Wünsche für das neue Jahr 2021
Vor einem Jahr habe ich Wünsche für das neue Jahrzehnt formuliert, davon ist nun ein Jahr verstrichen. Nur wenige dieser Wünsche haben sich in den ersten 10 % dieser Zeitspanne erfüllen lassen. Das lag natürlich auch daran, dass niemand vorhersehen konnte, mit welcher Wucht uns ein Ereignis treffen würde. Aufmerksame Nachrichtenhörer hatten zwar schon ab November 2019 diese Meldung aus dem fernen Wuhan wahrgenommen. Mir war sie aber in meiner Perspektive für das kommende Jahrzehnt eben auch keine Erwähnung wert gewesen. Welch ein fataler Irrtum! Aber immerhin hat es dieser Virus bewirkt, dass einige – zunächst als unmöglich erreichbare – Ziele umgesetzt werden konnten!
Aber in diesen Tagen verwünschen nun viele zu Silvester einfach nur dieses abgelaufene Jahr. Leider ist auch dies ein fataler Irrtum. Denn damit verdrängen wir die selbst verschuldeten Hintergründe, die zu diesem Corona-Jahr geführt haben. Wir sollten als dauerhaft wirkende Erfahrung aus diesem Jahr eben auch mitnehmen, dass man nun nicht weiter ungestraft immer tiefer in sensible Naturräume vordringen darf, dass grenzenloser Konsum, Hypermobilität und eine ausschließlich quantitative Wachstumsfixierung eindeutige Fehlorientierungen bedeuten, dass die global verwobenen Lieferketten eine enorme Krisenanfälligkeit bedeuten und dass vor allem unser Gemeinwesen funktionierende öffentliche Infrastrukturen auch über das bisherige Maß hinaus braucht, die uns dieses Jahr immerhin noch besser als viele andere auf der Welt noch relativ gut haben überstehen lassen!
Dieses Jahr hat uns aber auch bewusst gemacht, mit welcher unvorstellbaren Überheb-und Selbstverständlichkeit einige von uns einen Alltagsrassismus an den Tag legen, der sich zudem sehr schnell in sein Gegenteil verkehren kann. Noch im Frühjahr mussten sich viele asiatisch aussehende Gäste in unserem Lande reflexhafte Vorwürfe anhören bzw. wurde mit peinlich anmutenden Gesten bedeutet, dass sie in „ihr Corona-Land“ zurückkehren gehen sollten! Es darf daher nicht verwundern, dass angesichts der mittlerweile eingetretenen Infektionszahlen ähnliches nun Europäern im asiatisch-pazifischen Raum widerfährt. Taiwan, Südkorea oder Neuseeland feiern den Jahreswechsel in einem Zustand großer Gelassenheit und einer wieder erlangten persönlichen Freiheit. Gerade Neuseeland gilt als Musterbeispiel im zukunftsfähigen Umgang mit dieser Krise. Eine uns offenkundig ungewohnte Disziplin als DNA eines funktionierenden Gemeinwesens prägt erfolgreich die Gesellschaften dieses Raums. Sie wissen und beherzigen, dass es ohne diese Disziplin keine Freiheit geben kann. Die Menschen dort fühlen sich von ihrem Staat – trotz verordneter sehr konsequenter Einschränkungen – gut beschützt und sind vor allem stolz, mit Disziplin und Vernunft auch einen eigenverantwortlichen Beitrag zur Normalität ihres Alltags leisten zu können. Maskenverweigerung oder Proteste wie hier bei uns mit einer sog. „Querdenker-Bewegung“ sind in diesen Ländern mit einer anderen Qualität des gesellschaftlichen Zusammenhalts schlicht undenkbar. Bei der hierzulande immer noch offenen Suche nach dem Weg aus dieser Krise und vor allem nach erfolgreichen Langzeitrategien, könnte uns ein offener Blick in diesen asiatisch-pazifischen Raum außerordentlich hilfreich sein.
