Neustadt, die NS-Hochburg in Mittelfranken

Autor Wolfgang Mück beleuchtet nationalsozialistische Vergangenheit

Eigentlich müßte es von jeder mittelfränkischen Stadt ein Buch dieses Formats gaben: „NS-Hochburg in Mittelfranken – Das völkische Erwachen in Neustadt an der Aisch 1922-1933“ ist der Titel eines neu erschienenen Buchs von stattlichen 398 Seiten, in dem sich der frühere Neustädter Bürgermeister und Historiker Dr. Wolfgang Mück mit der nationalsozialistischen Vergangenheit seiner Stadt befasst. Er tut dies gründlich und nennt die Namen derer, die sich damals besonders wichtig gemacht haben, nicht zuletzt auch ausfällig geworden sind gegenüber ihren Mitmenschen.buch_ns_hochburg

Autor Wolfgang Mück hatte vor einem Vierteljahrhundert von einem Bürger der Stadt einen „Schatz“ der besonderen Art bekommen: die auf 211 Seiten handgeschriebene Chronik der NSDAP in Neustadt/Aisch. Sie war lange Zeit sozusagen unter Verschluss gehalten worden, um die Neustädter nicht mit ihrer ungeliebten Vergangenheit zu konfrontieren.  Verfasst hatte die  Chronik der einstige NS-Funktionär Karl Ströbel, der sich in der Nachkriegszeit nach Einschätzung  von Wolfgang Mück  „vom glühenden Nationalsozialisten zum realistischen Sozialdemokraten“ wandelte.  Von 1960 bis 1972 war er sogar Bürgermeister der Stadt.  Dreißig Jahre fungierte  er noch als Kreiskulturstellenleiter der örtlichen NSDAP („Wir wollen Kämpfer, ganze Kerle und keine bürgerlichen Schlappschwänze“).

Neustadt/Aisch war die Hochburg der Nationalsozialisten in Mittelfranken – und blieb sie bis 1945, als die Amerikaner einmarschierten. Bereits am 16. März 1923 gründeten die Neustädter ihre Ortsgrupe und schon am 4./5. August des gleichen Jahres war der junge Adolf Hitler zu Gast und begeisterte bei einer Kundgebung  unter freiem Himmel im 5000-Einwohner-Städtchen rund 20000 Zuhörer.

Der Kreisleiter Adolf Meyer (es war übrigens ein gebürtiger Trommetsheimer) war ein Kriegskamerad von Adolf Hitler im Infanterieregiment 16 List. Hitler hatte ihm im Ersten Weltkrieg das Leben gerettet. Das verbindet. Fünf Jahre später (1928) war Hitler erneut in Neustadt. 1931 bekam die Stadt als erste Kreisstadt in Bayern eine SA-Standarte. Elf von 20 Stadträten waren damals schon Nationalsozialisten. Zum Ehrenbürger ernannten ihn die Parteigenossen 1932. Zuvor hatte er in Coburg die erste Ehrenbürgerwürde einer bayerischen Stadt bekommen. Damals war Hitler offiziell noch ein Staatenloser, denn erst am 25. Febraur 1932  wurde er nominell zum braunschweigischen Regierungsrat erkannt und somit erlangte der Österreicher aus Braunau am Inn die deutsche Staatsbürgerschaft.

Bei der Reichspräsidentenwahl 1932 kam Hitler in Neustadt auf beachtliche 69 Prozent der Stimmen, im Reich waren es 36,7 Prozent. Bei der Landtagswahl im gleichen Jahr gab es das gleiche Ergebnis. 1933 kam ein weiterer Ehrenbürger dazu: Julius Streicher, der „Frankenführer“.  Die Neustädter Nationalsozialisten strebten ein Jahr später einem neuen Rekord zu. Sie votierten bei der Volksabstimmung über die Zusammenlegung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten zu 99 (!) Prozent mit Ja. Das war der Spitzenwert in ganz Deutschland. Von den Nationalsozialisten konnten die Neustädter gar nicht genug bekommen. 1939 war in der Stadt nach dem Vorbild der Nürnberger Reichsparteitage der „Kreistag der NSDAP“ – ein Novum im Reich.

Wolfgang Mück geht in seinem Buch auch auf den Roman des Arztes Gustav Sondermann ein, der 1938 unter dem Titel „Türme über der Stadt“ zwar die Namen der handelnden Personen verfremdete, aber in Neustadt wussten damals alle, wer gemeint war. Sondermann war übrigens einer der frühen Nationalsozialisten, die Hitler in seiner Festungshaft in Landsberg besuchen durften (1924). Später rückte Sondermann vom nationalsozialistischen Gedankengut ab.

Mück stellt in Kurzbiographien die damals agierenden Personen vor und schreibt auch über ihre „Resozialisierung“ nach dem Krieg, als mancher auf merkwürdige Weise einen „Persilschein“ erhielt, der einige Jahre zuvor noch als strammer Nazi unterwegs war. Der Autor ziert sich auch nicht, die Verwendung der früheren Parteigenossen im neuen demokratischen Deutschland zu nennen. Veröffentlicht ist in seinem Buch auch eine Liste von Menschen, die Gegner und Opfer waren oder zumindest von der Partei abgerückt waren.  Am Ende ist die Chronik von Karl Ströbel im Originaltext abgedruckt.                                                                     WERNER FALK

„NS-Hochburg in Mittelfranken“ (Das völkische Erwachen in Neustadt an der Aisch 1922-1933), 398 Seiten, Sonderband 4 der „Streiflichter aus der Heimatgeschichte“ des Geschichts- und Heimatvereins Neustadt an der Aisch; Verlag PH C.W. Schmidt, Neustadt, ISDN 978-3-87707-990-4), 26 Euro.

 

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