Kommentar von Werner Falk zur europäischen Wirklichkeit nach der Wahl
Europapolitik als Einigung auf den niedrigsten Level – das kann nicht die Losung sein. Das gilt für die sachlichen und auch die personellen Fragen, die uns jetzt in Straßburg und in den 27 Mitgliedsländern beschäftigen.
Die Europawahl war hochstilisiert worden zu einer Volksabstimmung über den künftigen EU-Kommissionspräsidenten. Jetzt müssen alle das Ergebnis anerkennen. Respekt vor den deutschen Sozialdemokraten, die das umgehend getan haben. An Jean-Claude Juncker führt kein Weg vorbei, es sei denn, ein interner Machtkampf in der EVP fördert ein anders Ergebnis zutage. Das aber wäre reine Wählertäuschung und deshalb zu verurteilen.
Nach dem Ritual des europäischen Postenschachers wird sich für den SPD-Mann Martin Schulz sicher ein Plätzchen finden, von dem aus er machtvoll agieren kann. Ich wünsche ihm, dass
er noch an Einfluss gewinnt, denn er ist der Mann, den Europa jetzt braucht – einer, der die Ängste der Menschen vor einer überbordenden Bürokratie versteht und der auch gegenüber den nationalen Staatschefs in wünschenswerter Weise Klartext redet und sich nicht von diplomatischem Gesabbel einlullen lässt.
Ich habe es in meinem Beitrag zur Europawahl so umrissen: Es gibt keine Alternative zu Europa! Aber wir müssen darauf achten, dass es handlungsfähig ist, dass es gegenüber den Vereinigten Staaten und China mit einer Sprache spricht und den geostrategischen Partnern als geschlossener Block auftritt.
Das neue EU-Parlament und die neue Kommission müssen endlich den bürokratischen Novellierungswahn stoppen. In Europa muss nicht alles gleich sein zwischen Sizilien und Grönland. Das Prinzip der Subsidiarität muzss endlich in der EU so verankert werden, das es für alle einen verpflichtenden Charakter hat. Nur so lässt sich ein „Europa der Technokraten“ verhindern und somit der Gefahr begegnen, dass es von hauptsächlich bürokratisch ambitionierten Politbeamten an die Wand gefahren wird. Ganz nebenbei: der AfD würde somit auch das Wasser abgegraben.
Eine gemeinsame Außenpolitik ist für die Wahrnehmung Europas als bedeutender Machtfaktor auf der Welt wichtiger als alle Detailregelungen. Nur wenn sie gelingt, dann wird Europa ernst genommen – von den Partnern auf den benachbarten Kontinenten, aber auch von seinen eigenen Bürgern. Wer von den europäischen Mitgliedsländern den gemeinsamen Weg nicht mitgehen will oder kann, weil er sich innenpolitik vergaloppiert hat, denen sollten die übrigen Ländern signalisieren, dass es besser wäre, sie würden ihren eigenen Weg gehen. „Ziehende soll man nicht aufhalten!“ Das ist ein altes Sprichwort, das auch in diesem Fall gilt. Vermutlich würden beispielsweise die Engländer ihr innenpolitisch motiviertes Manöver schnell wieder beenden, wenn die Bevölkerung im Alltag die Auswirkungen des Alleingangs zu spüren bekäme.
Ich denke, wir können guten Mutes in die europäische Zukunft blicken, wenn wir als Europäer selbstbewusst sind, die Erfolge anerkennen, die wir gemeinsam in vielen Jahrzehnten erzielt haben. Wir sollten nicht ständig von den Berufspessimisten und auch von publizistischen Besserwissern einreden lassen, Europa stünde vor einem Scherbenhaufen. Die Herausforderungen der Umwelt, um allein diesen Punkt zu nennen, müssen die übrigen Länder auf der Welt (auch die USA, China und die hochgelobten Schwellenländer) erst noch bewältigen, um auf ein Niveau zu kommen, das in Europa längst Wirklichkeit geworden ist und den Menschen ein Leben in Würde ermöglicht.
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