Himmler sprach Todesurteil

„Heimatkundliche Streifzüge“ des Landkreises Roth erschienen

Polnische Zwangsarbeiter waren während des Zweiten Weltkriegs auch auf fränkischen Bauernhöfen willkommene Helfer. Nicht selten behandelten die Bauern ihre zugeteilten Hilfskräfte ausgesprochen gut, wenngleich es natürlich auch andere Fälle gab. Stanislaus Waligora war einer von ihnen und Karl Obser ein Allersberger Landwirt, der wegen seiner Mitmenschlichkeit bei seinen Kollegen nicht im besten Ruf stand. Die Geschichte stellt Kreisheimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl in der neuen Ausgabe der „Heimatkundlichen Streifzüge“ des Landkreises Roth dar.

Was den Fall prekär macht, ist der Verdacht, der 29-jährige Zwangsarbeiter habe geschlechtlichen Verkehr mit einer Deutschen gehabt. Er wurde deshalb am 19. Dezember 1941 in Allersberg im Angesicht von 50 polnischen Zwangsarbeitern gehängt. Das Todesurteil über ihn hatte nicht etwa ein Gericht gesprochen, sondern SS-Führer Heinrich Himmler ganz persönlich, der damit ein Exempel statuieren wollte.

Vor der Allersberger Spruchkammer ist der Fall nach dem Krieg zur Sprache gekommen, wobei sich – wie in vielen anderen Verfahren – nichts als Widersprüche offenbarten. Weil die Tochter des Polen vor einigen Jahren Briefe ihres Vaters an seine Ehefrau übergab, ist mehr über den Mann bekannt geworden. Er war früh in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten wie 300000 andere auch. Immerhin: er erhielt einen Status als Zwangsarbeiter und konnte sich zunächst relativ frei bewegen. Erst später zog SS-Führer Heinrich Himmler die Daumenschrauben an. Er fürchtete um die innere Sicherheit angesichts der „reichsfremden Elemente“ und  verbot ihnen den Besuch von Gaststätten und Veranstaltungen jeder Art, ja er drohte sogar mit der Todesstrafe, wenn sie engere und intime Beziehungen zu deutschen Frauen unterhielten.

Stanislaus, der mit dem  Bauern Karl Obser einen angenehmen Dienstherrn hatte, war  von einer weiteren Dienstmagd beim Ortsgruppenleiter Karl Kugler angeschwärzt  worden, ihrer Freundin Rosa nachzustellen. Der Bauer musste sich der Kuppelei erwehren, ihm wurde anwaltliche Vertretung verwehrt und er landete im Konzentrationslager Mauthausen, wo er 1942 verstarb. Die Dienstmagd machte mit dem KZ Ravensbrück Bekanntschaft, durfte aber  viele Monate später   nach Allersberg zurückkehren. In dem 1950 vom Landgericht Nürnberg neu aufgerollten Verfahren ging es um den Verdacht, Obser sei Opfer einer örtlichen Verschwörung geworden. Dem seinerzeitigen Bürgermeister Wolfgang Distler wurde von der Dienstmagd vorgehalten, er sei hinter dem Obser-Bauernhof her gewesen und habe deshalb versucht, den Eigentümer los zu werden.

Von Allersberger Schülern ist der Fall 2009 in dem Theaterstück „Die unterbrochene Schulstunde oder Warum Stanislaus sterben musste“ inszeniert worden und hat den renommierten Karl-Heinz-Hiersemann-Preis bekommen. Übrigens: die Tochter von Stanislaus Waligora war 2003 auf Einladung der Marktgemeinde in Allersberg, „um Abschied zu nehmen“.

Die weiteren Themen in den „Heimatkundlichen Streifzügen“ sind: „Kriegsende vor 75 Jahren in Roth“ (Hans Pühn), Robert Unterburger erinnert an die schwärzesten Tage der Allersberger Geschichte vor 75 Jahren, die Grundsteinlegung der Büchenbacher Wohnungsbaugenossenschaft vor 70 Jahren wird von Annett Haberlah-Pohl behandelt und Irmgard Prommersberger widmet sich Eugen Tanhauser, dem ersten demokratisch gewählten Landrat von Schwabach.  „Hexen im südlichen Landkreis Roth und ihre Verfolgung“ behandelt Paula Waffler, Oliver Landauer berichtet von der Baugeschichte der Kirche St. Martin in Greding und Elke Reese stellt die Christus-Thomas-Gruppe der Kirche St. Thomas in Landerzhofen vor.  Von ihren Erfahrungen beim Umbau eines 200 Jahre alten Bauernhauses schreibt Billy Wechsler, Franz Kornbauer widmet sich den besonderen Bäumen im Abenberger Wald, während Tobias Tschapka die Rückkehr eines Bildstocks beschreibt.  Dem verstorbenen Heimatkundler Dr. Karl Röttel („Der Hüter alter Grenzsteine“) widmet Irmgard Prommersberger einen Nachruf.

WERNER FALK

Die „Heimatkundlichen Streifzüge“ sind für 4,60 Euro beim Landratsamt Roth und im Haus des Gastes in Hilpoltstein und im Buchhandel erhältlich.

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Die Beiträge kommen vom Herausgeber und von Gastautoren. Im Mittelpunkt stehen kommunalpolitische und gesellschaftspolitische Themen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist es mir wichtig, historische Beiträge zu veröffentlichen.

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