Wenn wir uns einen schnellen Weg aus dieser Krise wünschen, dann müssen wir im neuen Jahr eine andere Form der Solidarität finden. Wer noch im Zuge des ersten Lockdowns über eine vorher nie wahrgenommene Form gegenseitiger Solidarität freudig überrascht war und völlig neue Charakterzüge im Wesen unserer Gesellschaft wahrzunehmen glaubte, musste im Verlauf des weiteren Jahres sehr enttäuscht werden. Es gibt sie zwar, diese evtl. vorher noch nicht so sichtbare Solidarität in unserer Gesellschaft. Aber es sind eben wiederum nur die grob geschätzt zwei Drittel, die auch bis jetzt von den beschlossenen Maßnahmen überzeugt waren, sich an die Empfehlungen gehalten oder auch stärkere Einengungen von Freiheitsrechten im Interesse des Gemeinwohl hingenommen haben. Das Denken, auch aus Sicht der Anderen ist aber offenkundig noch nicht so vielen ein Bedürfnis!
So nimmt es nicht Wunder, dass diese zart aufblühende neue Solidaritäts-Welle in unserer Gesellschaft bereits wieder erkennbar verebbt!
Wir werden einen Weg aus dieser uns einengenden Krise mit Sicherheit frühestens gegen Ende dieses jetzt anbrechenden Jahres gewinnen können. Aber es bedarf dazu gerade des Willens zu dieser umfassenden gesellschaftlichen Solidarität. Viele Alltagserlebnisse dieser Tage lassen bei immer mehr Menschen Zweifel aufkommen, ob wir dazu wirklich bereit sind. Und wer vermeintlich seine verbürgten Freiheitsrechte dadurch eingeschränkt sieht und deswegen vor allem lautstark und auffällig demonstriert, verspielt dieses Recht auch gleichzeitig mit dem bewussten Verzicht auf eigene Schutzmaßnahmen, um vor allem ja andere vor irreparablem Schaden zu bewahren. Es sind gerade diese sich aktive gebärenden Solidaritätsverweigerer und die von ihnen ausgehende politische Gefahr, die auch zu dem nach wie vor fehlenden Mut der Politik zu tief einschneidenden, aber dafür dann auch wirksamen Maßnahmen führen könnten. Gerade in einer Pandemie – nicht in der Spaß-Gesellschaft – zeigt es sich, wie weit Menschen bereit sind, sich einem gesamtgesellschaftlichem Ziel und einer am Gemeinwohl orientierten Solidarität unterzuordnen.
Auch wenn die Pandemie und deren Überwindung dieses Jahr 2021 weiter prägen werden, es sind aber auch noch andere Aufgaben da, die uns absehbar herausfordern werden.
Es muss uns weiter bewusst sein, dass wir seit etwa drei Dekaden sehr exakt wissen, was das Überleben auf dieser Erde bedeutet. Wir haben in dieser Zeit aber dennoch nicht alles dazu Notwendige unternommen. Wenn wir jetzt nicht endlich konsequent handeln, wird uns in sehr naher Zukunft – wir haben wohlweisliche noch Zeit bis zum Ende dieses Jahrzehnts – nur noch die Möglichkeit bleiben, schmerzhafte Sachzwänge zu exekutieren. Die jetzt bitter notwendigen klimapolitischen Entscheidungen werden und müssen – wenn sie erfolgreich sein sollen – uns allen wehtun! Wir brauchen dazu zum einen Politiker, die zu diesem „Harakiri“ den Mut haben und wir brauchen zum anderen Wähler, die dies eindeutig verstehen und auch aktiv mittragen. Die Akzeptanz solch tief einschneidender politischer Schritte steht und fällt mit der Frage, ob sie umfassend gut begründet sowie vermittelt wurde und als gerecht empfunden wird. Die Einsichtsfähigkeit einer verantwortungs-bewussten Mehr ist größer, als es viele der in der politischen Verantwortung stehenden Personen glauben!
Wir werden dann aber wirklich auch liebgewonnene Freiheiten verlieren! Dagegen war Corona wohl allenfalls ein blasser Vorgeschmack. Und es wird dann auch dagegen von sog. „Querdenker“ und deren Gefolge einen vor allem lautstarken Protest geben.
Aber beides muss eine Gesellschaft aushalten, die – wie Corona gezeigt hat – an ihre Zukunft glaubt und dafür auch ernsthaft eintritt. Corona war eine Blaupause, die uns transparent macht, was da auf uns – in weit größerer Dimension – unabwendbar noch zukommen wird.
Wenn das Jahr 2021 zur Neige geht und wir dann die Gewissheit wieder erlangt haben, dass wir mit Viren wie Corona – es gibt rund 2.000 davon – leben können, werden wir wieder frei sein um uns dann endlich der Zukunft unserer Erde gemeinsam zu widmen. Denn von ihr haben wir nur diese eine!
DIETER POPP, Regionalberater
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