Wir brauchen die Migranten!

Prof. Straubhaar: „Der Untergang ist abgesagt!“

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Prof. Thomas Straubhaar ist Stiftungsratsvorsitzender der Hamburger Körber-Stiftung. Foto: Körber-Stiftung

Ungläubig sehen die Skeptiker die Integration von Migranten in Deutschland. Ihnen seien die Thesen von Prof. Thomas Straubhaar zur Kenntnis gebracht, die er in seinem Buch „Der Untergang ist abgesagt!“ macht (edition körber, hamburg). Sein Blick in die Zukunft macht Hoffnung: „Deutschland wird überleben – anders, aber nicht schlechter“.
Die demokrafische Entwicklung in Deutschland ist erschreckend. Die Erwerbspersonen im Alter von 20 bis 64 Jahren werden stark zurück gehen, und zwar von heute 50 Millionen auf 44 Millionen (in 2030) und auf 34 Millionen (in 2060). Das sind dann 30 Prozent weniger als heute. Das Land verliert 13-15 Millionen Arbeitskräfte. Durch die Zuwanderung kann nach dem Urteil von Prof. Straubhaar nur ein Teil ausgeglichen werden.
Die jungen Mütter wollen nicht auf den Beruf verzichten – und somit auf das eigene Gehalt. Ein Beispiel: Einer Frau, die mit 30 Jahren ihr erstes Kind bekommt, entstehen bei einer sechsjährigen Unterbrechung der Vollzeitarbeit ein Bruttolohnverlust von 194000 Euro. Nicht einmal die Hälfte der kinderlosen Eltern (im Alter von 18-50 Jahren) glaubt, dass ein Kind ihr Leben bereichern und sie glücklich machen kann. Die Berufskarriere ist für viele Frauen der „Plan B“ im Fall eines Scheiterns der Ehe. Und inzwischen wird jede dritte Ehe in Deutschland geschieden. Also: Migranten können den Schrumpfungsprozess bremsen, stoppen können sie ihn nur auf sehr lange Sicht.
Faktoren der Gesellschaftsentwicklung sind: Die Lebenserwartung steigt, die Sterblichkeit sinkt, die Lebensgemeinschaften verändern sich (ein Fünftel lebt allein), wir sind auf dem Weg zu einer Gesellschaft der Egoisten (Straubhaar: „Die hedonistische Genussgeneration übt sich in der Anbetung des eigenen Bauchnabels“).
Heute haben wir in Deutschland bereits einen Migrantenanteil von 20,5 Prozent, die Hälfte der Menschen mit ausländischer Herkunft haben inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Der Wissenschaftler spricht von einer zunehmenden Metropolisierung. Der Trend zur Vielfalt in der Gesellschaft gehe durch die Flüchtlingswelle weiter und beschleunige sich. Der Megatrend sieht so aus: Die Metropolen werden größer. München ist in den letzten zehn Jahren um 11 Prozent gewachsen, Hamburg um vier Prozent, Dresden um acht Prozent und Leipzig um fünf Prozent, der Landkreis München um 20 Prozent. Andererseits wird prognostiziert, dass der ländliche Raum bis 2035 ungefähr 30 Prozent seiner Menschen verlieren wird. Aber der Professor sieht auch die Schwächen der demografischen Projektion, denn die Modellrechnungen können sozusagen auch in die Hose gehen. Beispielweise ist vor 25 Jahren Deutschland „über Nacht“ um 16 Millionen Menschen gewachsen – und nicht untergegangen!
„Wir sollten nicht über die Alterung der Bevölkerung klagen, sondern das Potenzial der alternden Bevölkerung besser nutzen“, sagt Straubhaar.
Mit der Bundeskanzlerin ist sich Straubhaar sicher: „Die Zeit der nationalen Migrationspolitik in Europa ist abgelaufen. Die Flüchtlingsströme müssen verhindert werden bevor sie entstehen!“ Auch er sieht das Phänomen, dass die Furcht vor dem Fremden in den Regionen am größten ist, in denen es gar keine (oder ganz wenig) Fremde gibt.
Der Wissenschaftler hat ausgerechnet, dass es in Deutschland derzeit noch ein Potenzial von 6,5 Millionen Arbeitskräften gäbe (14,6 Prozent davon Deutsche, 30 Prozent Ausländer), würden alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Er kommt zur Ansicht, dass der heutige Fachkräftemangel auch ein Führungsmangel ist. Wie die vorgenannte Zahl zeigt, gibt es viele arbeitswillige und erwerbsfähige Menschen gibt, also streng genommen gar keinen Fachkräftemangel, wohl aber fehlt es an den betrieblichen Voraussetzungen für die Erschließung der Potenziale. Straubhaar sagt, Deutschland sei heute als Arbeitsplatzstandort attraktiver denn je. Es gebe 2016 sieben Prozent mehr an ausländischen Studenten als 2015. Doppelt so viele Studenten kämen aus dem Ausland wie es deutsche Studenten an ausländischen Universitäten gebe. Von 2006 bis 2013 sei der Anteil der ausländischen Wissenschaftlern um 74 Prozent gestiegen, die der Professoren um 46 Prozent.
Die Folgen der Schrumpfung und Alterung der deutschen Gesellschaft könnten durch die Digitalisierung gemeistert werden. „Der Rückgang der Erwerbsbevölkerung ist ein Segen und kein Fluch“, sagt der Wissenschaftler. Die Angst vor dem demografischen Wandel sei das Problem, nicht der demografische Wandel. Dieser führe nicht in den Untergang. Die Mythen müssten allerdings durch nüchtern Analysen ersetzt werden.                                                                                 WERNER FALK

Das 204-seitige Buch von Prof. Straubhaar ist in der „edition Körber-Stiftung“, Hamburg, erschienen und kostet 18 Euro.  Es kann über den Buchhandel bezogen werden (ISBN 978-3-89684-174-29).

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