Kommentar von Werner Falk
Zugegeben, ich gehöre zu den Profiteuren von Andrea Nahles, der neuen Sozialministerin. Sie hat mit einer erstaunlichen Dynamik auf den Weg gebracht, was viele vor ihr jahrelang hin- und hergewendet haben: die Rente mit 63 ohne Abstriche für die Arbeitnehmer, die mindestens 45 Jahren beschäftigt waren und durchgehend ihre Beiträge gezahlt haben. Bei mir werden es am 3. August 50 Jahre. Dann werde ich aus dem Berufsleben ausscheiden. Nach der bisherigen gesetzlichen Regelung hätte ich bis Januar 2015 weiterarbeiten müssen, um in den Genuss der Rente ohne Abstriche zu kommen.
Warum melde ich mich dennoch kritisch zu Wort? Weil Andrea Nahles etwas macht, was sich einfach nicht gehört. Sie ignoriert das Parlament, das die „Rente mit 63“ noch gar nicht beschlossen hat. Lediglich die Regierung hat die Reform abgesegnet, aber das ist eben nur ein erster Teil im Gesetzgebungsverfahren. Und dieses Verfahren basiert auf dem Beschluss des Parlaments. Andrea Nahles lässt das Parlament links liegen und macht schon jetzt eine PR-Kampagne, die 1,15 Millionen Euro kostet. Bezahlt wird die Werbeaktion von wem? Natürlich von uns allen, den Steuerzahlern! Die deutschlandweite Werbung in Anzeigen, auf Plakaten und im Internet geht bis 15. März und nützt zu diesem Zeitpunkt niemand anderem als ihr.
Über Steuergeld-Verschwendung wettert der Bund der Steuerzahler. Und er argwöhnt: „Der Bundestag mit seiner großen Koalition ist offenbar nur noch zum Abnicken da.“ Ganz so sieht es aus. Von „Arroganz gebenüber dem Parlament“ spricht deshalb auch der Chef der Linken, und seine Parteifreundin Gesine Lötzsch, die Vorsitzende des wichtigen Haushaltsausschusses will sich demnächst die Ministerin persönlich im Ausschuss vorknöpfen.
„Es ist die Pflicht und Schuldigkeit der Bundesregierung, die Öffentlichkeit über wichtige gesetzliche Änderungen zu informieren“, sagt eine Sprecherin des Arbeitsministeriums auf Anfrage der Zeitung „Die Welt“. Damit hat sie recht, aber die „Rente mit 63“ ist eben noch nicht Gesetz. Und darin liegt der feine Unterschied, den Nahles nicht macht, der aber ein Ausdruck von demokratischer Hygiene ist.
Neueste Kommentare