig überregionale Kontakte gepflegt. Gründe hierfür sind vielfältig, aber die regionale Kultur wurde bisher zu wenig wahrgenommen und kommuniziert. Dies hängt auch mit einer schwachen regionalen Identität zusammen, die sich seit der Gebietsreform vor etwa 50 Jahren nicht vollständig entwickelt hat. Der „Aller.Land-Prozess“ deutet darauf hin, dass kulturelle Projekte, insbesondere partizipative, diese Verbindung herstellen können.

Kultur-Netzwerk Altmühlfranken

Die Einrichtung einer Kulturdatenbank, gegliedert nach Kultursparten, schuf eine Basis für die Vernetzung der regionalen Kulturszene. Interessierte Personen, Einrichtungen und Angebote können sich registrieren, sichtbar werden und Kontakte knüpfen. Diese Datenbank ermöglicht erstmals den Austausch und die Selbstwahrnehmung innerhalb der Kulturszene, die bisher fehlten. Mit jedem Eintrag erhöht sich der Wert der Datenbank. Es wird erwartet, dass die Akteure der Kulturszene diese Plattform für die Weiterentwicklung und Bewerbung ihrer Angebote nutzen.

Ein dieser Grundlage entstehendes Kultur-Netzwerk Altmühlfranken stellt eine Plattform dar, die das Kulturpotenzial der Region umfassend darstellt und für die Kulturarbeit nutzbar macht.
Dieses Netzwerk verbindet nicht nur bereits bestehende Akteure, sondern ermöglicht zusätzlich institutionalisierte Netzwerke, wodurch ein „Kultur-Netzwerk der Netzwerke“ entsteht. Diese Strukturierung initiiert, unterstützt oder begleitet neue Interaktionen und Beziehungen zwischen Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden. Ein vergleichbarer Ansatz existierte bisher nicht.
Kulturspezifische Netzwerke decken die Bereiche Jugendkultur, Theaterkultur, Museumskultur sowie Bildungs- und Beteiligungsarbeit ab. Die Evangelische Landjugend in Pappenheim koordiniert den Aufbau des Jugendkulturnetzwerks, die Theaterbürger Weißenburg das Theaterkulturnetzwerk, das Museum Treuchtlingen das Museumskulturnetzwerk und die vhs Gunzenhausen und Weißenburg das Bildungs- und Beteiligungskulturnetzwerk. Ziel ist es alle Kunst- und Kultursparten einzubeziehen, insbesondere auch bildende Künstler und Musiker jenseits von Vereinsstrukturen und Institutionen.

Das Jugendkultur-Netzwerk will bürokratische Hindernisse bei der Genehmigung und Durchführung von Kulturformaten für Jugendliche in Dörfern reduzieren. Ein zentrales Ausleihdepot mit Equipment für Jugendkulturangebote wie Festivals und Musikgruppen wird eingerichtet, um den Bedarf zu decken. In Beteiligungsworkshops werden die notwendigen Ausrüstungsgegenstände für dieses Depot ermittelt. Vorhandene Spielorte und Bühnen werden erfasst und für die Nutzung durch verschiedene Jugendgruppen freigegeben.
Das Jugendkultur-Netzwerk ermöglicht den beteiligten Akteuren, andere Jugendkultur-gruppen kennenzulernen und darauf aufbauend weitere Aktionen zu konzipieren und deren Realisierbarkeit zu prüfen. Durch beteiligungsorientierte Veranstaltungen werden neue Themen der Jugendkultur aus dörflichen Szenen an andere Orte transportiert und Kooperationen gefördert. Die Evangelische Landjugend Pappenheim koordiniert das Netzwerk unter Einbeziehung aller relevanten Jugendkulturstrukturen.

Das Theaterkultur-Netzwerk zielt darauf ab, die regionalen Bürger-Theater Altmühl-frankens zu vernetzen und Kooperationen zu fördern. Es berücksichtigt die Arbeit der „Theaterbürger Weißenburg“, die eine zentrale Rolle in diesem Netzwerk spielen. Die Netzwerkarbeit soll die regionale Kulturarbeit stärken, da es zunehmend schwieriger ist, Akteure für Kulturangebote in einzelnen Orten zu gewinnen.
Das Netzwerk plant den Aufbau eines Kultur-Depots mit Requisiten, die von allen Akteuren genutzt werden können. Dies soll die Beschaffung von Theatermaterialien erleichtern.
Durch Gastspiele an neuen Orten und Mobilitätsangebote wie Theaterbusse oder eine KulTournee sollen bestehende Theater-Kulturangebote (Schauspielgruppen, Musik-Ensembles und Chöre, Literatur-Zirkel) der Region zugänglicher gemacht werden. Das Netzwerk fördert die Entwicklung neuer Stücke und Kompositionen, die die regionale Kultur widerspiegeln. Ziel ist, dass die Region ihre Kultur selbst entdeckt, inszeniert und kommuniziert. Die „Theaterbürger Weißenburg eG“ leitet den Aufbau des Netzwerks und fördert den kreativen Austausch.

