Argumente für eine faire Center Parcs-Diskussion
Vorgeschichte
Aktuell entsteht eine bereits jetzt sehr emotional geführte Diskussion um den Standort eines Ferienparks einer Unternehmensgruppe aus der EU. Diese hat das öffentliche Bieterverfahren mit Erfolg abgeschlossen, das bis zum 22. O7. 2020 lief und mit der Entscheidung des Eigentümers, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) am 30. 07. 2020 an Center Parcs endete.
Für dieses umfangreiche Bieterverfahren musste Center Parcs – wie alle anderen an diesem Grundstück interessierten Bieter – ein entsprechendes finanzielles Angebot vorlegen, das mit nachvollziehbaren Angaben für die weitere inhaltliche Ausgestaltung nach der erfolgreichen Vergabe gekoppelt war. Es stellt einen völlig normalen Vorgang dar, dass Bieter in einem Wettbewerb solche Unterlagen erstellen und diese mit der Zusage der vertraulichen Behandlung der ausschreibenden Institution vorlegen. Diese Vertraulichkeit ist geboten und berechtigt, da es sich um geistiges Eigentum des anbietenden Unternehmens handelt, das ein nachvollziehbares Interesse daran besitzt, dass solche Unterlagen zu diesem Zeitpunkt nicht in die Öffentlichkeit – und darüber in die Hände von Mitbewerbern – fallen.
Es ist vor dem Hintergrund des umfassenden Komplexes dieser Investition mit all den dafür notwendigen Genehmigungsverfahren auch verständlich, dass solche Expertisen Zeit benötigen und daher weit vor dem Zeitpunkt – hier also entsprechend schon 2017/18 – der letztendlichen Entscheidung über den Grundstücksverkauf hier erstellt wurden. Und zwar nur zu genau dem Zweck des privatrechtlichen Erwerbs eines Grundstücks.
Es ist in solchen größer dimensionierten Verfahren aber durchaus auch üblich, dass im Vorfeld Informationen in dieser Phase bereits unter beteiligten Behörden und Dienststellen ausgetauscht werden. Es dürfte dabei eigentlich als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass solch ein Meinungsaustauch als streng vertraulich einzustufen ist, da es dabei ja nicht nur um die Daten des späteren Gewinners aus diesem Bieterverfahren, sondern um alle Daten sämtlicher Bieter geht.
Und diese können und dürfen nicht Teil einer öffentlichen Diskussion werden.
Aktuelle Situation
Die Firma Center Parcs hat sich unmittelbar nach dem Vergabebeschluss an alle damit fachlich befassten öffentlichen Einrichtungen gewandt. Damit sollte sicher auch der Eindruck vermieden werden, als würde hier eine Entscheidung unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen. Es ist damit aber auch nachvollziehbar, dass in dem bisherigen Verlauf dieses Verfahrens keine Defizite bezüglich einer öffentlichen Transparenz erfolgt sind.
Die jetzt öffentlich über die Medien geführte Debatte erweckt aber genau diesen Eindruck. Es wäre daher auch an der Zeit, dass die Medien ihrer journalistischen Verantwortung nachkommen und die Öffentlichkeit über den normalen Ablauf eines solchen mehrstufigen Genehmigungsverfahrens – jeweils mit öffentlicher Beteiligung – umfassend in Kenntnis setzen.
Es beginnt also jetzt erst die Zeit, in der das interessierte Unternehmen den fachlich zu beteiligenden Behörden und der betroffenen Kommune einschließlich deren Bürger*innen das nun hier geplante Objekt vorstellen kann. Denn zu einer solchen inhaltlichen Offensive in die Öffentlichkeit gehört für ein investierendes Unternehmen auch die dazu erforderliche Planungssicherheit, die aber erst jetzt gegeben war.
Für den 01. September sind erste Informationsveranstaltungen vorgesehen, bei der die in das Verfahren einzubeziehenden Kreisräte*innen, die Mitglieder des Zweckverbands Brombachsee sowie die Mitglieder des Gemeinderats der Gemeinde Pfofeld sowie auch Bürger*innen der Gemeinde einbezogen werden.
Bis zu diesem Zeitpunkt verbietet es sich eigentlich im politisch korrekten Umgang miteinander, dass bereits jetzt endgültige Urteile und Einschätzungen über ein Projekt getroffen werden, das man allenfalls aus der Perspektive bereits existierender ähnlicher Vorhaben zu kennen glaubt.
Es sind daher die Fakten und Absichtserklärungen abzuwarten, die dann durch das Unternehmen in die Öffentlichkeit getragen werden.
Welche Einschätzungen sind bereits vor dieser öffentlichen Veranstaltung abzuleiten?
Touristische Kapazitäten
In den letzten Wochen wurde rund um den Brombachsee viel über „Overtourism“ gesprochen, ohne dass diese Personen wohl eine Vorstellung von jenen Destinationen in der Welt haben, auf welche eine derartige Bezeichnung in der Tat zutrifft. Dazu zählen kleinere Teile der Urlaubsinsel Mallorca, bestimmte Abschnitt der Küsten von Adria und Ägäis , aber auch einige europäische Binnengewässer oder Altstadtbereiche wie Venedig oder zu bestimmten Zeiten auch Salzburg. Ob es berechtigt erscheint, den erstmals in dieser Saison an wenigen Tagen – Corona bedingt – aufgetretenen Ansturm größerer Mengen an Urlaubs- und vor allem Tagesgästen am Brombachsee dazu zu rechnen, erscheint zumindest sehr zweifelhaft. Es gab – allerdings lange zurückliegend – Zeiten am Brombachsee und überall im Fränkischen Seenland, wo solche punktuellen Ausnahmeerscheinungen der – damals jedoch ersehnte – Normalfall gewesen waren.
Dies trifft im Übrigen auch auf die Kapazitäten der Infrastruktur an den Seen zu. Diese wurden vor rund 30 Jahren auf Spitzenleistungen (Verkehrsinfrastruktur, Bettenkapazitäten etc) ausgelegt, die nahezu in kaum einem Fall erreicht, geschweige denn überschritten wurden. Noch vor kurzer Zeit wurde ja am Brombachsee sogar darüber Klage geführt, hier sei „ja nichts los“.
Die Bettenkapazität ist in den letzten 10 Jahren alleine um nahezu 40 % gesunken.
Und dies ging vorzugsweise zu Lasten kaum mehr sanierter Einrichtungen, die heute aber nicht mehr nachgefragt werden. An den Seen unserer Region werden aber – wie längst auch in anderen Destinationen spürbar – zunehmend höherwertig ausgestattete Ferienwohnungen und vor allem auch Ferienhäuser nachgefragt.
Niemand wünscht sich überlaufene Dörfer oder Tourismus-Einrichtungen. Aber hier im Fränkischen Seenland von „Massentourismus“ zu sprechen, grenzt angesichts aktueller und auch ggf. durch die anstehende Investition zu erwartende r Besucherzahlen – immerhin von Übernachtungsgästen – an fatale Fehleinschätzungen. Man möge zum Vergleich doch bitte einmal dort nachsehen, wo derartige Attitüden angebracht sind.
Arbeitsplätze durch Tourismus
Es ist nachvollziehbar, dass viele vom Tourismus erwarten, dass er nicht nur Gäste sondern eben auch Arbeitsplätze in die Region bringt. Dies hat sich in zahlreichen Tourismus-Destinationen so auch – zu deren Wohl – bestätigt. Aber das setzt auch einen regionalen Arbeitsmarkt voraus, der diese qualifizierten Arbeitskräfte in entsprechender Zahl verfügbar hat.
Wer aber mit Aufmerksamkeit die Stellenanzeigen in den hiesigen Medien beachtet dürfte längst festgestellt haben, dass hier keine – schon gar nicht in dieser erforderlichen Zahl – Angebote für Köche*innen, Küchenhilfen, Servicepersonal, Reinigungskräfte, Animateure*innen, Bademeister*innen oder Management-Personal gibt! Viele Betriebe reduzieren sogar ihre Angebote, weil ihnen vor allem das Personal dazu fehlt.
Was bleibt also einem Unternehmen in dieser Situation übrig – alteingesessenen wie auch den neu hinzukommenden – als sich auf dem nationalen oder EU-Arbeitsmarkt umzusehen.
Umnutzung und Aufwertung eines Muna-Geländes
Wenn sich der Bund oder der Freistaat Bayern zu einer in eigener Verantwortung liegenden Folgenutzung in der Lage gesehen hätten, wäre dieses Gelände bestimmt nicht in einem so lange dauernden Zustand verblieben, wie er – je nach Einschätzung – jetzt beklagt oder auch für gut befunden wird.
Unbestritten ist dieses Gelände im aktuellen Zustand nicht für einen öffentlichen Zugang geeignet.
Es hätte aber dazu die Option bestanden, dass unter Hinnahme der Historie des Geländes dieses wie etliche andere vor allem in Ostdeutschland – meist als Hinterlassenschaften der Roten Armee – in ein Wildnisgebiet überführt und einer entsprechenden Betreuungsorganisation angeboten worden wäre. Alleine die Tatsache, dass der damit potenziell erworbene „Wildnis-Wert“ dies nicht gerechtfertigt hat, vereitelte diese denkbare Nutzungsoption.
Einen überwiegend nicht waldbaulich mit standortheimischen Baumarten versehenen Raum als wertvolles Biotop hochzustilisieren – selbst wenn dort sehr unwahrscheinlich, andere Floren- oder Faunenelemente besonderer Bedeutung anzutreffen sein sollten – wird der dort vorzufindenden Realität dieses Naturraums nicht gerecht. Freilich wird an diesem Standort dann eine Fläche überbaut, aber dafür sind auch Ausgleichsflächen und -Maßnahmen verpflichtend vorgesehen.