Das Museums-Netzwerk beabsichtigt die Vielfalt der über 50 musealen Einrichtungen, teils mit Exponaten von Weltrang, sichtbar zu machen und die Möglichkeit zu schaffen, das regionale Kulturgut durch kreative Zugänge und innovative Präsentationen neu zu erleben und zu verknüpfen. Die Kultur Altmühlfrankens benötigt eine zeitgemäße Darstellung. Ein beteiligungsorientiertes Projekt mit regionalen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen prüft, wie die Geschichte des Raums für die heutige Bevölkerung dargestellt und erlebbar gemacht werden kann. Ziel ist die Entwicklung temporärer Veranstaltungen mit lokaler Beteiligung.
Das Projekt soll das Verständnis und die Wertschätzung der regionalen Wurzeln fördern. Inszenierungen sollen unter aktiver Einbindung der Bürger die Identifikation mit der Region stärken. Das Museum Treuchtlingen übernimmt die Federführung beim Aufbau des Netzwerks.

Das Bildungs- und Beteiligungs-Netzwerk gründet auf den bestehenden vhs-Strukturen von Weißenburg und Gunzenhausen. Innerhalb der Volkshochschulen existieren eingespielte Teams und Netzwerke. Deren intensivere Vernetzung über die vhs-Grenzen hinaus ist ein Teil des Netzwerks. Die Initiierung, Begleitung und Motivation neuer Beteiligungsformen zur eigenständigen Aktion ist die Herausforderung.
Die Netzwerkarbeit bietet Dörfern Plattformen zur Entfaltung lokaler Kreativität. Eine mobile Bühne (z.B. ein Kleinbus mit entsprechender Ausstattung) kann Gruppen ohne geeignete Räumlichkeiten unterstützen. Das Netzwerk kann Bildungs- und Beteiligungsangebote fördern, indem es kreativen Gruppen fehlende Ausstattung bereitstellt.
Die Bildungsangebote der Volkshochschule können durch die Analyse offener Kultur-themen Grundlagen für eine neue regionale Perspektive schaffen. Unter dem Motto „Altmühlfranken überwindet seine inneren Grenzen“ werden bisher wenig beachtete Details der Region Altmühlfranken in Projekten dokumentiert. Ziel ist es, eine neue Sicht auf die Region zu entwickeln, die emotionale Verbundenheit zu stärken und Stolz zu vermitteln. Dies trägt zum Aufbau einer regionalen Identität bei.
Statt dem für Oberbayern bekannten „Mir san mir“ und einem vielfach beklagten fränki-schen Minderwertigkeitsgefühl, könnte daraus „Wir sind nicht besser, aber wir sind anders, und darauf sind wir stolz“ werden. Kultur ist immer auch gelebter Dialog. Deswegen soll diese gemeinsam gelebte Identität so vermittelt werden, dass sie auch von Dritten als angenehm und kulturoffen empfunden wird.
Das Netzwerk soll die neue vhs-Struktur des Landkreises aufbauen.

Das Kultur-Netzwerk Altmühlfranken und seine zugehörigen Netzwerkstrukturen benötigen ein Instrument für operative Tätigkeiten. Es ist eine eigenverantwortliche Organisations- und Koordinierungsform erforderlich, um neue Ideen umzusetzen und die Beteiligten zu unterstützen. Kooperationsstrukturen im Kulturbereich existieren in Deutschland in vielfältiger Form, jedoch erreichen wenige die von den Akteuren erwartete Effektivität. Im Rahmen eines beteiligungsorientierten Vorhabens wird daher ein eigener Weg gesucht, um diesen organisatorischen Rahmen kreativ zu gestalten. Kulturakteure in Altmühlfranken prüfen verschiedene Optionen für eine unterstützende Struktur und vergleichen diese anhand erfolgreicher Beispiele. Dieser Prozess, der auf Eigenbeteiligung und Mitwirkung der Kulturschaffenden basiert und Fremdeinwirkung minimiert, muss zu Beginn der Aller.Land-Umsetzungsphase stehen. Trotz der Notwendigkeit einer Etablierung dieses Instruments geht es nicht um eine überstürzte Entscheidung. Eine fundierte Informationsgrundlage für alle Beteiligten ist wichtiger.

Alle Beteiligten, einschließlich des Landkreises, streben eine von der Kreisverwaltung unabhängige Struktur an. Eine Beteiligung des Landkreises und der Kommunen an dieser Struktur ist jedoch möglich und erwünscht.
Als Option wird unter anderem die Genossenschaftsform geprüft. Eine Kulturorgani-sation auf Landkreisebene in dieser Form existiert bisher in Deutschland nicht. Die Wahl der Organisationsstruktur für die „Kultur-Agentur Altmühlfranken“ soll durch einen Beteiligungsprozess der Kulturakteure erfolgen. Dieser Prozess ist Teil der Umsetzungs-phase, die durch einen Erfolg im Aller.Land-Wettbewerb finanziert werden soll. Die Entscheidung hierzu wird im Juni 2025 erwartet. Sollte Altmühlfranken nicht unter den ausgewählten Regionen sein, wird ein Alternativplan entwickelt, um die Netzwerkidee trotz fehlender Förderung umzusetzen.