Es gilt in solchen Fällen daher auch abzuwägen, was den größeren volkswirtschaftlichen Gewinn versprechen wird. Und da werden jene Menschen und deren Bedürfnisse auch mit zu berücksichtigen sein, die im Rahmen ihrer Familien aus der Enge der Metropolen herausdrängen, die nicht in den Flieger nach Mallorca steigen und die dennoch einen familiengerechten Urlaub in einer naturnah gestalteten Umgebung suchen. Dass diese dann nicht zwingend National- oder Naturparke vorrangig aufsuchen, dürfte naheliegend sein. Wenn diesen Zielgruppen aber eine – möglicherweise anderen Menschen eher alltäglich erscheinende – Naturnähe angeboten wird, die ihnen Natur dennoch atemberaubend präsentiert, sind sie in der Regel in hohem Maße zufrieden. Die Erfahrungen mit solchen Urlaubsangeboten – wie sie Center Parcs, als nur eines von mehreren Unternehmen unterbreiten – machen aber deutlich, dass und wie dies möglich ist. Solche Urlauber-Gruppen sind dann auch für Themen mit Naturraum-Sensibilität eher zu gewinnen.
Ob dieses Ziel mit einem dauerhaft für die Öffentlichkeit verschlossenen Muna-Gelände und dessen nur eingeschränkt ökologisch herausragenden Lebensräumen zu erzielen wäre, darf zumindest in Frage gestellt werden. In diesem Zusammenhang soll aber auch in Erinnerung gerufen werden, das sehr viele – auch empfindliche – Lebensgemeinschaften von Tier- und Pflanzenarten weit mehr Druck durch die Anwesenheit von auf ihren Wegen bleibenden Menschen vertragen, als sich dies viele vorstellen können. Dies ist eine längst nachgewiesene Tatsache, die jedoch aus Kreisen des Naturschutzes gerne verdrängt wird.
Und dies wird auch nicht dadurch entkräftet, dass es daneben eben auch eine Reihe von Arten mit ihren genetischen Ressourcen gibt, die nur unter „Ausschluss menschlicher Nähe“ gute Entwicklungsperspektiven haben, weswegen dazu Naturschutzgebiete und ähnliche Reservate eingerichtet werden müssen. Das Muna-Gelände, wie die meisten Lebensräume rund um den Brombachsee zählen jedoch nicht dazu.
Es wäre schön, wenn diese Differenzierung daher auch in der öffentlichen Debatte entsprechend berücksichtigt werden könnte..
Sanfter Tourismus am Brombachsee
Vielfach wird der sog. „sanfte Tourismus“ in der sich aktuell entwickelnden Debatte als Argument missbraucht. Unser Unternehmen FUTOUR hat diese Diskussion von Anfang an – beginnend 1989 auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin als „Tourismus mit Einsicht“ – aktiv mit geführt und gestaltet. Wir haben zahlreiche Regionen mit ihrem Wunsch nach einem „sanften Tourismus“ begleitet und dabei immer wieder betont, dass nahezu jede Form von Tourismus einen Eingriff in die Natur darstellt. Daher werden alle – nicht nur die touristischen – Eingriffe, zumindest in der Europäischen Union auch zu Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet.
Bis heute fehlt jedoch eine allgemein verbindliche Definition für diesen Begriff, obwohl es dazu zahlreiche Versuche, Wettbewerbe, Auszeichnungen und natürlich auch Förderprogramme gegeben hat. Meist sind es Eigenerklärungen von Regionen, die mit einmal etwas mehr und einmal etwas weniger fachlichem Knowhow gepaart worden sind. Zu Marketingzwecken sind sie vielfach genutzt, meist aber leider missbraucht worden.
Das Fränkische Seenland hat sich damit bisher nicht geschmückt, sondern bietet sich mit seinen natürlichen Stärken selbstbewusst und ehrlich auf dem Markt an. Eine Entwicklung zu einer nachhaltigen Region wäre zwar denkbar, aber dies ist ein sehr weiter und steiniger Weg, den eine erkennbare Mehrheit der touristischen Anbieter und Leistungsträger aktiv mitgehen müssten. Dies sollte all jenen bewusst sein, die jetzt einen „sanften Tourismus“ am Brombachsee bereits als bedroht ansehen.
Fazit einer Vorausabschätzung
Auch wenn die Ergebnisse der öffentlichen Präsentation des Projektträgers noch nicht vorliegen und mit guten Gründen abgewartet werden sollten, können bereits jetzt alle von dieser Präsentation unabhängigen Bewertungen vorgenommen werden.
Leider aber beschäftigen sich aktuell viele der sich dazu Berufenen nur damit, hypothetische Annahmen in den Raum zu stellen und mit diesen nicht belegbaren Argumenten – wie offenbar in Corona-Zeiten üblich – für Stimmung unter den weniger informierten Teilen der Bevölkerung zu sorgen.
Dieter Popp, Futour Regionalberatung Haundorf, 27. August 2020
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